Donnerstag, 25. April 2024

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"Wir müssen die Signale geben"

Nach der Veröffentlichung des UN-Klimareports hat laut dem ehemaligen Direktor des UNO-Umweltprogramms, Klaus Töpfer, ein Umdenken in der Umweltpolitik eingesetzt. Töpfer lobte insbesondere die deutsche EU-Ratspräsidentschaft, die diesen "Weckruf" umgesetzt habe. Die Bereitschaft zur Verringerung der Umweltbelastungen gehe "bis runter zu den Menschen", erklärte Töpfer.

Moderation: Stefan Heinlein | 04.04.2007
    Stefan Heinlein: Hitzewellen, Sturmfluten, Hungersnöte, eine apokalyptische Vision. Doch spätestens seit der Präsentation des ersten Teils des UN-Klimareports Anfang dieses Jahres wissen wir: Allzu weit sind wir von dieser Entwicklung nicht entfernt. Ende dieser Woche an Karfreitag wird der zweite Teil des UN-Klimareports veröffentlicht. Diesmal geht es um die unmittelbaren Folgen des Klimawandels für die Menschen in den unterschiedlichen Regionen. Noch beraten Experten und Regierungsvertreter in Brüssel über Details der Formulierungen, doch die Grundaussage ist klar: Sollte die Menschheit weitermachen wie bisher, wird der ungebremste Klimawandel unser Leben radikal verändern. Düstere Prognosen, über die ich jetzt sprechen möchte mit dem ehemaligen Direktor des UN-Umweltprogramms Klaus Töpfer. Guten Morgen!

    Klaus Töpfer: Einen schönen guten Morgen!

    Heinlein: Der Klimawandel ist mittlerweile ein großes Thema der internationalen Politik. Hätten Sie sich diese Aufmerksamkeit schon während Ihrer Amtszeit gewünscht?

    Töpfer: Gewünscht ganz sicherlich! Die Zeichen standen an der Wand. Sie waren noch nicht so abgesichert, noch nicht so in die Modelle hineingerechnet und mit den Ergebnissen auf dem Tisch, aber jedem war klar, der es wissen wollte, dass man handeln muss. Die alte englische Verfahrensweise, nicht akzeptieren, verschieben und nichts tun ist vorbei. Es hätte sicherlich vieles einfacher sein können, aber das zählt ja nicht. Wir haben nicht über das zu klagen, was nicht geschehen ist, sondern wir haben zu diskutieren, was jetzt dringend geschehen muss.

    Heinlein: Teilen Sie den Eindruck, Herr Töpfer, dass dieser erste Teil des Klimareports eine Art Weckruf war für die internationale Politik? Seither scheint die Diskussion tatsächlich zumindest in den letzten Wochen deutlich zügiger voranzuschreiten.

    Töpfer: Das ist tatsächlich richtig. Man kann ja die deutsche Präsidentschaft und die Bundeskanzlerin nur dafür loben, dass sie diesen Weckruf direkt umgesetzt hat. Die Entscheidungen, die getroffen worden sind, 20 Prozent weniger CO2 bis zum Jahre 2020, 20 Prozent erneuerbare Energien, 20 Prozent weniger Energieverbrauch insgesamt, das sind sehr weit reichende Signale für die globale Diskussion, eine hervorragende Voraussetzung für eine erfolgreiche Diskussion des Klimas auch bei den G8-Verhandlungen in Heiligendamm in diesem Jahr. Also da ist wirklich mehr gemacht worden als nur ein Aufschrei, der dann hinterher in die nächste Meldung hineinging, sondern das hat sich wirklich grundsätzlich verändert und es war dringlich notwendig, dass das geschah.

    Heinlein: Hat sich grundsätzlich etwas verändert auch in der Bereitschaft, tatsächlich etwas zu verändern in der konkreten Klimapolitik?

    Töpfer: Ja. Ich glaube das ist der Fall. Das geht bis runter zu den Menschen. Sie machen sich immer mehr Gedanken darüber, was kann getan werden, wie kann man auch die Politik motivieren, antreiben zu handeln, aber nicht nur auf den anderen zu blicken, sondern auf sich selbst. Wir wissen, dass wir das global zu bewältigen haben, aber wir können global keine Lösungen erreichen und erwarten, wenn wir nicht selbst vorangehen, wissend, dass wir eben wesentlich mehr CO2 pro Kopf emittieren als die Entwicklungsländer und dass wir das schon über viele Jahre zuvor gemacht haben. Also wir müssen schon die Signale geben und das ist angekommen auch Dank einer sehr engagierten Berichterstattung in den Medien, auch Dank der wissenschaftlichen Unterstützung auf diesem Gebiet, die auch in Deutschland sehr, sehr gut und sehr zielgerichtet gewesen ist.

    Heinlein: Ist dieses veränderte Bewusstsein des einzelnen Menschen über die Notwendigkeit einer veränderten Klimapolitik jetzt auch eine Chance für die Regierungsverantwortlichen, unpopuläre Maßnahmen etwa Einschränkung der Mobilität, Einschränkung von Flügen, von Autofahrten und so weiter tatsächlich in die Tat umzusetzen?

