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"Wir brauchen keine V-Leute in Führungsfunktionen der NPD"

Ralf Stegner sagt, dass ein Parteienverbot der NPD allein nicht ausreiche. Man müsse etwas gegen Nazi-Gesinnung und die Propaganda tun. Das sei Aufgabe der gesamten Gesellschaftspolitik, so der schleswig-holsteinische SPD-Vorsitzende.

Ralf Stegner im Gespräch mit Silvia Engels | 02.01.2012
    Silvia Engels: Auch im Jahr 2012 behält das Thema Rechtsextremismus hohe Aktualität. Das Magazin "Der Spiegel" berichtet heute mit Blick auf die Thüringer Terrorzelle über gravierende Fehler und Kommunikationspannen beim Verfassungsschutz. Dies habe verhindert, dass die rechtsextremistisch motivierte Mordserie früher aufgedeckt werden konnte. Daneben macht die CSU von sich reden, sie greift die schon altbekannte Forderung auf, die NPD von der Parteienfinanzierung auszuschließen, sie möchte das per Grundgesetzänderung erreichen. Wir sind verbunden mit Ralf Stegner. Er ist Landeschef der SPD von Schleswig-Holstein, wo im Mai Landtagswahlen anstehen. Zudem war er bis 2007 Innenminister seines Landes. Guten Morgen, Herr Stegner!

    Ralf Stegner: Guten Morgen, Frau Engels!

    Engels: Die Forderung der CSU, der NPD durch Streichung die Parteienfinanzierung zu entziehen, ist nicht neu. Stimmt die SPD zu, dafür das Grundgesetz zu ändern?

    Stegner: Also, zunächst mal hört sich das ja sympathisch an, denn eines der Hauptärgernisse ist ja, dass wir Steuergelder für Nazi-Propaganda letztlich ausgeben. Und wenn das nicht mehr der Fall wäre, wäre das sehr positiv. Auf der anderen Seite ist es wirklich auch nur die zweitbeste Lösung, denn die SPD ist dafür, dass die NPD verboten wird als eine verfassungsfeindliche Partei, die Nazi-Bestrebungen fördert. Und dazu ist es natürlich notwendig, dass Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung sich auf einen Weg machen, der auch in Karlsruhe Erfolg hat. Ob eine Verfassungsänderung am Ende möglich ist, die zwar die NPD weiter zulässt, die aber nur die Finanzierung streicht, daran darf man zumindest Zweifel haben, ob das ein wirklich möglicher Weg ist. Deswegen bevorzugen wir einen gemeinsamen Anlauf zu einem ordentlichen NPD-Verbot, zu einem Verfahren, was auch Erfolg hat. Und ich glaube, die Voraussetzung dafür ist hauptsächlich die, dass wir dort, wo es noch V-Leute in Führungsfunktionen gibt in den Ländern, dass das dort geändert wird. Denn wir brauchen keine V-Leute in Führungsfunktionen der NPD, wir wissen auch so, dass sie eine verfassungsfeindliche Partei ist.

    Engels: Bleiben wir noch beim Vorschlag der CSU: Sie will ja die Streichung der Parteienfinanzierung daran knüpfen, ob eine Partei vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Das geht nicht, sagen die Grünen, denn dann könnte man auch eine solche Beobachtung dazu nutzen, politische Konkurrenz, also auch anderen Parteien per Finanzierung einfach den Boden zu entziehen. Teilen Sie die Bedenken?

    Stegner: Das ist einer der Gründe, warum man da sehr skeptisch sein muss. Ich glaube auch, dass es am Ende nicht funktionieren wird zu sagen, wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass. Also, eine Partei zuzulassen, ihr aber die Finanzierung zu entziehen, das wird am Ende nicht funktionieren, das sind zweitbeste Lösungen. Es gibt auch noch andere mögliche Einwände, die man dagegen haben kann. Dennoch muss ich sagen, sollten wir alles sorgfältig prüfen, was a) dazu dient, dass wir einem Parteienverbot näherkommen, und was b) dazu führt, dass wir dieses Ärgernis beseitigen, dass mit Steuermitteln eben Nazi-Propaganda gefördert wird. Aber der saubere Weg ist in der Tat der, den SPD und Grüne, glaube ich, gemeinsam wollen und ja auch viele vernünftige Leute in der Union wollen, dass man ein gemeinsames Verbotsverfahren gegen die NPD anstrengt, damit der Spuk endlich ein Ende hat.

