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"Wir haben keinen Verkaufsdruck"

Der Chef der Bad Bank der West-LB, Matthias Wargers, sieht zuversichtlich in die Zukunft. Sein Institut habe in den ersten Monaten bereits zwölf Prozent des Portfolios verkaufen können. Dabei sei von Vorteil, dass kein Zeitdruck herrsche. So könne immer der bester Preis erreicht werden.

Matthias Wargers im Gespräch mit Jürgen Liminski | 11.10.2010
    Jürgen Liminski: Der Währungsstreit und die gute, aber unsichere Konjunkturlage zeigen, dass die Folgen der Finanzkrise noch nicht überwunden sind. Zu groß sind auch die Risiken, die mit manchen Papieren in den Depots etlicher Banken schlummern. Deshalb haben zwei Großbanken, die Hypo Real Estate und die West-LB, mithilfe der Länder und auch des Bundes sogenannte Bad Banks geschaffen, in die diese toxischen Papiere ausgelagert wurden. Die Bad Bank der West-LB, mit richtigem Namen Erste Abwicklungsanstalt, hat vor ein paar Tagen ihre erste Halbjahresbilanz vorgelegt, und da heißt es, man habe bereits einen Teil der Giftpakete verkauft. Wer kauft so etwas? Wie kann eine Bad Bank jemals auf einen grünen Zweig beziehungsweise auf eine schwarze Null kommen? Zu diesen Fragen begrüße ich einen der beiden Vorsitzenden der Ersten Abwicklungsanstalt, Matthias Wargers. Er befindet sich zurzeit in Washington. Guten Morgen, Herr Wargers.

    Matthias Wargers: Schönen guten Morgen, Herr Liminski.

    Liminski: Herr Wargers, man hat Ihnen bei Gründung der Bank Giftpakete im Wert von rund 78 Milliarden Euro in die Hand gedrückt. Was machen Sie damit?

    Wargers: Zunächst einmal handelt es sich nicht nur um Giftpapiere. Es ist in der Tat so: Teil des Portfolios sind strukturierte Wertpapiere, die man sicherlich langläufig als toxisch bezeichnen kann. Aber es gibt auch Kredite, die Geld verdienen. Wir versuchen, mit diesen Papieren, Krediten, Wertpapieren, das Beste rauszuholen.

    Liminski: Wer kauft denn solche toxischen Papiere, oder mischen Sie die Papiere mit anderen so auf, dass sie wieder attraktiv werden?

    Wargers: Ja. Es ist ja zu unterscheiden. Es gibt Wertpapiere, wo es durchaus auch wieder Anlagehunger von Investoren gibt. Das sind Fonds, das sind große Banken, die im Auftrag von Fonds dann unterwegs sind. Es gibt für Kredite einen Sekundärmarkt, wo auch wieder Nachfrage besteht. Wir versuchen, das immer dann zu nutzen, wenn wir davon ausgehen, dass wir den wertmaximalen Zeitpunkt erreicht haben, und dann verkaufen wir solche.

    Liminski: Wie sieht denn die Bilanz Ihrer Bank nach einem halben Jahr aus?

    Wargers: Wir sind mit 77,5 Milliarden Gesamtvolumen gestartet, vollkommen richtig, und wir haben in den ersten Monaten jetzt 9,2 Milliarden davon schon abgebaut. Das sind ungefähr zwölf Prozent des Portfolios. Das zeigt uns eigentlich, dass das Modell greift und funktioniert.

    Liminski: Immer noch viele toxische Papiere. Was bedeutet das für den Steuerzahler?

    Wargers: Ja, es ist in der Tat so, dass wir sicherlich noch Papiere haben, die man wie gesagt langläufig als toxisch bezeichnet, andere sind gut. Was ist der große Vorteil, mit dem wir ausgestattet sind? – Wir haben Zeit. Das heißt, wir haben keinen Verkaufsdruck. Wir wollen natürlich schnell abbauen, aber nur dann, wenn wir verlustminimierend agieren können. Das heißt, wir sind nicht gezwungen, zu verlustbringenden Verkaufspreisen hier tätig zu werden.

