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Windkraft
Stromerzeugung mit Drachen

Windkraftanlagen ohne großen Roter und Mast, sondern mit Drachen - sie würden weniger in der Landschaft auffallen, daran tüfteln Ingenieure. Ein Entwicklerteam aus der Region Berlin hofft, innerhalb von zwei Jahren die ersten Anlagen liefern zu können.

Von Sönke Gäthke | 11.11.2014
    Eine Windkraftanlage in Alsleben in Sachsen-Anhalt
    Zukünftige Drachen-Windkraftwerke könnten schon bald eine Alternative zu klassischen Windkraftanlagen darstellen. (picture alliance / dpa / Revierfoto )
    Aus einem Drachenflug Strom zu erzeugen, funktioniert anders als mit einem Windrad. Dem dreht der Wind die Rotoren, das erzeugt einen konstanten Strom. Die Flugwindkraftanlage dagegen pumpt quasi Energie, indem sie einen Drachen aufsteigen lässt und wieder einholt: jedes Mal, wenn der Flügel höher steigt, rollt im Container am Boden ein Seil von einer Trommel ab. In die ist ein Generator integriert, der dabei Strom erzeugt. Ist das Seil am Ende, kippt die Anlage den Drachen, zieht ihn mit dem Seil tiefer und lässt ihn wieder aufsteigen, erklärt Alexander Bormann die Funktion des Enerkite, den er entwickelt hat.
    "Er ist auslegungsgemäß auf einer mittleren Höhe von 200 Metern unterwegs, und je nach Standort, je nach Windverhältnissen passt die Steuerung den Betriebsbereich in einem sogenannten Envelope oder in einem Raum an zwischen 100 und 300 Metern."
    Flugzeugflügel ohne Rumpf
    Durch das Kippen verbraucht das Einholen viel weniger Energie, als der Generator beim Steigen erntet. Den Überschuss speichert die Anlage in einer Batterie. Die puffert die Zyklen ab, sodass ein konstanter Strom zum Verbraucher fließt.
    Damit dieser Prozess möglichst viel Energie erzeugt, hat Alexander Bormann in den vergangen zwei Jahren zum einen den Drachen deutlich verbessert - er sieht jetzt fast so aus wie ein Flugzeugflügel ohne Rumpf.
    "Der Schwerpunkt liegt dann auf dem Erzeugen sehr hoher Kräfte und - das nennt man in der Luftfahrt ein sogenannte Auftriebsbeiwert. Und der ist bei uns so groß, dass wir also - schon mit sehr kleinen Flügelflächen sehr, sehr hohe Zugkräfte am Seil erreichen."
    Gleichzeitig verbessert er damit das Verhältnis Erntephase zu Einholphase – der Flügel soll 50 Sekunden lang Strom erzeugen und wird dann 10 Sekunden lang eingeholt.
    Auf ihn wirken nun größere Kräfte als auf seinen Vorgänger. Alexander Bormann hat daher auch die Struktur verändert.
    "Die Struktur, die wir jetzt verwenden sind keine Stoffflügel mehr, sondern das sind Kohlefaserstrukturen, die sehr auf Gewicht optimiert sind und in der Fläche dann noch mal bespannt sind mit hochleistungsfähigen Geweben, also es ist eine Flügelstruktur so leicht wie Styropor."
    Bis 2016 soll die Pilotanlage in Betrieb gehen
    Zehn Jahre soll der Flügel halten - und dann einfach ausgetauscht werden können. Außerdem hat der Ingenieur noch eine Einrichtung entwickelt, damit die Flugwindkraftanlage wirklich ganz allein und unbeobachtet funktionieren kann.
    "Wenn ich Drachen steigen lasse, dann lege ich normalerweise eine Leine aus und ziehe den Flügel hoch. Und für eine Anlage, die Alltagstauglich funktioniert, muss das vollautomatisch passieren," dafür hat er einen klapp- und ausfahrbaren Mast konstruiert, der über der Trommel auf dem Dach der Anlage montiert werden soll. Ist sie ausgeschaltet, hält dieser Mast den Flügel fest. Zum Starten wirbelt er den Flügel im Kreis herum.
    "Das baut Kräfte auf, Strömungskräfte, die es uns erlauben, die Flügel zu stabilisieren und zu steuern, und dann langsam die Leine heraus zu lassen."
    Das erste, portable erneuerbare Energiesystem überhaupt
    Sprich: In ungefähr fünf, sechs, sieben Umdrehungen erreichen wir dann eine Leinenlänge, die so groß ist, dass wir den Flügel dort hin ziehen können, wo Wind ist.
    Zum Landen würde dann das Seil eingezogen, bis der Mast den Flügel wieder greifen kann. Mast und Flügel sind fertig konstruiert, sie sollen jetzt getestet werden.
    Bis 2016 will Alexander Bormann die Pilotanlage in Betrieb nehmen, sie leistet 100 Kilowatt(*), rund 5000 Stunden im Jahr. Das kann keine andere Anlage in dieser Leistungsklasse. Drachen-Windkraftwerke passen damit in seinen Augen in eine neue Marktnische dezentraler, kleiner Stromerzeuger.
    "Ja - für Enerkite erschließt sich eine ganze Welt neuer Anwendungen. Es ist das erste, portable erneuerbare Energiesystem überhaupt. Es ist das erste Mal, dass man an Stellen, wo man eigentlich einen Dieselgenerator einsetzte, auf einmal auch eine erneuerbare Lösung hat."
    (*) Anm. d. Red.: An dieser Stelle weicht das Manuskript nach einer Korrektur von der Sendefassung ab.