Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


"Wir machen gemeinsam eine christlich-liberale Politik"

Die FDP rückt beim Thema innere Sicherheit deutlich vom Koalitionspartner CDU/CSU ab. Bundesinnenminister Friedrich (CSU) gibt sich gelassen und kündigt an, im Streit über die Anti-Terror-Gesetze auf die FDP zuzugehen.

Hans-Peter Friedrich im Gespräch mit Dirk Müller | 16.05.2011
    Dirk Müller: Die FDP hat versucht, sich an diesem Wochenende auf ihrem Parteitag in Rostock neu aufzustellen: einmal personell, aber auch inhaltlich. Vor allem will Philipp Rösler die FDP wieder mit einer liberalen Handschrift versehen, mit dem klassischen Thema Freiheit und Bürgerrechte. Dazu gehört für den frisch gewählten FDP-Chef die innere Sicherheit. Der Streit um gespeicherte Vorratsdaten und die Verlängerung der Anti-Terror-Gesetze stehen jetzt ganz oben auf der Agenda. So hatte er in Rostock bereits scharfe Angriffe gegen den politischen Gegner gefahren, gegen die Union, gegen den eigenen Regierungspartner also in Berlin, vor allem auch gegen Innenminister Hans-Peter Friedrich. Bei uns am Telefon ist nun Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU). Guten Morgen!

    Hans-Peter Friedrich: Guten Morgen!

    Müller: Herr Friedrich, ist die neue Rösler-FDP jetzt in die Opposition gegangen?

    Friedrich: Nein. Ich glaube, dass Philipp Rösler und die FDP sehr genau wissen, dass sie als Regierungspartei nicht nur Thesen gegen den Koalitionspartner liefern müssen, sondern auch Ergebnisse für die Bürgerinnen und Bürger, das heißt auch einen Erfolg, einen gemeinsamen Erfolg der Koalition.

    Müller: Und warum hat er dann Thesen formuliert auch gegen Sie?

    Friedrich: Na gut, die FDP versucht sich, ihr Profil als Bürgerrechtspartei zu schärfen, das ist ihr gutes Recht. Wenn am Ende, wie gesagt, etwas Gutes für die Bürger herauskommt, dann kann man dagegen auch überhaupt nichts haben. Natürlich werden wir uns in den Inhalten auseinandersetzen. Aber wie gesagt, am Ende muss immer das Ergebnis sein: Es geht um die Bürger, auch um die Sicherheit der Bürger, auch um die Freiheit der Bürger und sie stehen im Mittelpunkt.

    Müller: Fühlen Sie sich denn als Bundesinnenminister dazu prädestiniert, der FDP bei der Profilsuche und Profilierung zu helfen?

    Friedrich: Also jede Partei ist dafür verantwortlich, ihr eigenes Profil zu finden, und es gibt ja an liberalen Themen, angefangen von der Wirtschaftspolitik, genügend Spielräume, auch sich zu profilieren. Es ist immer gut, wenn in einem freiheitlichen Staat auch eine liberale Partei für die Bürgerrechte aktiv und entschlossen eintritt, aber ich sage auch, dass natürlich der Staat wehrhaft sein muss gegenüber seinen Feinden, und er muss in der Lage sein, seine Bürger zu schützen, und diese Balance muss man finden. Insofern ist das Ringen zwischen CSU auf der einen Seite und FDP auf der anderen Seite sicher auch sehr, sehr hilfreich und wird dazu führen, dass wir am Ende ein gutes Ergebnis für die Bürger erreichen werden.

    Müller: Sie treten, Hans-Peter Friedrich, für eine angemessene, wie Sie sagen, innere Sicherheit an. Dazu gehört auch, die Anti-Terror-Gesetze, die nach dem 11. September verabschiedet worden sind, unbefristet zu verlängern. Bis Jahresende sollen die auslaufen. Werden Sie dabei bleiben?

    Friedrich: Also im Januar sollen diese Gesetze auslaufen und ich glaube, jeder sieht, wie notwendig es ist, gerade in der jetzigen Situation, dass diese Gesetze fortbestehen. Es geht bei diesen Gesetzen um Anfragerechte des Verfassungsschutzes, des BKA, der Dienste also bei Behörden und bei anderen Einrichtungen. Voraussetzung ist immer ein konkreter Terrorverdacht, und die FDP kann nicht allen Ernstes wollen, dass Terroristen geschützt werden, sondern Bürger müssen geschützt werden, darum geht es, und deswegen werden wir zu einer sinnvollen, angemessenen und im Einzelfall geprüften, wie der neue FDP-Vorsitzende Rösler es fordert, Auffassung und Verlängerung kommen.

    Müller: Tragen Sie eine mögliche weitere neue Befristung mit?

    Friedrich: Die FDP hat sich da klar positioniert und ich denke, das ist ein Punkt, wo man ihr entgegenkommen kann und sagen kann, ja, eine Befristung ist eine Möglichkeit.

    Müller: Also machen Sie jetzt schon einen Kompromiss?

    Friedrich: Gut, ich glaube, dass es durchaus sinnvoll ist, dass man immer wieder über die Sinnhaftigkeit der Gesetze nachdenkt und das immer auch wieder prüft. Entscheidend ist, dass sie jetzt verlängert werden. Dass man immer wieder auch kritisch nachfragt, ist, glaube ich, richtig.

    Müller: Dann hat sich Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Justizministerin, FDP, vergangene Woche bei uns im Deutschlandfunk-Interview also durchgesetzt in der Koalition?

