Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Windstrom im Erdgasnetz

Bisher war die Crux bei den regenerativen Energien, dass sie nur bei Wind oder Sonne Strom produzieren, nicht aber kontinuierlich. Mal liefern sie zu viel Energie, mal zu wenig. In der Uckermark wird ein Verfahren getestet, das Abhilfe verspricht: Wasserstoff als Energiespeicher für Windstrom.

Von Axel Flemming | 09.10.2012
    Konrad Iffarth steht in der Leitwarte Dauerthal vor einer Wand mit tafelgroßen Displays. Informationen über 1300 Windräder aus ganz Europa kommen hier zusammen. 1,9 Terawatt könnten sie erzeugen, Strom für fast zwei Millionen Menschen, eigentlich.

    "Also wir können auf den Wind nicht zu viel Einfluss nehmen. Das wäre schön, wenn wir den Wind steuern könnten, aber das ist nicht möglich. Aber wenn zu viel Wind da ist, haben wir die Möglichkeit die Leistung zu regulieren."

    Doch das wäre ja schade, denn wenn der Wind weht, liefert er kostenlos Energie, die von den großen Rotoren in Strom umgewandelt wird. Ist mehr Strom vorhanden als abgenommen wird, dann fließt er hier 5 Kilometer westlich von der Leitwarte nach Wittenhof.

    "Das geht von hier aus auf Knopfdruck. Das Hybridkraftwerk ist dann mit einer entsprechenden Gasleitung mit zwei Anlagen verbunden. Eine steht in Prenzlau, verbunden mit den Stadtwerken, und das andere Blockheizkraftwerk steht in Wittenhof im Hybridkraftwerk und kann dort elektrische Energie erzeugen."

    Auch die Wärme geht nicht verloren. Die Stadtwerke Prenzlau nutzen sie, um Wohnblocks für 5000 Leute im nahe gelegenen Plattenbauviertel zu heizen. 21 Millionen Euro hat die Firma enertrag in das Kraftwerk investiert, das in Wittenhof seit einem Jahr am Netz ist. Die Energiewende ist theoretisch gelöst, sagt Robert Döring:

    "Wir sind mit erneuerbaren Energien – davon sind wir fest überzeugt – in der Lage eine Vollversorgung des Energiesystems durchzusetzen und sicherzustellen vor allen Dingen. Es gibt tatsächlich Lösungen für Speichertechnologien, und das ist auch der Grund, warum, ja wir können eigentlich sagen, fast die ganze Welt auf dieses Hybridkraftwerk schaut. Denn wir haben hier erstmals dargestellt, dass wir Energie bedarfsgerecht bereitstellen können."

    Ingenieur Florenzio Gamaldo stammt aus Argentinien. Er erklärt das Prinzip der Elektrolyse: Strom spaltet Wasser in seine Komponenten, es entsteht ‚Knallgas’: Wasserstoff und Sauerstoff.

    "Wir erzeugen beide Gase so, dass sie sich nicht mischen, wegen einer Membrane zwischen beiden Elektroden. Mit Sauerstoff machen wir in diesem Projekt nichts, es geht in die Atmosphäre. In der Zukunft, wenn die Produktion viel größer wäre, könnte man was Nützliches damit machen, es ist ganz, ganz rein. Und wir sammeln Wasserstoff."

    Verdichtet und in Tanks abgefüllt wird er zusammen mit Biomasse verbrannt und wieder in Strom umgewandelt. Oder der Wasserstoff oxidiert in Brennstoffzellen zu Wasser und erzeugt dabei Strom für Elektromotoren. Bei Volllast kann die Anlage elf Kilogramm Wasserstoff erzeugen.

    "Mit dieser Menge Wasserstoff könnte ein Wasserstoffauto zwischen 800 und 1000 Kilometer fahren."

    Wasserstoff könnte zudem in das bestehende Gasnetz eingespeist werden; das gab es bis in die 80er-Jahre als Stadtgas schon einmal, bevor auf das methanhaltige Erdgas umgestellt wurde. Katja Purr vom Umweltbundesamt sieht noch erheblichen Forschungs- und Entwicklungsbedarf, aber auch die Zeit dafür.

    "Wir haben noch ausreichend andere Flexibilisierungsoptionen, um uns an den fluktuierenden Betrieb der Erneuerbaren anzupassen. Das sind zum Beispiel die Flexibilisierung der Nachfrage, das heißt also Last-Management, wir können die KWK-Anlagen stromgeführt fahren oder wir können auch Power-to-Heat in Fernwärmesystemen realisieren."

    Auch enertrag rechnet noch mit einigen Jahrzehnten, um ausreichend Speichertechnik für Deutschland aufzubauen. Aus Sicht des Umweltbundesamtes kommt Windgas langfristig allerdings eine sehr große Bedeutung zu, denn:

    "Langfristig ist diese Technologie notwendig, ungefähr bei Erneuerbare-Energien-Anteilen im Strommarkt von 70-80 Prozent. Und unter den Aspekten der langfristigen Klimaschutzziele, das heißt also für das Jahr 2050, kann diese Technik auch in anderen Sektoren, zum Beispiel im Verkehr und der Industrie, eine wesentliche Rolle einnehmen."