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Windrad versus Rotmilan
Sind Vogelschutz und Windenergie vereinbar?

Teils seltene und gefährdete Vogelarten wie der Rotmilan fühlen sich durch Windräder gestört: Genau das versucht die Studie eines Schweizer Ingenieurbüros, die heute in Berlin vorgestellt wurde, zu widerlegen. Kritiker vermuten dahinter die Lobbyarbeit der Windenergieindustrie - die leidet nämlich unter einem massiven Investitionsrückgang.

Von Dieter Nürnberger | 07.04.2016
    Wildgänse fliegen vor einem Windrad entlang
    In Windräder wird mittlerweile deutlich weniger investiert. (dpa/picture alliance/Patrick Pleul)
    Konkret geht es um die Frage, ob Vorschriften oder Regelungen des Artenschutzes, ganz speziell des Vogelschutzes in Deutschland, letztendlich dazu beitragen, den Ausbau der Windenergie zu behindern oder gar zu verhindern.
    Zu einer Pressekonferenz in Berlin hatte heute Vormittag Hans-Josef Fell eingeladen. Er war bis 2013 Bundestagsabgeordneter der Grünen und hat zudem das Erneuerbare-Energien-Gesetz maßgeblich mit auf den Weg gebracht, welches ja bekanntlich den Ausbau der Energiegewinnung aus Sonne, Wind und Co in Deutschland mit angeschoben hat. Und Hans-Josef Fell sieht nun durch die gegenwärtige Genehmigungspraxis in Deutschland, wo beispielsweise Regelungen zum Vogelschutz, zum Artenschutz eine Rolle spielen, den weiteren Ausbau gefährdet:
    "Das zeigt sich in Deutschland mit einem massiven Rückgang der Investitionen in erneuerbare Energien. Sie haben sich 2015 gegenüber den Vorjahren halbiert. Das ist eine sehr bedenkliche Entwicklung. Ich spreche hier nicht für irgendwelche Organisationen, ich spreche hinsichtlich meines Lebenswerkes. Und ich möchte, dass dieses Lebenswerk weitergeht - in Richtung des Ausbaus der erneuerbaren Energien, hin zu einer hundertprozentigen Vollversorgung."
    Windkraftbefürworter bangen um den Ausbau der regenerativen Energiequelle
    Hans-Josef Fell argumentiert, dass der Klimawandel die größte Bedrohung für den Artenschutz weltweit sei und eben nur die Abkehr von fossilen Energieträgern wie Kohle und Gas diese Entwicklung stoppen könne. Fell hält zudem viele Bedenken, dass Windkrafträder negative Auswirkungen auf die Vogelwelt haben, für nicht begründet.
    Zur Unterstützung seiner These hatte er Oliver Kohle von einem Schweizer Ingenieurbüro eingeladen. Kohle hat diverse Studien zum Artenaufkommen verglichen - und seine Hauptaussage ist recht prägnant: Es gebe da in der Regel kein Problem, Vögel würden an Windkrafträdern nicht zu Schaden kommen. Ganz im Gegenteil:
    "Die einzigen Arten, die in den vergangenen Jahren aus der roten Liste der bedrohten Vögel in Deutschland rausgenommen wurden, sind ausgerechnet sogenannte windkraftsensible Vogelarten. Der Seeadler, der Uhu, der Wanderfalke, der Rotmilan und der Schwarzstorch."
    Solche Aussagen rufen Widerspruch hervor. Kritiker verweisen darauf, dass die Zahlen, die Oliver Kohle verwendet, nicht richtig seien oder eben auch nur einen Teil der Realität widerspiegeln würden. Sie werfen dem Schweizer Unternehmer auch vor, an einzelnen Windkraftprojekten mit seinem Büro direkt beteiligt zu sein. Was Oliver Kohle heute Morgen auch bestätigte.
    Gegner halten Studie schlicht für falsch
    Es ist auch ein Kampf um Statistiken, um die Interpretation von Zahlenmaterial, sagt Lars Lachmann, Vogelschutzreferent des Naturschutzbundes Deutschland. Er hält beispielsweise die Zahlen hinsichtlich der Rotmilan-Populationen für schlicht falsch:
    "Es gibt offizielle Bestandszahlen, die die deutsche Bundesregierung an die EU gemeldet hat. Da steht ganz eindeutig drin, dass der Rotmilan abnimmt. Herr Kohle hat nun versucht, verschiedene Literaturstellen zusammenzutragen und daraus interpretiert, dass diese Art zunimmt. Er ist damit aber weitgehend allein - selbst bei vielen Befürwortern der Windkraft, auch bei der grünen Partei, wurde dieses Gutachten gleich ad acta gelegt."
    Da gehen die Meinung schon recht weit auseinander - und der Naturschutzbund plädiert dafür, vorhandene Regeln in Deutschland hinsichtlich des Artenschutzes auch weiterhin gelten zu lassen.
    "Wir als Naturschutzbund unterstützen hier sozusagen das Helgoländer Papier der staatlichen Vogelschutzwarten. Das gibt für den Beginn eines Prozesses Richtlinien, welches Abstände beispielsweise bei bestimmten Vogelarten als problematisch angesehen werden können. Darauf aufbauend kann dann eine Einzelfallprüfung durchgeführt werden."
    Nun lehnen auch die Windkraftbefürworter Einzelfallprüfungen bei den Projekten nicht vehement oder per sé ab, aber es werde in diesem Bereich auch viel übertrieben. Während die Gegenseite inzwischen von einer regelrechten Windenergielobby spricht, die allein ihre Interessen durchgesetzt sehen möchte.