    Engels: Aber Sie schließen auch letztendlich eine Zustimmung zu diesem CSU-Vorschlag für die SPD nicht aus?

    Stegner: Ausschließen soll man immer vernünftig in der Politik nichts, aber man muss das prüfen. Ich sage noch mal, ich bin aber sehr skeptisch, wir bevorzugen ein ordentliches Verbotsverfahren. Wobei es übrigens nicht auf die Geschwindigkeit ankommt, dieses Verfahrens, sondern dass es am Ende Erfolg hat, dass wir in Karlsruhe Erfolg damit haben. Und eins ist uns natürlich auch klar: Weder die Parteienfinanzierung noch das Parteienverbot löst das Problem alleine. Wir müssen was tun gegen Fremdenfeindlichkeit, gegen Intoleranz, gegen diese Nazi-Gesinnung und die Propaganda, die da verbreitet wird. Und das ist Aufgabe der gesamten Gesellschaftspolitik und von allen, denen an unserer demokratischen Gesellschaft etwas liegt.

    Engels: Rund um die rechtsextremistische Terrorzelle in Thüringen gibt es immer wieder neue Meldungen. "Der Spiegel" berichtet heute darüber, der Verfassungsschutz habe schon früher Informationen gehabt, aber fehlender Datenaustausch zwischen den einzelnen Behörden habe verhindert, dass man früher zugegriffen habe. Wird da langsam ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss notwendig, wie die Grünen das fordern?

    Stegner: Das kann gut sein, dass wir das werden machen müssen. Es ist hochgradig ärgerlich, dass solche Pannen dazu beigetragen haben, dass diese Nazi-Terrorzelle nicht früher aufgedeckt worden ist. Ich glaube, es gibt überhaupt keinen Grund, Informationsaustausch nicht so offensiv möglich zu machen. Wir tun das bei Hooligans im Sportbereich, wir tun das, wenn es um islamistischen Terror geht. Aber dass wir das bei den Rechtsextremisten in der Weise nicht getan haben in den vergangenen Jahren, dass es da Fehler gegeben hat in einzelnen Verfassungsschutzbehörden, das ist überhaupt nicht akzeptabel und das muss aufgeklärt werden. Trotzdem, das ist ein Stück verschüttete Milch. Es muss jetzt darum gehen, dass solche Strukturen weiterhin aktiv sein können, und wir müssen den Kampf gegen rechts sehr viel ernster nehmen und sehr viel entschlossener führen, als das teilweise der Fall gewesen ist in der Vergangenheit.

    Engels: Im Mai wird in Schleswig-Holstein ein neuer Landtag gewählt. Wird da der Kampf gegen Rechtsextremismus auch ein beherrschendes Thema?

    Stegner: Es wird auch ein Thema sein, wobei die demokratischen Parteien sich in dieser Frage ja bei uns im Lande glücklicherweise einig sind. Aber wir haben ja in der Nachbarschaft, in Mecklenburg-Vorpommern, zum Beispiel eine NPD, die im Landtag ist. Und insofern ist uns das alles sehr präsent und es wird ein Thema sein. Aber ansonsten wird es hauptsächlich darum gehen, diese total abgewirtschaftete schwarz-gelbe Regierung in Kiel abzulösen, die ist ja noch schlechter als die in Berlin und die Menschen wünschen sich endlich wieder eine ordentliche Regierung und das werden wir, glaube ich, auch schaffen.

    Engels: Ist es eigentlich schwierig für Sie, dass Ihre Themen im Landtagswahlkampf immer wieder regelmäßig von der Frage überschattet werden, wer denn nun SPD-Kanzlerkandidat wird, wie wir das ja auch jetzt wieder erleben?