    Töpfer: Es ist zunächst einmal die klare Herausforderung, das was geändert werden muss, ohne dass man sich in seinem Wohlbefinden einschränkt, zu tun. Es ist ja keine Einschränkung des Wohlbefindens, wenn wir alles daran setzen, dass die Verkehrsflüsse besser laufen, dass wir nicht im Stau stehen und dabei sinnlos CO2 emittieren. Es ist keine Problematik, wenn wir uns überlegen, wie müssen wir unsere Städte ändern, wie müssen wir es erreichen, dass wir nicht mehr Parkplatzsuchverkehr in den Städten haben, als wirklich die Mobilität der Bevölkerung zu befriedigen? Was können wir tun, um sehr viel attraktivere öffentliche Personennahverkehrs-Kapazitäten umzusetzen, attraktiv zu machen?

    Alles dies sind Dinge, die jetzt wirklich mit der breiten Unterstützung der Bevölkerung glaube ich gemacht werden können, und das gilt genauso mit der Information. Wir müssen wissen: Was kostet es, wenn wir das Standby-Licht laufen lassen? Was tun wir falsch, wenn wir bestimmte energiefressende Konsumgüter kaufen, vom Kühlschrank bis hin zu Elektroartikeln welcher Art auch immer? Da gibt es sehr viele unterschiedliche Modelle. Können wir nicht so etwas wie die Auszeichnung auch des CO2-Verbrauchs haben? Wir brauchen also den informierten Konsumenten und ich glaube der wird sehr, sehr genau darauf reagieren. Wir haben das an vielen anderen Stellen auch gesehen. Niemand hat doch mal geglaubt, dass alle Bürgerinnen und Bürger in Deutschland getrennt ihre Abfälle sammeln. Nun kann man das permanent sehen. Wir haben mehrere Tonnen vor unseren Türen. Wir sammeln das in gelben Säcken. Unsere Recycling-Quote ist weltweit die höchste. Das sind tolle Erfolge mit der Bevölkerung und das ist keine Einschränkung, sondern eine Chance, auch mit den Ressourcen dieser Welt sinnvoller umzugehen.

    Heinlein: Aber diesen informierten Konsumenten, den Sie gerade genannt haben, Mülltrennung etc., den gibt es ja vor allem bei uns in Deutschland und in Teilen Westeuropas. In Ländern wie den USA oder gucken wir auf China, Indien und andere Entwicklungsländer ist dieses Bewusstsein ja noch nicht so vorhanden.

    Töpfer: Ich würde auch etwas vorsichtig argumentieren. Wir sind sehr großzügig in der Beurteilung anderer. Wenn ich sehe, dass gestern der Supreme Court in den Vereinigten Staaten entschieden hat, dass die Umweltbehörde dort natürlich auch Maßnahmen bezüglich der Klimagasentwicklung machen kann, das ist eine wirklich fast sensationelle Entscheidung. Wenn wir sehen, welche Aktivitäten dort in Gang gekommen sind. Gehen Sie einmal nach Kalifornien und da haben Sie nicht den Eindruck, dass dort klimaunbewusste Bürger sind oder dass der dortige Gouverneur Schwarzenegger sich dieses Thema nicht massiv vorgenommen hat. Vieles geschieht also auch dort und wir sollten das gemeinsam unterstützen. Da bin ich auch ganz sicher, dass die amerikanische Administration sehr schnell dazu kommt, mehr zu tun, denn es ist ja auch für die Sicherung des Wirtschaftsstandorts entscheidend. Die Volkswirtschaft wird gewinnen, die am schnellsten aus diesen fossilen Energieträgern weiter rauskommt, die weniger Kohlenstoff in ihrer Energieversorgung hat, die dieses auch einsetzt in die entwicklungspolitische Zusammenarbeit. Das sind große Chancen für eine Wirtschaft und nicht eine Belastung.

    Heinlein: Sie haben die USA genannt. Wie steht es um Länder wie China oder Indien?

    Töpfer: Wir sehen dort natürlich ein völlig anderes Entwicklungsniveau. dass die Menschen dort wirtschaftliche Entwicklung brauchen, um auch ihre Armutsprobleme zu überwinden, das ist in unserem eigenen Interesse mit, denn wir werden nicht so etwas wie eine Festung Wohlstand Europa haben können. Wir sehen jetzt bereits, wie diese Wanderungsströme das aufgreifen, und das nur abzutun mit Wirtschaftsflüchtlingen, ist etwas zu knapp. Das heißt wir müssen schon daran Interesse haben, dass auch diese Länder eine Entwicklung haben, und wir müssen unsere Möglichkeiten im technologischen Bereich in der Zusammenarbeit nutzen, um diesen Wachstums- und Entwicklungsprozess der Wirtschaft dort so zu gestalten, dass er eben nicht dieselben Fehler hat wie er bei uns lange Zeit gehabt hat, so dass wir mit effizienteren Methoden dort vorgehen können.

    Ich glaube das ist ja auch wiederum im eigenen Interesse dieser Länder, denn Energie kostet Geld und wo man besser damit umgehen kann, wo man heimische Energien wie Sonne, Wind, Erdwärme nutzen kann, spart man sich auch noch Devisen. Das sind Dinge, die sich mit unterstützen und die sicherlich dringlich mehr Forschung und mehr Anwendungsnotwendigkeit bei uns brauchen, damit wir das auch weitertragen können zu anderen.

    Heinlein: Der ehemalige Direktor des UN-Umweltprogramms Klaus Töpfer war das heute Morgen hier im Deutschlandfunk. Ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören!

    Töpfer: Danke Ihnen auch herzlich. Auf Wiederhören!