Dienstag, 19. März 2024

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Winzer im Klimastreit
Zwischen Glyphosat und "Fridays for Future"

Winzer Frithjof Hundinger versucht seit ein paar Jahren, weniger Chemie auf seine Weinstöcke zu spritzen. Doch ganz ohne geht es nicht, sagt er: Immer mehr Verbote aus Brüssel und Subventionskürzungen bedrohen seine Existenz. Der "Fridays-for-Future"-Bewegung will er sein Dilemma vermitteln.

Von Alois Berger | 20.01.2020
"Wir sind jetzt hier in einem jungen Spätburgunder, hier in Gerolsheim, und meine Aufgabe ist es jetzt, zu sehen, wie stark kann ich den Stock belasten, dass er die nächste Saison gut übersteht. Ich darf ihn nur soweit belasten, was er aushalten kann."
Mitte Januar schneidet Frithjof Hundinger seine Weinstöcke. Er reduziert die überzähligen Triebe, damit nicht zu viele Reben kommen, und schätzt schon mal ab, wann er in diesem Jahr mit dem Spritzen anfangen muss.
"Die ersten Spritzungen, das muss man halt gut beobachten, im Auge behalten, je nachdem wie die Wetterlage ist, wie die Temperaturen sind und wie die Feuchtigkeit ist."
"Die Peronospera ist dabei ausschlaggebend, meistens für die erste Spritzung, das ist eine der gefürchtetsten Krankheiten. Oidium ist die andere Krankheit. Die tritt eher auf, wenn Kondenswasser da ist, wenn Nebel oder wenn die Nachttemperaturen runter gehen und die Tagestemperaturen ziemlich hoch sind, dann entsteht praktisch Tau, dann ist relevant, das Oidium zu bekämpfen. Das macht man dann mit Schwefel."
Pestizidspritze: Schwefel oder Chemie
Schwefel zählt zu den biologischen Mitteln gegen Pilzkrankheiten im Weinberg. Seit ein paar Jahren versucht Frithjof Hundinger, so wenig Chemie wie möglich auf seine Weinstöcke zu spritzen. Zum einen, weil die Spritzmittel teuer sind, zum anderen, weil zu viel Chemie halt auch nicht gut für die Umwelt ist. Aber manchmal geht’s nicht anders, meint er. 2016 zum Beispiel war so ein Jahr, mit heftigen Regenfällen im Mai und im Juni. Alle sieben bis acht Tage ist er mit dem Traktor und der Pestizidspritze durch den Weinberg gefahren.
"Aber dann auch nur mit Spritzmitteln aus der anderen Schublade. Das heißt, synthetische Mittel, weil mir das zu heikel war, nur auf die Biomittel zu setzen. Die reinen Biobauern, die mussten da alle drei Tage spritzen, damit es funktioniert hat."
Bio, das ist mehr Arbeit und weniger Sicherheit. Deshalb wehrt sich Winzer Hundinger vehement dagegen, dass jetzt immer mehr chemische Mittel verboten oder mit einer Kürzung der Subventionen aus Brüssel bestraft werden sollen. Die Politik falle den Bauern in den Rücken, schimpft er.
"Ich möchte die Bandbreite in meiner Schublade haben. Auf jedem Acker, in jedem Jahr, in jeder Kultur habe ich andere Bedingungen. Und da braucht der Bauer die Entscheidungshoheit. Der muss entscheiden, was jetzt zu tun ist."
Gemeinsam für den Umweltschutz
Auf die meisten Umweltschützer ist Winzer Hundinger deshalb nicht so gut zu sprechen. Fast so schlecht wie auf die Politiker. Umweltschutz sei wichtig, sagt er, aber bitte nicht ideologisch.
"Mein Herz schlägt für die Natur, ja, es schlagen zwei Herzen, ja. Auf der einen Seite brauche ich Ertrag, ich brauche die wirtschaftliche Sicherheit. Auf der anderen Seite will ich auch die Natur schützen. Ich lebe ja von der Natur, ich freue mich auch jeden Tag an der Natur."