    Stegner: Ach, ich glaube, wenn wir das davon überschatten lassen, sind wir selber schuld. Eins ist doch ganz schön: Alle reden darüber, wer Frau Merkel ablöst und wer das von der SPD sein kann. Da haben wir mehrere geeignete Kandidaten. Mir als Landesvorsitzendem der SPD in Schleswig-Holstein geht es darum, dass diese Frage nicht entschieden wird vor unserer Landtagswahl, sondern das hat Zeit bis Ende des Jahres oder vielleicht nach der Niedersachsen-Wahl Anfang kommenden Jahres. Und jetzt geht es darum uns darauf zu konzentrieren, diese sehr, sehr schlechte schwarz-gelbe Regierung abzulösen. Und dazu brauchen wir keine Kandidatendebatten, sondern eine geschlossene SPD, wie die sich ja auch auf dem Bundesparteitag in Berlin präsentiert hat. Wir sind in guter Form, Schwarz-Gelb ist in ganz schlechter Form, das sind gute Voraussetzungen zu Beginn dieses Jahres.

    Engels: SPD-Chef Gabriel hat ja gestern einen Bericht der "Bild am Sonntag" dementiert, wonach er Generalsekretärin Nahles teilweise entmachten wolle und den Bundestagswahlkampf in weiten Teilen selbst organisieren wolle. Wie nehmen Sie denn die Arbeit von Andrea Nahles wahr?

    Stegner: Ach, die Andrea Nahles hat natürlich einen schwierigen Job zu machen als Generalsekretärin und sie wird auch für manches verantwortlich gemacht, wenn ich an die Sache mit dem Sarrazin denke oder auch die Parteireform, was sie ja nicht alleine zu vertreten hat. Das ist ein undankbarer Job, den macht sie, glaube ich, gut und wir sollten uns hier nicht einreden lassen, dass es da bei uns interne Machtkämpfe und Streitereien gibt. Wir hatten einen sehr, sehr guten Parteitag und wer sich das angeguckt hat - wir hatten ja viele Gäste -, der wird gesehen haben, dass wir den Gefallen der Konkurrenz nun gewiss nicht tun werden, dass wir anfangen, untereinander zu streiten. Sondern wir setzen uns auseinander mit der Konkurrenz, mit der Union hauptsächlich, konzentrieren uns darauf, die Wahlen in Schleswig-Holstein zu gewinnen. Und dass Sigmar Gabriel, der als Parteivorsitzender einen exzellenten Job gemacht hat die letzten zwei Jahre, da die Führung auch hat bei diesem Prozess, das ist doch ganz normal. Aber alles andere ist, glaube ich, eher der Versuch der sehr, sehr schwachen Konkurrenz, von sich abzulenken. Und dazu werden wir selbst nicht beitragen.

    Engels: Aber die Kritik an der Arbeit von Andrea Nahles kommt ja auch teilweise aus dem linken Flügel der SPD, wo immer wieder hinter vorgehaltener Hand zu hören, die Generalsekretärin zeige und beweise nicht genügend Profil.

    Stegner: Ach, es ist doch so: So eine Generalsekretärin hat eine dienende Funktion und gleichzeitig muss sie das für die ganze Partei tun. Und da ist dann mal der eine Flügel oder der andere Flügel vielleicht enttäuscht über das eine oder andere, aber sie macht einen guten Job im Willy-Brandt-Haus und wir haben doch gelernt im letzten Jahr, dass die SPD dann erfolgreich ist, wenn sie über das ganze Spielfeld mit all denen bei uns, die dazu beitragen können, für unser Profil sorgen. Und das tun wir gemeinsam mit sehr verschiedenen Menschen. Da spielt Andrea Nahles ihre Rolle und da würde ich nicht so viel hineingeheimnissen. Im Übrigen sind wir eine große Volkspartei und da gibt es immer unterschiedliche Meinungen, das wird immer so sein und da haben wir auch unterschiedliche Talente. Und wenn das mal keine Kritik mehr gäbe, würde ich mir eher Sorgen machen. Ich glaube, wir sind in guter Verfassung und Sie werden kaum einen finden in der SPD, der nicht überzeugt davon ist, dass wir das schaffen werden, unsere politischen Ziele in diesem Jahr auch zu erreichen.

    Engels: Ralf Stegner, Landeschef der SPD von Schleswig-Holstein. Dort wird im Mai gewählt. Vielen Dank für das Gespräch!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.