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Windenergieanlagen
Mit Hubschraubern gegen die Vereisung

Wenn sich auf den Rotorblättern von Windrädern Eis bildet, werden die Turbinen sofort abgeschaltet - zumindest in Deutschland. In Schweden geht man einen anderen Weg. Dort sind verschiedene Enteisungssysteme im Einsatz. Darunter auch eine Heißwasserdusche aus dem Hubschrauber.

Von Monika Seynsche | 24.03.2014
    Die Sonne scheint durch dichte Regenwolken auf ein Windfeld aus Windrädern.
    Werden Windenergieanlagen nicht enteist, sind Ausfälle in Höhe von fünf bis zehn Prozent der jährlichen Stromproduktion möglich. (dpa / picture alliance / Axel Heimken)
    Der skandinavische Winter ist kalt. Die Temperaturen sinken weit unter den Gefrierpunkt und Stürme fegen vom Atlantik heran. Für die Windparks im hohen Norden sei das ein Problem, sagt der Meteorologe Stefan Söderberg von der Firma Weathertech im schwedischen Uppsala.
    "Wenn sich eine Eisschicht auf den Rotorblättern bildet, verschlechtern sich – ähnlich wie bei einem Flugzeug - die aerodynamischen Eigenschaften. Die Windräder können dadurch weniger Energie produzieren. Außerdem verändert sich die Lastenverteilung der Anlage, es bilden sich Unwuchten, sodass sie schneller kaputt gehen kann. Und dann gibt es natürlich noch ein Sicherheitsrisiko, wenn das Eis von den umlaufenden Rotorblättern in die Umgebung geschleudert wird."
    Idealfall: Eisbildung erst gar nicht zulassen
    Um das alles zu verhindern, sind seit einigen Jahren verschiedene Gegenmaßnahmen im Einsatz. Stefan Söderberg und seine Kollegen haben nun ein Computermodell entwickelt, mit dem sie testen können, welche Strategie für welchen Windpark die beste ist.
    "Solche Enteisungs- oder Antieis-Systeme bestehen in der Regel aus drei Komponenten: einem Detektor, einer Kontrolleinheit und dem eigentlichen Heizsystem. Bei einem Enteisungssystem werden die Rotorblätter beheizt, sobald der Detektor Eis festgestellt hat. Ein Antieis-System dagegen fängt schon an zu heizen, wenn die Witterungsbedingungen eine Eisbildung wahrscheinlich machen – also noch bevor sich Eis bildet."
    Die Simulationen der schwedischen Forscher sollen Windparkbetreibern helfen, ihre Anlagen optimal zu schützen. Die Technik ist allerdings noch relativ jung und es gibt im Norden Schwedens Hunderte von Turbinen, die noch gar nicht mit Enteisungs-Anlagen ausgestattet sind. Den Betreibern solcher Anlagen möchte Hans Gedda helfen. Der beratende Ingenieur von H Gedda Consulting im schwedischen Boden untersucht, ob sich Windenergieanlagen mithilfe von Hubschraubern enteisen lassen.
    "Wenn Sie gute Wetterbedingungen erwarten, mit viel Wind in den nächsten Tagen, aber Ihre Maschinen festgefroren stillstehen und keine Energie produzieren können, dann könnte es sich lohnen, sie vom Hubschrauber aus zu enteisen."
    Dabei werden zunächst die nach unten zeigenden Rotorblätter mit heißem Wasser abgespritzt. Dann muss die Maschine kurz angestellt werden, bis sich das oberste Rotorblatt nach unten gedreht hat, und als nächstes abgespritzt werden kann. Diese Reihenfolge sei wichtig, sagt Hans Gedda, damit sich das Eis nicht in großer Höhe löse und dann auf die Turbine oder Nabe knalle.
    "Wir hoffen, dass die ganze Aktion nicht länger als zwei Stunden dauert. Sonst wird es zu teuer. Aber wenn die enteisten Maschinen danach mindestens zwei Tage lang bei guten Windbedingungen laufen und Strom produzieren können, rentiert sich der Aufwand."
    Windräder vereisen in fast allen Weltregionen
    Denn werden Windenergieanlagen nicht enteist, sind Produktionsausfälle in Höhe von fünf bis zehn Prozent, in einigen Regionen sogar von 20 Prozent der jährlichen Stromproduktion möglich. Und das Problem sei nicht auf Skandinavien beschränkt, sagt Stefan Söderberg.
    "Vereisungen treten in fast allen Weltregionen auf, in denen im Winter Schnee fällt. Denn alles was Sie brauchen, sind Temperaturen unter dem Gefrierpunkt und etwas flüssiges Wasser in den Wolken. Und das tritt bis minus 20 Grad auf. In Deutschland etwa dürfte die Vereisungsgefahr im Winter sehr groß sein. Als ich anfing, mich mit diesem Thema zu beschäftigten, redeten die Leute nur über kalte Klimate. Und natürlich ist es hier in Skandinavien kalt, aber Windenergieanlagen können schon bei Temperaturen knapp unter null Grad und Wolken vereisen."
    Anders als in Skandinavien müssen Windräder in Deutschland sofort abgeschaltet werden, wenn sich Eis auf den Rotorblättern bildet. Im ganzen Land gibt es nur eine einzige Anlage mit Enteisungssystem.