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"Wir müssen die Franzosen hier unterstützen"

Auch Den Haag will beim französischen Militäreinsatz in Mali assistieren, versichert der Außenminister der Niederlande, Frans Timmermans. "Wir machen das so wie Deutschland auch", sagt der Chefdiplomat und kündigt den Einsatz von Transportflugzeuge an.

Frans Timmermans im Gespräch mit Doris Simon | 17.01.2013
    Doris Simon: Seit Monaten beraten die europäischen Außenminister über die Entsendung von 200 Militärberatern nach Mali, um die dortige Regierung zu unterstützen in ihrem Kampf gegen die Extremisten, die Teile des Landes unter Kontrolle haben. Heute Mittag treffen sich die EU-Außenminister zu einer Sondersitzung, denn seit der letzten Beratung hat sich die Lage vor Ort dramatisch verändert. Nicht nur hat Frankreich militärisch eingegriffen in Mali; gestern entführten Extremisten einer anderen Gruppe mehr als 40 Ausländer im benachbarten Algerien als Rache für den Militäreinsatz der Franzosen. – Ich bin jetzt verbunden mit Frans Timmermans, dem Außenminister der Niederlande. Guten Morgen!

    Frans Timmermans: Guten Morgen, Frau Simon.

    Simon: Herr Timmermans, wenn Sie sich jetzt mittags treffen mit Ihren Außenministerkollegen, die Zeit drängt ja, wie schnell geht es mit der Entsendung der Militärberater und der finanziellen Unterstützung für Mali?

    Timmermans: Ich weiß nicht genau, was die Pläne sind von Frau Ashton. Das werden wir dann heute Nachmittag hören. Wir glauben, wir müssen die Franzosen hier unterstützen. Diese Bedrohung für unsere Sicherheit kommt aus Mali, hängt zusammen mit diesem Terrorismus, und deshalb glauben wir, dass wir auch diesen Kampf zusammen mit den Franzosen führen müssen. Und wir machen das so wie Deutschland auch: Wir unterstützen Frankreich mit Transportflugzeugen.

    Simon: Was leisten die Niederlande ansonsten noch an Unterstützung in Mali?

    Timmermans: Wir haben eine ganz lange Erfahrung mit Entwicklungshilfe in Mali und wir werden da weitermachen. Wir werden zum Beispiel ein Spital unterstützen, das jetzt Probleme hat, damit die auch kranke Leute auffangen können. Wir werden dann auch mal sehen, was heute so von der Europäischen Kommission und von Frau Ashton vorgeschlagen wird, und dann werden wir in Holland sehen, wie wir das unterstützen können.

    Simon: Man hat ja ein bisschen den Eindruck, in der EU sind die meisten Länder durchaus zufrieden mit dem französischen Einsatz. Die Franzosen haben ja dort eine Aufgabe übernommen, die eigentlich alle Europäer betrifft. Muss man jetzt in der Situation da eigentlich nicht mehr tun, als Transportkapazitäten und möglicherweise finanzielle, medizinische Hilfe zur Verfügung zu stellen?

    Timmermans: Na ja, ich glaube, im Rahmen der internationalen Mission, die jetzt aufgebaut wird, wo insbesondere die afrikanischen Länder große Verantwortung übernehmen werden, werden wir auch eine Unterstützung geben. Deshalb wird auch die Europäische Union dieses Trainingsprogramm für das Militär in Mali unterstützen und da werden wir auch unseren Teil daran liefern. Wir wissen noch nicht ganz genau wie; das hängt auch davon ab, was Frau Ashton vor hat. Aber ich glaube, wir haben da in der Tat auch eine europäische Verantwortung, dafür zu sorgen, dass diese Mission, diese UN-Mission auch ein Erfolg wird.

    Simon: Herr Timmermans, Frankreichs Verteidigungsminister hat ja eingeräumt, die Extremisten leisteten größeren Widerstand als gedacht. Die Franzosen gehen jetzt auch mit Bodentruppen in Mali vor. Ganz ehrlich: Sie sprechen die Hilfe von ECOWAS, der Westafrikanischen Wirtschaftsunion, vor Ort an, die europäische Hilfe. Können die Franzosen das denn mit ein bisschen logistischer Hilfe der EU und ECOWAS alleine schaffen in Mali?

    Timmermans: Ich glaube, wir brauchen diese Unterstützung von ECOWAS. Ich glaube auch, wir können das so schaffen. Aber eins ist klar: Wir haben da eine kollektive Verantwortung, denn unsere kollektive Sicherheit in Europa wird bedroht von diesen Terroristen, und dann haben wir auch die Verantwortung, dafür zu sorgen, dass die Franzosen da einen Erfolg haben.

    Simon: Sie sagen, kollektive Verantwortung. Aber Krieg führt in Mali Frankreich. Ist das Frankreichs Krieg?

    Timmermans: Nein, es ist nicht Frankreichs Krieg. Frankreich hat eingegriffen, weil die Regierung von Mali gesagt hat, wenn es noch ein paar Tage dauert, dann sind wir weg und dann ist ganz Mali von Terroristen besetzt, und dann wäre Mali ein Heim für Terroristen, dann wäre dort eine unmittelbare Bedrohung für Europa und für unsere Sicherheit. Deshalb hat Frankreich eingegriffen, um dafür zu sorgen, dass diese UNO-Mission auch eine Chance hat, ein Erfolg zu werden, und in dem Sinne unterstützen wir völlig, was Frankreich gemacht hat.

    Simon: Wenn es knapp würde für die Franzosen, könnten Sie sich dann vorstellen, dass manche Europäer doch auch militärisch mithelfen, zum Beispiel Sie in den Niederlanden?

