Freitag, 29. März 2024

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Windkraft in Bayern
Naturschützer fordert Aufhebung der Abstandsregelung

Den Vorschlag des bayerischen Wirtschaftsministers Hubert Aiwanger, Windräder im Wald aufzustellen, lehnt der Naturschützer Andreas von Lindeiner (LBV) ab. Im Dlf forderte er eine Aufhebung der sogenannten 10h-Regelung. Die dort festgelegte Abstandsregelung erschwere die Standortsuche.

Andreas von Lindeiner im Gespräch mit Susanne Kuhlmann | 03.11.2021
Eine Windkraftanlage steht im Wald nahe dem Creußener Ortsteil Neuhof. Bayerns Wirtschaftsminister und Bayerns Umweltminister haben an der Windenergieanlage in erläutert, wie die Windkraft im Freistaat ausgebaut werden könnte und in welchen Regionen Potenzial liegt.
Bayern müsse seinen Beitrag zur regenerativen Energie leisten, aber weder in seinen Wäldern noch auf Truppenübungsplätzen, sagte Andreas von Lindeiner, Landesfachbeauftragter für Naturschutz (LVB) im Dlf (dpa / Daniel Karmann)
Der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) plant, 1.000 Windräder in den Wäldern des Freistaats bauen zu lassen. Diesen Plan lehnt der Landesbund für Vogelschutz in Bayern (LBV) ab und findet Unterstützung bei Forstministerin Michaela Kaniber (CSU).
Kritiker des Vorhabens sagen, die Idee, Windkraftanlagen im Wald aufzustellen, sei der 10h-Regelung des Freistaats geschuldet, die Horst Seehofer in seiner Zeit als Ministerpräsident aufgestellt hatte. Die 10h-Regelung besagt, dass Windkraftanlagen mindestens einen Abstand des Zehnfachen ihrer Höhe zur nächsten Ortschaft halten müssen, bei 200 Metern Höhe wären das zwei Kilometer.

Artenschutz gefährdet, Erholungsräume gestört

Auch Andreas von Lindeiner, LBV-Landesfachbeauftragter für Naturschutz, hält die Idee, Windräder im Wald aufzustellen, nicht für vertretbar – und fordert: "Die 10h-Regelung muss weg". Die Idee von Forstministerin Kaniber, Windkrafträder im Gebiet von Truppenübungsplätzen aufzustellen, lehnte er ebenfalls ab. Diese seien "wirkliche Hotspots der Biodiversität" und müssten erhalten werden.
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Susanne Kuhlmann: Warum halten Naturschützer Windräder im Wald für nicht vertretbar?
Andreas von Lindeiner: Windräder im Wald sind ja dem geschuldet, dass in Bayern die Abstandsregelungen sonst nicht einzuhalten wären, und wo findet man noch genügend Abstand zu Wohnbebauung? Das ist praktisch nur noch im Wald und das Problem ist: Diese Wälder sind weitgehend unzerschnitten, weisen kaum eine Infrastruktur auf, um Strom abzuleiten. Insofern muss man hier doch relativ viel neu investieren. Und es sind die Räume, die letztendlich auch noch vielfach für die Natur ganz entscheidend sind, auch als Rückzugsräume für Tiere. Insofern lehnen wir diese Forderung von Aiwanger ab, die Windräder überwiegend in den Wald zu bauen.

10h-Regelung habe Standortsuche in Bayern torpediert

Kuhlmann: Welches wären denn Tiere und Pflanzen beispielhaft, die Ihnen da besonders am Herzen liegen, die gefährdet wären?
von Lindeiner: Tatsächlich sind es zum Beispiel Arten wie der Schwarzstorch, aber auch der Wespenbussard, zum Beispiel auch der Seeadler, der im Wald brütet. Das sind Arten, die auch oberhalb der Baumkronen durchaus aktiv sind und ihre Balzflüge machen und dort in Gefahr geraten. Aber es ist auch so, dass durch die Zuwegung und durch die Infrastruktur, die dort angelegt wird, Störungen in den Wald reingetragen werden, die sich mit vielen Arten definitiv nicht vertragen, und insofern sollten wir neben diesen Aspekten versuchen, die Erholungsräume für Menschen auch ungestört zu lassen. Das ist auch ein wichtiger Aspekt, den wir hier zu berücksichtigen haben und der für viele Leute ein ganz wesentlicher Punkt ist, den sie anführen.
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Kuhlmann: Welche alternativen Standorte gibt es denn in Bayern? Die waren vor der Einführung dieser 10h-Abstandsregelung ja benannt.
von Lindeiner: So ist es. Die Regionalplanung, die ja über die verschiedenen Regierungsbezirke jeweils individuell gemacht wird, nach verschiedenen Kriterien, insbesondere Windhäufigkeit, aber auch naturkulturelle, Anwohnerschutz-, militärische und so weiter Aspekte, hatte ja schon einen gewissen Anteil des Landes bereitgestellt als Vorrang- und Vorbehaltgebiete für Windkraft und es waren annähernd zwei Prozent der Landesfläche, die für die Planer der Suchraum waren für Windkraftanlagen, und das wurde mit der Einführung von 10h komplett eingestellt.

Truppenübungsplätze seien "Hotspots der Biodiversität"

Kuhlmann: Die Forstministerin, Michaela Kaniber, hat ja nun Truppenübungsplätze als potenzielle Standorte ins Gespräch gebracht. Eine gute Idee?
von Lindeiner: Finden wir jetzt überhaupt nicht, denn Truppenübungsplätze, gerade auch in Bayern, weisen eine doch hohe Qualität als Lebensraum auf. Man denke nur an die großen Truppenübungsplätze Grafenwöhr oder Hohenfels, die wirkliche Hotspots der Biodiversität sind. Das zeigt sich unter anderem auch dadurch, dass wir drei Truppenübungsplätze und wohl 14 Standortübungsplätze in Bayern als europäische FFH-Gebiete, Schutzgebiete für die Natur gemeldet und ausgewiesen haben. Insofern verträgt sich hier gerade das Aufstellen von Windrädern ganz sicher nicht. Und wir müssen feststellen, dass sowohl die Regelung, sie in den Wald zu stellen, als auch auf Truppenübungsplätze, quasi nur ein Notbehelf ist, um hier Ausnahmen zu schaffen, weil man wegen der 10h-Regelung sonst nicht genügend Ausbauziele erfüllen könnte. Das kann so einfach nicht weitergehen.

"10h-Regelung aufheben"

Kuhlmann: Sehen Sie eine Lösung des Konflikts?
von Lindeiner: Wir sehen eine Lösung des Konflikts darin, die 10h-Regelung aufzuheben, um wieder mehr Planungsspielräume zu bekommen, denn Bayern muss definitiv natürlich auch seinen Beitrag zur regenerativen Energie leisten, und die Windkraft ist ein unbestritten wichtiger Bestandteil davon. Wir müssen natürlich die Rahmenbedingungen festlegen und die gibt es ja nun auch schon länger, so dass hier definitiv mehr Planungsoptionen für die Leute wären, und 10h hat letztendlich in Bayern dazu geführt, dass wir zuletzt nicht mal eine Hand voll Windräder pro Jahr neu dazugebaut bekommen haben. So kann es auf keinen Fall weitergehen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.