Vor ein paar Wochen hat er Leute von der "Fridays for Future"-Bewegung kennengelernt, Schüler, die freitags die Schule schwänzen und für eine konsequentere Klimapolitik demonstrieren. Da ist er dann gleich mitgegangen.
"Das war meines, ich muss dabei sein. Und wir sind durch Frankenthal gezogen und aus Demonstrationsgründen hat es geheißen, alle auf den Boden legen. Ja, ich habe mich auch auf den Boden gelegt, eine Minute lang, ich habe mich gefühlt wie einer von denen."
Im Weinberg hat es angefangen zu regnen, und Winzer Hundinger hat zwischen den Rebstöcken eine Distel entdeckt, Gelegenheit, den Nutzen von Glyphosat zu erklären.
"Entweder muss ich sehr aufwendig die einzelnen Disteln mit dem Distelstecher entwurzeln, dann gibt es die Möglichkeit mit dem Glyphosat. Einmal ins Herz, wo der Trieb nach oben will, das ist die schwächste Stelle, einmal drauf, zack, dann ist das Ding in ein paar Tagen weg."
Der Winzer und die Klimapolitik
"Guten Abend, mein Name ist Frithjof Hundinger, ich bin Winzer aus Gerolsheim und das mache ich mit Leidenschaft…"
Abends im evangelischen Gemeindehaus von Frankenthal. Die Schüler von "Fridays for Future" haben zur Podiumsdiskussion über Klimapolitik eingeladen, mittendrin auf dem Podium sitzt Winzer Hundinger:
"Ich kenne viele Bauern, die sehr skeptisch die Fridays for Future betrachten, überhaupt, wenn sie nach Schweden, nach der Greta Thunberg schauen. Viele Bauern sagen, das mit der 'Fridays-for-Future'-Bewegung ist auch irgendwo eine Ideologie. Aber ich habe hier festgestellt, dass es hier was anderes ist."
Frithjof Hundinger fühlt sich sichtlich wohl bei den jungen Menschen, die von ihm wissen wollen, wie sich die Bauern den Klimaschutz vorstellen. Und so schimpft er auf das Klimapaket der Bundesregierung, das viel zu weit gehe, fordert mehr Geld für die Landwirte und weniger Vorschriften, und beschwört die Zusammenarbeit von Bauern und Klimaschützern.
"Eine Brücke habe ich schon geschlagen, für mich, der ich aus der Landwirtschaft komme, zu den 'Fridays for Future'. Das ist meine Vision, wir müssen alle mitnehmen."
Vielleicht irgendwann ganz auf Bio
Der Applaus ist höflich, aber einige Gesichter im Saal schauen doch sehr ratlos. Michelle Bader und Sven Unger von der "Fridays for Future"-Bewegung wollen den Winzer verstehen:
"Ich würde es mir persönlich anders wünschen, aber sein Hof liegt ihm natürlich auch am Herzen. Und er gibt sich ja trotzdem Mühe, also er spritzt nicht nur, hat er uns ja erzählt, sondern versucht es auch mal ohne."
"Irgendwie ist es natürlich so, wie unsere Landwirtschaft aufgebaut ist - und da müsste man viel mehr ändern, dass es eben komplett ohne Chemikalien geht. Dieses Problem kann man nicht nur den Landwirten vorwerfen. Auch, aber natürlich nicht nur."
Während die jungen Leute die Stühle wegräumen, steht Winzer Hundinger am Ausgang und schaut noch mal zurück. Er ist zufrieden mit dem Abend:
"Das, was ich gesagt habe, hat gesessen. Aber ich könnte natürlich noch viel mehr sagen."
Doch so richtig näher gekommen sind sich beide Seiten an diesem Abend nicht. Die Fridays-for-Future-Leute fordern weiterhin deutlich strengere Umweltvorschriften, auch für die Landwirtschaft. Und der Winzer will auch in Zukunft selbst bestimmen, was er auf die Weinstöcke spritzt. Vielleicht werde er irgendwann ganz auf Bio umsteigen, sagt er, das könne er sich schon vorstellen. Aber das hätten weder die Regierung, noch Klimaschützer zu entscheiden.
"Ich lasse mir da nicht reinreden, ich werde das machen, was zu mir passt."