    Liminski: Aber diese Papiere haben doch einen Preis. Mit der Zeit steigt doch dieser Preis. Muss man da nicht irgendwie versuchen, schnell abzubauen?

    Wargers: Ja, man muss ihn schnell abbauen, wenn man das Gefühl hat, dass der Gipfel des Preises "erreicht" ist, oder aber wenn man wirklich begründete Vermutungen hat, dass die Preise nachhaltig sinken. Dann ist die Verlustminimierung angesagt. Deswegen schauen wir uns das Portfolio regelmäßig mit unseren Experten an und versuchen, dafür genau die richtigen Zeitpunkte dann zu identifizieren.

    Liminski: Endziel ist die schwarze Null. Wie soll das geschehen bei all den toxischen Paketen?

    Wargers: Ja. Wir haben wie gesagt sehr viel Zeit uns hier einräumen lassen und das bedeutet, dass wir eben die richtigen Zeitpunkte wählen, um zu verkaufen. Schauen Sie sich das an, beispielsweise im Schiffsfinanzierungsbereich. Konjunkturell, weltkonjunkturell bedingt waren auch Schiffsfinanzierungen in den letzten 24 Monaten sehr stark unter Druck. Der Welthandel steigt, die Schiffe sind wieder gut beladen, die Charterraten steigen und plötzlich haben sie für solche Vermögensgegenstände ganz andere Preise. Wir haben also die Zeit, uns genau dann zu überlegen zu veräußern, wenn es wertmaximal ist, und darüber generieren wir natürlich auch Erträge.

    Liminski: Wann, glauben Sie denn, kann die schwarze Null erreicht werden und löst sich dann Ihre Bank auf? Ist die Abwicklungsanstalt dann abgewickelt?

    Wargers: Ja! Wir sind eine endliche Veranstaltung. Wir haben aber noch kein ganz konkretes Ablaufdatum bisher festlegen können, weil wir natürlich eben sagen, das hängt davon ab, wie sich Märkte entwickeln. Aber wir sind auf Endlichkeit ausgerichtet.

    Liminski: Darf man fragen, was Sie gerade in Washington machen? Haben Sie neue Kunden oder Opfer für Ihre Papiere gefunden? Nicht zuletzt: In Amerika hat ja die Finanzkrise angefangen.

    Wargers: Ja, das ist vollkommen richtig. Wir sind hier: Das Treffen, das jährliche Treffen des IMF ist natürlich ein Stelldichein der gesamten Industrie und wir wollen natürlich hier dieses Forum nutzen, um unser Modell vorzustellen, weil es für uns auch wichtig ist, Investoren zu finden, denen das Modell zu erklären und insbesondere Refinanzierungsmittel einzuwerben für die EAA.

    Liminski: Glauben Sie, Herr Wargers, dass mit den Bad Banks die Folgen der Finanzkrise völlig beseitigt werden können?

    Wargers: "Völlig" ist sicherlich ein sehr weit greifender Begriff, aber ich glaube schon, dass der Gesetzgeber mit der Möglichkeit, solche Abwicklungsanstalten zu gründen, den richtigen Weg eingeschlagen hat. Wir wissen, dass viele Banken gerade auch in Deutschland zu hohe Bilanzsummen haben und diese Bilanzsummen abgebaut werden können. Abwicklungsanstalten sind eine Möglichkeit, das hier kapitalschonend und effizient zu tun.

    Liminski: Das wäre also auch ein Modell für andere Banken, Großbanken?

    Wargers: Das Gesetz ist ja grundsätzlich darauf offen angelegt. Ich kann nur sagen aus den ersten Monaten unserer Arbeit: Der Weg, den man hier im Kontext der West-LB beschritten hat, der war aus meiner Sicht sehr klug gewählt.

    Liminski: Die Bad oder Böse Bank der West-LB auf dem Weg in eine gute oder bessere Zukunft. Das war hier im Deutschlandfunk der Vorsitzende der Ersten Abwicklungsanstalt, Matthias Wargers. Besten Dank für das Gespräch, Herr Wargers.

    Wargers: Vielen Dank auch, Herr Liminski.