    Friedrich: Diese Koalition macht gemeinsam Politik für die Bürger. Wir werden uns auch nicht gegeneinander in Stellung bringen in der Öffentlichkeit und gegeneinander positionieren, sondern wir machen gemeinsam eine christlich-liberale Politik.

    Müller: Aber dann können wir hier im Deutschlandfunk festhalten, der Streit um die Anti-Terror-Gesetze ist hiermit beendet?

    Friedrich: Der Streit ist möglicherweise beendet. Das kommt jetzt darauf an, inwieweit die FDP und Frau Schnarrenberger inhaltlich mitgehen. Wir haben ja einige Veränderungen auch vorgeschlagen in Hinsicht einer stärkeren Kontrolle der Anwendung der Gesetze. Also es ist durchaus eine Kompromissmöglichkeit denkbar. Und wie gesagt, die Befristung, die der neue FDP-Vorsitzende fordert, glaube ich, die wird sich wohl auch so machen lassen.

    Müller: Sie haben, Herr Friedrich, das eben kurz erwähnt: neue Befugnisse für die Geheimdienste. Was wollen Sie da erreichen?

    Friedrich: Nein, es geht nicht um neue Befugnisse, sondern im Gegenteil: Es geht um eine stärkere Kontrolle der Anwendung. Das heißt, die bisherigen Gesetze sollen verlängert werden, aber es soll in einigen Bereichen die G10-Kommission des Bundestages, die also über die Einhaltung der Bürgerrechte wacht, noch verstärkt ein Informationsrecht bekommen. Das ist ein Vorschlag, den der Gutachter gemacht hat, und ich denke, dass wir diesem Vorschlag in einigen Fällen folgen werden, aber auch das wird einer Einzelfallprüfung obliegen.

    Müller: Habe ich Sie jetzt richtig verstanden, die Geheimdienste bekommen demnach keine neuen Aufgaben?

    Friedrich: Nein, das ist nicht vorgesehen. Das war auch nie vorgesehen, sondern es geht darum, dass wir die Gesetze im einzelnen überprüfen und verlängern. Ich halte die Verlängerung für unabdingbar, denn nach wie vor ist Deutschland in der Situation, dass wir im Fadenkreuz des internationalen Terrorismus stehen, und wir können uns da keine Schwächen erlauben.

    Müller: Philipp Rösler hat in Rostock auch gesagt, mit uns wird es keine Grenzkontrollen geben. Wie ist das mit Ihnen?

    Friedrich: Ich glaube, ich habe mich am Wochenende und auch in der vergangenen Woche gegenüber Dänemark klar positioniert. Das was Dänemark dort eingeführt hat, ist nicht in Ordnung. Ich habe auch klar gesagt, ich glaube, dass es der europäischen Idee freier Grenzen widerspricht. Ich glaube, ich habe das Notwendige in dieser Frage gesagt.

    Müller: Wir haben alle noch die Äußerungen aus Österreich, auch aus Bayern, auch vom bayerischen Innenminister im Ohr bei der Krise Lampedusa, wo beide Seiten gefordert haben, auch wir denken über Grenzkontrollen nach. Das heißt, beide haben sich geirrt?

    Friedrich: Nein. Das war, glaube ich, eine richtige Überlegung. Es geht ja darum, dass das Schengen-Abkommen als Ausnahmemöglichkeit, dann, wenn die Sicherheit gefährdet ist, solche Grenzkontrollen ermöglicht. Nun gibt es einen Streit darum, was sind denn solche Ausnahmemöglichkeiten, und man stellt fest, sie sind nicht klar geregelt. Wir überlegen jetzt, ob wir klare Konkretisierungen in dieses Schengen-Abkommen hineinbringen, um also eine Willkür der einzelnen Mitgliedsstaaten gar nicht erst zu ermöglichen. Damals war es so, dass Italien ja im Verdacht stand, das Schengen-Abkommen umgangen zu haben, dadurch, dass es Visa ausgestellt hat an Flüchtlinge, und da war es durchaus eine Überlegung der Franzosen, der Österreicher, der Deutschen zu sagen, das schauen wir uns jetzt mal näher an und kontrollieren an den Grenzen. Das war also durchaus eine Möglichkeit, die bei dem erheblichen Migrationsdruck, der zu erwarten war, angemessen war. Aber wie gesagt, es geht nur um Konkretisierungen, es geht nicht um Verschärfungen.

    Müller: Aber diese Möglichkeit, dann gegebenenfalls dennoch zu kontrollieren, gibt es immer noch?

    Friedrich: Diese Möglichkeit ist Bestandteil des Schengen-Abkommens, das ist ja völlig klar. Es kann ja nicht sein, dass man sozusagen unter keinen Umständen und nie kontrollieren darf. Davon ist öfter auch Gebrauch gemacht worden bei großen Konferenzen, wo die Sicherheit kurzzeitig sichergestellt werden musste, bei grenzüberschreitenden Sportveranstaltungen. Also es gab immer so Fälle, wo das ganz gut funktioniert hat, und bevor es aber jetzt zu einer flächendeckenden Willkür ausartet, muss man das konkretisieren, vielleicht auch juristisch ein bisschen fester machen, und ich glaube, dass das der richtige Weg ist.

    Müller: Also Grenzkontrollen sind nicht ausgeschlossen, können wir auch festhalten?

    Friedrich: Grenzkontrollen sind wie gesagt jetzt schon nicht ausgeschlossen, aber wir müssen die Fälle, in denen sie möglich sind, konkreter fassen, um Willkür zu verhindern.

    Müller: Heute Morgen bei uns im Deutschlandfunk Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU). Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Friedrich: Gerne. Tschüß!