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"Wir haben in den Schulen oft sehr veraltete Medien"

Eine neue Software soll Schulserver auf illegale Buchkopien untersuchen. Das stelle Lehrer unter den Generalverdacht, Raubkopierer zu sein, kritisiert Udo Beckmann, Vorsitzender des Verbands Bildung und Erziehung (VBE). Tatsächlich seien diese gezwungen, sich auf Material zu stützen, das die Schule aus Geldmangel nicht zur Verfügung stellt.

Udo Beckmann im Gespräch mit Aglaia Dane | 03.11.2011
    Aglaia Dane: Soweit also der Verband der Schulbuchverlage. Herr Beckmann, Sie sind Vorsitzender des Verbands Bildung und Erziehung, vertreten also die Seite der Lehrer. Haben die das Gefühl, dass sie ausspioniert werden?

    Udo Beckmann: An diesem Schultrojaner stört mich eigentlich in erster Linie, dass hier ein Generalverdacht gegen Lehrerinnen und Lehrer formuliert wird, dem mit einer sogenannten Plagiatssoftware nachgegangen werden soll.

    Dane: Aber die Verlage haben ja ein Interesse daran, Bücher zu verkaufen, von daher: Wenn die feststellen, dass Lehrer im großen Rahmen kopieren, ist es vielleicht nicht verständlich, dass sie dagegen wirken wollen?

    Beckmann: Also dass die Verlage natürlich ein grundsätzliches Interesse daran haben, dass ihre Werke urheberrechtlich geschützt sind, und dass nach Recht und Gesetz verfahren wird, das kann ich auch nachvollziehen, das ist auch in Ordnung. Nur das, was hier angedacht worden ist, diese sogenannte Plagiatssoftware zu installieren, halte ich für äußerst bedenklich, und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass eine solche Software, wenn es sie dann nun irgendwann gibt, der Prüfung durch die Datenschutzbeauftragten in den Ländern standhält.

    Dane: Warum? Was meinen Sie, was daran datenschutzrechtlich vielleicht fragwürdig sein könnte?

    Beckmann: Fragwürdig ist für mich besonders an dieser Stelle, dass ja sicherlich, wenn man auf einen solchen Rechner geht, man ja insgesamt Einblick nimmt in die Tätigkeiten und das, was der Lehrer oder die Lehrerin getan hat, und dass das hier schon sehr stark auch in das Individualrecht des Einzelnen hineingeht, von daher denke ich nochmals: Lehrerinnen und Lehrer sind daran interessiert, dass sie einen Unterricht anbieten können, dass sie ihren Bildungsauftrag erfüllen können, und dann kommen wir nämlich jetzt eigentlich zu dem Kern des Ganzen. Der Kern ist ja eigentlich, dass die Ausstattung der Schulen mit Unterrichtsmaterialien schon seit Jahren nicht mehr hinreichend erfolgt, weil die notwendigen Gelder, die zur Verfügung gestellt werden, hinten und vorne nicht ausreichen, damit Lehrerinnen und Lehrer entsprechende Materialien, CDs, DVDs und so weiter überhaupt anschaffen können.

    Dane: Sind die sozusagen gezwungen, im großen Rahmen zu kopieren?

    Beckmann: Also sie sind gezwungen, sich auf andere Materialien zu stützen, die in der Schule nicht zur Verfügung stehen, wenn sie ihre Unterrichtszeit angemessen erfüllen wollen, und wenn sie auch den Schülerinnen und Schülern Inhalte vermitteln wollen, die aktuell sind. Wir haben in den Schulen oft sehr veraltete Medien, was einfach darauf zurückzuführen ist, dass die Sachkosten, die zur Verfügung gestellt werden, um solche Dinge anzuschaffen, bei weitem nicht ausreichen. Und ich muss an dieser Stelle auch noch mal deutlich sagen, dass Lehrerinnen und Lehrer sehr häufig privates Geld in die Hand nehmen, um entsprechende Unterrichtsmaterialien anzuschaffen, damit der Unterricht so stattfinden kann, wie er eigentlich sein sollte.

    Dane: Statt Plagiatssoftware, was wäre Ihr Vorschlag, um zu verhindern, dass Bücher in einem Umfang kopiert werden, wie es vielleicht nicht mehr legal ist?

    Beckmann: Ja, ich denke mal, man muss natürlich Aufklärung betreiben über das Urheberrecht. Das machen wir als Verband ja auch immer wieder durch kleine Schriften, dass wir Lehrerinnen und Lehrer darauf aufmerksam machen, was alles zu beachten ist, wenn man kopiert beziehungsweise wenn man auch digitale Medien für den Unterricht nutzt, das ist erst mal der erste wichtige Hinweis. Und man müsste gucken, welche Vereinbarungsmöglichkeiten es zwischen den Verlagen und den für die Sachkosten Verantwortlichen geben kann, dass man hier gewisse Ausgleiche oder Entgelte schaffen kann, damit solche Möglichkeiten gegeben werden. Aber ich sage es noch mal ganz deutlich: Lehrerinnen und Lehrer generell unter den Verdacht zu stellen, dass das alles Raubkopierer sind, das halte ich für nicht hinnehmbar, und aus meiner Sicht müsste das, was zwischen KMK und VDS hier vereinbart worden ist, erst mal zurückgezogen werden.

    Dane: Mehr Aufklärung und keine Plagiatssoftware, so sieht es der Bundesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung, Udo Beckmann.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.