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Windenergie
"Wir werben für den Standort Deutschland"

Die Zahl der Windräder zur Ökostrom-Produktion in Deutschland nimmt weiter zu. Der Bundesverband Windenergie erwartet für das Jahr 2017 einen Leistungszuwachs um rund 5.000 Megawatt. "Wir werben für den Standort Deutschland und glauben, dass es auch hier gute Chancen gibt", sagte Hermann Albers, Präsident des Bundesverbands Windenergie im Dlf.

Hermann Albers im Gespräch mit Mathias von Lieben | 27.07.2017
    Der Offshore-Windpark Butendiek, aufgenommen am 15.08.2016 etwa 30 Kilometer vor der Insel Sylt (Schleswig-Holstein) in der Nordsee. Die Stromproduktion der Windparks in der Nordsee hat sich im ersten Halbjahr gegenüber dem Vorjahreszeitraum mehr als verdoppelt.
    Der Offshore-Windpark Butendiek liegt etwas 30 Kilometer vor der Insel Sylt. (dpa/Daniel Reinhardt)
    Mathias von Lieben: Der Klimawandel schreitet voran, und deswegen ist es auch Teil der Klimaziele, die erneuerbaren Energien so schnell wie möglich auszubauen. Eine ganz besonders tragende Rolle spielt dabei die Nutzung des Windes als Energiequelle. Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau und der Bundesverband Windenergie stellten heute die Ausbauzahlen der Windkraftanlagen des ersten Halbjahrs 2017 vor, und sie präsentierten gute Nachrichten. Bei der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien nimmt die Windkraft mit einem Anteil von knapp 35 Prozent den ersten Platz ein, und auch sonst sind die Zahlen positiv. Heißt das nun, dass alles gut ist? Darüber habe ich schon kurz vor der Sendung mit Hermann Albers gesprochen. Er ist Präsident des Bundesverbands Windenergie. Meine erste Frage an ihn war, ob es denn wirklich so gut läuft oder es nicht doch noch an irgendeiner Stelle hapert.
    Hermann Albers: Doch, es läuft schon gut, das darf man sicherlich sagen. Wir erwarten am Ende des Jahres einen Zubau von 5.000 Megawatt in Deutschland, das ist eines der stärksten Zubaujahre, die wir in diesem Bereich gesehen haben. Der Grund dafür ist nicht zuletzt, dass die Genehmigungen, die noch im Zuge des ehemaligen EEGs erteilt worden sind, jetzt umgesetzt werden, nämlich im Zuge einer noch geltenden Übergangsregelung mit Festpreisvergütungen, während wir ja ab 2017 jetzt das System gewechselt haben aufgrund der politischen Entscheidung hin zur Ausschreibung. Im Moment profitieren wir noch davon, dass viele Akteure ihre bis Ende 2016 erteilten Genehmigungen jetzt umsetzen. Wir gehen davon aus, dass ab 2019, wenn nur noch auf der Basis von Ausschreibungen im neuen Gesetz agiert wird, der Zubau in Deutschland dann allerdings kräftig zurückgeht, das heißt, etwa 40 Prozent weniger als zum Beispiel in diesem Jahr.
    "Die Behörden gehen immer mehr auf das Thema Naturschutz ein"
    von Lieben: Jetzt gibt es auch immer wieder Widerstand. In Bayern gilt ja beispielsweise seit 2014 die sogenannte 10-ha-Regel, die regelt ja den Abstand von neuen Windkraftanlagen zu Wohnungen. Hat das den Ausbau nicht in so einem flächenmäßig großen Bundesland zum Erliegen gebracht?
    Albers: Perspektivisch gibt es hier ganz erhebliche Einschränkungen. Bayern ist in diesem ersten Halbjahr mit 182 Megawatt immer noch auf Platz fünf. Das hat natürlich unter anderem mit der Größe des Bundeslandes zu tun. Es hat auch viel damit zu tun, dass die Genehmigungen, die noch vor der Entscheidung zu dieser neuen Abstandsregelung in Bayern getroffen wurden, immer noch umgesetzt werden, und es gibt eine kleine Entlastung dadurch, dass Bayern sich zunehmend dafür entschieden hat, Windkraftanlagen in Nutzwald, nämlich häufig genug in eigenen Landeswäldern doch umzusetzen, und dort können dann im Zweifel diese Abstandsregelungen eingehalten werden.
    von Lieben: Besonders laut ist die Kritik ja auch immer wieder von Tier- und Umweltschützern, die beklagen, dass zum Beispiel seltene Vogelarten, aber auch Flora und Fauna, durch den Ausbau in Mitleidenschaft geraten. Kommen Sie gegen diesen Widerstand denn an?
    Albers: Wir versuchen, diese Einwände, die Kritik im Zuge der Genehmigungsverfahren zu bearbeiten. Die Behörden gehen immer mehr auf das Thema Naturschutz ein. Ein wichtiger Bestandteil ist eine sehr dynamische Entwicklung von Ausgleichsmaßnahmen aus Weichflächen, die dann bereitgestellt werden müssen, wenn hier bestimmte Vogelarten beeinträchtigt sein können. Ich glaube, wir nähern uns zunehmend einer einvernehmlichen Lösung mit dem Naturschutz. Und erneuerbare Energie, die Vermeidung eines Anstiegs von CO2 ist an sich Klimaschutz.
    "Wir werben nach wie vor für den Standort Deutschland"
    von Lieben: Jetzt hat gestern der Windanlagenhersteller Senvion angekündigt, zwei seiner Standorte zu schließen und im selben Zusammenhang auch 730 Stellen zu streichen. Und die Begründung lautete, man müsse sich kostengünstiger aufstellen, um auf dem globalen Markt Erfolg zu haben. Droht da der Windenergie das gleiche Schicksal wie der Solarbranche in Deutschland auch, dass die Produktion mittelfristig ausgelagert wird?
    Albers: Ich glaube, die Fotovoltaik hat im Hinblick auf den Druck von politischen Entscheidungen, die ab 2012 in Deutschland gefasst wurden, besonders darunter gelitten, dass es im Wettbewerber China eine staatspolitische Entscheidung gab, sich sehr stark dem europäischen und dem deutschen Markt zu widmen und in diesen Markt einzudringen mit einer Staatsexportsubvention von bis zu 50 Prozent. Das ist eine Situation, die liegt derzeit in der Windenergie Gott sei Dank nicht vor. Diese Verlagerung, die Sie jetzt ansprechen, von Arbeitsplätzen nach Südeuropa hat natürlich damit zu tun, dass der Gesetzgeber mit dem Kriterium der europäischen Ausschreibung den Preisdruck für die Branche deutlich erhöht hat. Und jeder, der erfolgreich anbieten will, muss jetzt seine Kosten senken, so schnell und so gut es geht. Dazu kann auch gehören, dass man auf einem besser versorgten Arbeitsmarkt mit niedrigeren Arbeitslöhnen in Südeuropa seinen Erfolg sucht. Das ist eine unternehmerische Entscheidung. Wir werben nach wie vor für den Standort Deutschland und glauben, dass es auch hier gute Chancen gibt.
    von Lieben: Sagt Hermann Albers. Er ist Präsident des Bundesverbands Windenergie.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.