    Timmermans: Ich will darüber jetzt nicht spekulieren, das ist zu gefährlich. Wir müssen mal sehen, was sich in den nächsten Tagen und Wochen tun wird, und dann werden wir mit den Franzosen und unseren anderen europäischen Partnern entscheiden müssen, was notwendig ist.

    Simon: In Deutschland diskutieren die Parteien über ein Bundestagsmandat für die Hilfe für Mali. Wie sieht die Debatte in den Niederlanden dazu aus?

    Timmermans: Wir haben eine Debatte im niederländischen Parlament gehabt gestern Abend, und es ist klar, dass das Parlament sehr breit diese logistische Unterstützung mit Flugzeugen auch unterstützt. Wir haben kein Bedürfnis an einer Debatte jetzt über diese Unterstützung, das Parlament unterstützt das. Wenn es aber einen anderen Einsatz geben würde, dann muss ich wieder zum Parlament gehen und dann wird das Parlament ein Mandat geben müssen.

    Simon: Herr Timmermans, Mali und die Unterstützung, die überdecken derzeit die Schuldenkrise und die Debatte um die Zukunft Europas. Aber die steht dann morgen wieder ganz groß auf der Agenda, und zwar bei Ihnen zuhause in Amsterdam, wenn dort der britische Premier eine mit Spannung erwartete Grundsatzrede zur Rolle Großbritanniens in der EU hält. Sagen Sie, wie kommt es dazu, dass Cameron ausgerechnet in Amsterdam spricht?

    Timmermans: Ich glaube, dass es für die Briten klar ist, dass die Niederlande eine Art von Brücke sind zwischen Großbritannien und der EU. Diese Rolle haben wir immer gespielt, seit 60 Jahren. Und ich glaube, dass in dem Sinne Cameron auch gedacht hat, meine Freunde sitzen in Holland und ich gehe nach Holland und halte dort meine Rede.

    Simon: Haben Sie ihn eingeladen?

    Timmermans: Nein! Er hat sich selbst dazu entschlossen, hier in Amsterdam zu reden.

    Simon: Gibt es da eigentlich außer dieser traditionellen Brückennähe zwischen den Niederlanden und Großbritannien auch eine gedankliche Nähe, inhaltlich zwischen Premier Rutte und Herrn Cameron? Die zwei verstehen sich ja ganz gut.

    Timmermans: Das stimmt! Persönlich verstehen sie sich ganz gut, und wir haben innerhalb der EU sehr oft auch die gleichen Voraussetzungen und die gleichen Pläne. Wir wollen auch unsere Wettbewerbsfähigkeit verbessern, wir wollen auch Brüssel reformieren, wir wollen auch dafür sorgen, dass Mitgliedsstaaten nicht mehr ausgeben als sie reinbekommen, und das sind alles Pläne, die wir teilen mit den Briten und auch mit Deutschland, und wir wollen innerhalb der EU dafür kämpfen und nicht weglaufen.

    Simon: Herr Timmermans, David Cameron will ja nach Angaben aus London auch über das Zurückholen von Kompetenzen aus Brüssel ins Vereinigte Königreich sprechen in Amsterdam. Ist das auch eine Option, die in der niederländischen Regierung diskutiert wird?

    Timmermans: Nein, wir wollen keine Opt-outs. Wir wollen eine Debatte in Brüssel mit den EU-Partnern, um mal zu sehen, ob die Kompetenzen, die jetzt in Brüssel liegen, ob die auch in der Zukunft noch in Brüssel liegen bleiben müssen. Aber das wollen wir mit den Partnern besprechen. Wir wollen keine Opt-outs, wir wollen dafür sorgen, dass die EU dazu beiträgt, dass wir unsere Exportmärkte besser benutzen können, dass sie dazu beiträgt, dass es keine Probleme mehr gibt in dem Süden, dass wir auch unsere Wettbewerbsfähigkeit in der ganzen EU verbessern. Das sind unsere Pläne und die sind, glaube ich, so ungefähr auch, was Deutschland will.

    Simon: Ja. Der britische Premier hat ja da eine noch etwas entschiedenere Position, als Sie die gerade schildern. Er muss ja auch zuhause mit entschiedenen Europagegnern fertig werden, gerade in der Bevölkerung. Gibt es diese Entwicklung so auch in den Niederlanden?

    Timmermans: Na ja, es gibt natürlich bei uns auch eine gewisse EU-Verdrossenheit, und ich glaube, die gibt es in der ganzen EU. Aber die Unterstützung der niederländischen Bevölkerung für europäische Zusammenarbeit ist noch immer sehr, sehr groß. Ich glaube, wir sind noch immer bei den führenden Mitgliedsstaaten in der öffentlichen Unterstützung für europäische Zusammenarbeit.

    Simon: Herr Timmermans, bei allen Appellen, die man derzeit quer durch die EU hört, dafür, dass Großbritannien stark bleibt in der Europäischen Union, glauben Sie, dass Großbritannien in zehn Jahren in der EU noch eine Rolle spielen wird?

    Timmermans: Ich glaube schon. Ich glaube, es gibt jetzt eine schwierige Debatte in Großbritannien, so wie auch in anderen Mitgliedsstaaten, weil wir mitten in der Krise drin sind. Wenn einmal deutlich ist, dass wir hier zusammen rauskommen und dass der Euro gut funktioniert und dass auch es wieder Wachstum gibt, dann wird die Europadebatte sich auch ändern. Ich glaube, dass die Briten wissen, dass ein Austritt nicht nur zur Schwächung der EU führt, aber auch zur Schwächung der Position Großbritanniens.

    Simon: Der niederländische Außenminister Frans Timmermans war das. Herr Timmermans, vielen Dank für dieses Gespräch.

    Timmermans: Gerne geschehen und einen schönen Gruß an Sie.

    Simon: Danke.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.