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Winzige Optik
Meta-Linse macht Mikroskope kompakter

Mit den sogenannten Metamaterialien wurde in den USA vor rund 15 Jahren eine völlig neue Materialklasse erfunden. Das Besondere daran: Durch ihre optischen Eigenschaften biegen und brechen sie Licht auf ungewöhnliche Weise. Den neuesten Clou stellt nun das Wissenschaftsmagazin "Science" vor: Ein Metamaterial, das flach ist wie ein Blatt Papier und dennoch als Linse fungiert.

Von Frank Grotelüschen | 03.06.2016
    Ein Wald aus mikroskopisch kleinen Säulen bedeckt die Oberfläche der "Metalinse". (Computergrafik)
    "Metamaterialien" haben extrem winzige Strukturen die magnetische oder elektromagnetische Felder ablenken. (Peter Allen/Harvard John A. Paulson School of Engineering and Applied Sciences)
    Ein Druck auf den Auslöser, und schon bannt die Kamera das Bild auf einen Chip. Unverzichtbarer Bestandteil dabei: die Linse im Objektiv. Sie hilft, das Licht auf die Größe des Kamerachips zu bündeln. Nur:
    "Ein Nachteil ist die Form dieser Linsen. Damit sie das Licht bündeln können, müssen sie eine gekrümmte Oberfläche besitzen, und das geht nur, wenn sie eine gewisse Dicke haben. Doch für viele Sachen wäre es wünschenswert, wenn man extrem flache Linsen hätte – zum Beispiel für Geräte wie diese neuen Virtual-Reality-Brillen."
    Eine Linse ohne Linsenform, flacher noch als ein Blatt Papier – Das ist die Vision, an der das Team um Harvard-Physiker Reza Khorasaninejad tüftelt. Der Ansatz: Ein sogenanntes "Metamaterial", bestehend aus einem Muster aus Millionen winziger Säulen. Und winzig meint wirklich winzig.
    Die Säulen bestehen aus Titanoxid und sind gerade mal 600 Nanometer hoch, nur wenig mehr als einen halben Mikrometer. Zu erkennen sind sie nur unterm Mikroskop: Abermillionen von ihnen stehen dicht an dicht – wie eine vertrackt arrangierte Ansammlung von Dominosteinen.
    "Wir haben diese Säulen so angeordnet, dass sie die Funktion einer Linse nachahmen: Unser Nanomaterial bündelt das Licht in einem Brennpunkt – also genau wie bei einer Linse. Wir haben den Effekt mit einem 5000-Dollar-Objektiv verglichen. Das Ergebnis: Zumindest für einzelne Farben liefert unsere Linse eine Abbildung von vergleichbarer Qualität.
    Moderne Industrieverfahren sollen größere Linsen ermöglichen
    Mit ihrer Labortechnik konnten die Forscher bislang nur kleine Linsen herstellen – Durchmesser bis zu drei Millimeter, aber ultraflach, also ohne jede Wölbung. Mit modernen Industrieverfahren seien auch deutlich größere Linsen machbar, sagt Khorasaninejad: 15 Zentimeter Durchmesser, aber ebenfalls extrem flach.
    "In der Industrie könnte man die Linsen mit den üblichen Methoden der Halbleiterfertigung herstellen. Also mit jenen Verfahren, mit denen man auch Computerchips fertigt. Im Alltag könnten wir sie in Smartphones und Kameras wiederfinden, und in Virtual-Reality-Brillen. In der Wissenschaft wären sie für Mikroskope und Teleskope interessant. Deren Linsen sind teuer, weil sie extrem präzise poliert werden müssen, oftmals in Handarbeit. Und je größer die Linse, um so teurer wird das: Eine Linse für ein Teleskop kann mehrere Millionen kosten."
    Das sollte mit ihrem Patent deutlich billiger werden, meinen die Harvard-Forscher. Zuvor aber haben sie noch eine Nuss zu knacken:
    "Da gibt es eine Sache, die wir noch hinkriegen müssen: Eine Linse sollte jede Farbe des Lichtspektrums möglichst auf gleiche Weise bündeln. Das schafft unsere Linse noch nicht. Fällt zum Beispiel grünes und blaues Licht gleichzeitig auf sie, verschmiert das Bild zu stark. Dieses Manko wollen wir beheben, indem wir die Anordnung der Nanosäulen optimieren."
    Ein bis zwei Jahre Laborarbeit seien dafür wohl noch nötig, glaubt Khorasaninejad. Danach könnte man daran denken, die ultraflache Linse mit den Nanosäulen in eine Kamera einzubauen.