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"Wir brauchen mehr Personal"

Um den Druck auf Lebensmittelbetriebe zu erhöhen, braucht es mehr Kontrolleure, sagt Martin Müller, Vorsitzender des Verbands der Lebensmittelkontrolleure. Zudem seien Zeiträume von vier bis acht Wochen für Probenanalysen viel zu lange.

Martin Müller im Gespräch mit Britta Fecke | 07.01.2011
    Britta Fecke: Mit Dioxin verseuchte Industriefette wurden offenbar schon seit mindestens zehn Monaten zu Tierfutter verarbeitet, denn bereits am 19. März 2010 habe ein privates Labor bei einer Probe des Futtermittellieferanten Harles & Jentzsch erhöhte Dioxinwerte nachgewiesen. Die zulässige Höchstmenge von 0,75 Nanogramm Dioxin pro Kilogramm Fett wurde um mehr als das Doppelte überschritten. Das hat nun auch das Agrarministerium in Kiel bestätigt. Allerdings habe man erst am 27. Dezember von dieser Grenzüberschreitung erfahren. Wenn es um das belastete Futtermittel geht, da sind die Zeiträume schon sehr, sehr lang, wie lang wird es wohl sein beim Fleisch? Ich bin nun verbunden mit Martin Müller, Vorsitzender des Bundesverbandes der Lebensmittelkontrolleure. Das sind sehr lange Zeiträume, von denen wir gerade gehört haben, wie oft oder in welchen Abständen werden denn die Lebensmittel getestet, Herr Müller?

    Martin Müller: Also hier sind die Abstände wesentlich kürzer. Man muss natürlich hierbei sagen, es handelt sich um eine Privatuntersuchung, zu der der Unternehmer ja verpflichtet ist. Nur dass die so lange zurückgehalten worden ist, ist natürlich eine Katastrophe. Im Lebensmittelbereich ist es so: Wir entnehmen tagtäglich Proben - von Fleisch, von Eiern, von Milch, von Joghurt, von Kakao. Also die ganze Lebensmittelkette rauf und runter, wenn man das so lax sagen darf, wird von uns beprobt, wird in die Untersuchungsämter verbracht, um festzustellen, ob hier der Unternehmer legal gearbeitet hat oder ob unbewusst irgendwelche Verunreinigungen, sprich Kontaminanten in das Lebensmittel hineingekommen sind.

    Fecke: Wenn Sie die Probe gezogen haben, wie schnell ist denn das Untersuchungsergebnis da?

    Müller: Ja, wir würden uns freuen, wenn es nach einer Woche oder spätestens 14 Tagen da wäre, aber das sind leider Wunschträume, hier haben wir teilweise Zeiträume von vier bis acht Wochen. Das ist leider eine Zeit, die einfach zu lange ist. Aber durch die Chronik in ganz bestimmten Betrieben können wir uns da helfen - da, wo ein Verdacht geherrscht hat, kann man natürlich schneller nachgreifen, kann man dafür sorgen, dass Probenwege kürzer werden, kann man dafür sorgen, dass es etwas schneller geht.

    Fecke:Jetzt wird ja nicht nur auf Dioxin untersucht, auf was denn noch?

    Müller: Wir untersuchen natürlich nicht nur auf Dioxin. Es wird untersucht auf mikrobielle Verunreinigungen, es wird untersucht auf Schimmelpilze, es wird untersucht auf Produkte, auf Zutaten, die nicht zulässig sind. Es wird darauf untersucht, ob das Lebensmittel auch das wirklich ist, was drauf steht: Ist das nun Schafskäse oder ist das Käseimitat? Ist das nun wirklich gekochter Schinken oder ist es irgendwie ein glibbriges Zeug, das vom Wasser zusammengehalten wird?

    Fecke: Nun ist ja nach jedem Skandal - und wir haben ja viele davon in der Branche - immer wieder der Ruf sehr laut, man müsse die Kontrollen verschärfen und sie müssten besser ausgestattet werden. Hat sich irgendwas getan?

    Müller: Also getan hat sich in der Art und Weise, dass man darüber überlegt hat und festgestellt, dass man viel machen muss. Die Ausstattungen sind zum Teil besser geworden, das ist richtig, man hat auch verschiedene Drehschrauben erfunden, wo man was intensivieren kann. Aber verschärfte Kontrollen, die brauchen wir nicht. Wir brauchen mehr Manpower, wir brauchen mehr Personal, Lebensmittelkontrolleurinnen und -kontrolleure, die Kontrolldruck erhöhen können, die da zeigen können: Hier, Unternehmer, wenn du meinst, du müsstest Beanstandungen produzieren, wir stehen bei dir, wir schauen dir über die Schulter.

    Fecke: Wenn wir jetzt zu den Anfängen zurückgehen, wäre es sinnvoll, die Produktionsstätten zu trennen, denn der Futtermittellieferant Harles & Jentzsch stellt ja auch Fette für die technische Industrie her?

    Müller: Es ist eine ganz sinnvolle Überlegung, das sollte man auch schnellstens durchführen. Wir haben dieses, im Lebensmittelbereich haben wir das schon: Hier wird getrennt zwischen zum Beispiel dem Schlachten und dem Zerlegen. Es darf nicht, wie das mal gewesen ist, in einem Raum geschlachtet und auch zerlegt werden, wenn es auch zeitlich getrennt wird. Hier hat man erkannt, hier können Verunreinigungen mikrobiologischer Art entstehen. Und das sollte man auch schleunigst im Fettbereich machen, dass man da ganz klare Wege hat, getrennte: hier Lebensmittel, da Futtermittel und auf der anderen Seite die technischen Produkte. Hier muss man einfach eine scharfe Trennung machen, um auch die nicht gewollten Vermischungen zu vermeiden.