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"Wir sehen keinen Reformbedarf"

Im Zuge der Hoeneß-Affäre wollen SPD und Grüne die strafbefreiende Selbstanzeige in Steuerangelegenheiten nur noch für Bagatellfälle gelten lassen. CDU-Finanzexperte Klaus-Peter Flosbach möchte dagegen am bestehenden Modell festhalten - dieses habe sich in Deutschland bewährt.

Klaus-Peter Flosbach im Gespräch mit Silvia Engels | 24.04.2013
    Dirk Müller: Der Fall Uli Hoeneß hat die Diskussion hierzulande um die Steuerpolitik und die möglichen Konsequenzen neu entfacht. War es richtig, das Steuerabkommen mit der Schweiz scheitern zu lassen? Muss die Amnestie bei Selbstanzeigen wegfallen? Meine Kollegin Silvia Engels hat darüber mit Klaus-Peter Flosbach gesprochen, er ist finanzpolitischer Sprecher der Unionsfraktion.

    Silvia Engels: Soll die Möglichkeit bleiben, sich in Steuersachen selbst anzuzeigen, um der Verurteilung wegen einer Straftat zu entgehen?

    Klaus-Peter Flosbach: Die strafbefreiende Selbstanzeige hat sich in Deutschland bewährt. Wenn jemand die Erkenntnis hat, dass er Unrecht getan hat, dann kann er sich gegenüber dem Finanzamt erklären. Er zahlt die Steuern für zehn Jahre nachträglich und bekommt noch auf alle Zahlungen einen Strafzins von sechs Prozent obendrauf. Und wir haben in der Koalition von CDU/CSU und FDP dieses Thema verschärft. In der Vergangenheit war es so, bis vor zwei Jahren: Man konnte auch eine Teilanzeige tätigen. Heute geht es nur, wenn man lückenlos alle Konten darlegt, und man kann auch nicht mehr warten, bis der Ermittler vor der Tür, auf der Türschwelle steht und sich dann noch anzeigen. Wenn Verdächtigungen bestehen oder über CDs Informationen gekommen sind, dann ist der Fall erledigt, dann kann er sich nicht mehr selbst anzeigen, dann unterliegt er dem Strafrecht sofort.

    Engels: Also sehen Sie keinen Reformbedarf?

    Flosbach: Wir sehen keinen Reformbedarf, weil wir ja gerade dieses Gesetz verschärft haben. Die Lücken bei der strafbefreienden Selbstanzeige haben wir ja entdeckt. Diese Lücken waren eben darin bestehend, dass man sich nur teilweise offenbaren musste. Das haben wir jetzt geschlossen und das kann möglicherweise bei aktuellen Fällen auch eine Rolle gespielt haben.

    Engels: Die SPD will aber weitergehen. Sie scheint, sich nun auf den Kurs verständigen zu wollen, diese Regelung nur noch auf Bagatelldelikte anwenden zu wollen und ansonsten diese Möglichkeit gar nicht mehr zu erlauben. Warum ist das so schlecht?

    Flosbach: Derzeit prahlt die SPD natürlich damit, dass man über CDs nicht nur einige Steuersünder fängt, sondern vor allen Dingen dass sich viele durch diesen Druck selbst anzeigen. Erst dadurch kommt ja das viele Geld in die Kasse hinein. Wenn wir das alles auf Dauer immer nur dem Zufall überlassen, dass jemand entdeckt wird, dann wird das nie dazu führen, dass die Steuersünder auch einer gerechten Zahlung entgegengehen – ich rede noch gar nicht von der Strafe, das wäre eine andere Sache. Aber unser Ziel bei dieser Regierung war es ja, lückenlos in einigen Ländern alle Steuersünder zu erfassen.

    Engels: Aber in keinem anderen Straftatbestand ist es möglich, durch Selbstanzeige aus der Strafe herauszukommen. Ist diese Möglichkeit der Selbstanzeige noch zeitgemäß?

    Flosbach: Wir diskutieren die Selbstanzeige ja immer bei Vergehen mit privaten Kapitalien. Es ist in der Wirtschaft übrigens durchaus üblich, beim Tagesgeschäft etwa, dass falsche Erklärungen, beispielsweise weil Umsatzsteuer versehentlich in Betrieben falsch gebucht wurde oder anders dargestellt wurde, dem Finanzamt gemeldet werden, und das sind auch Selbstanzeigen. Es ist also nicht etwas Ungewöhnliches, eine Selbstanzeige im Wirtschaftsleben in Deutschland, sondern es passiert sehr, sehr häufig auch im Wirtschaftsleben allgemein.

    Engels: Kritiker der Selbstanzeige monieren, dass es sehr stark von der Fähigkeit des eigenen Anwalts abhänge, ob der die Anzeige gut zu formulieren versteht, ob diese Selbstanzeige dann auch wirklich wirksam wird. Das heißt, der, der sich den besten Anwalt leisten kann, der geht straffrei aus?

    Flosbach: Ein Anwalt oder ein Steuerberater, der dahinter steht, muss selbstverständlich alle Pflichten erfüllen und man muss schon sehr, sehr penibel sein, wenn man heute die strafbefreiende Selbstanzeige tätigt. Da muss man schon aufpassen, dass man keine Fehler macht. Vor allen Dingen muss man daran denken, dass man nichts vergisst, und das ist eine Problematik, die kann durchaus in der Praxis eine Rolle spielen. Aber wir erwarten von denjenigen, die eine Strafbefreiung erhalten, dass sie auch alles deklarieren und alles nachzahlen und alles entsprechend verzinsen.

    Engels: Schauen wir noch einmal auf den Fall Uli Hoeneß, der ja derzeit Anlass dafür war, dass diese ganze Thematik wieder so emotional diskutiert wird. Es ist derzeit unklar, ob die Selbstanzeige von ihm noch rechtzeitig kam, oder die Steuerbehörden ihm vorher auf die Spur kamen. Nach Meldungen der "Süddeutschen Zeitung" ist Hoeneß im März vorläufig festgenommen worden und kam demnach nur auf Kaution wieder frei. Ist das ein Indiz, dass seine Selbstanzeige zu spät kam?

    Flosbach: Ja, sofern ich das beurteilen kann, würde ich diesem schon zustimmen, dass hier irgendwelche Dinge gelaufen sind, die nicht üblich sind im Rahmen einer strafbefreienden Selbstanzeige. Denn die Ermittler dürfen zu diesem Zeitpunkt noch keinen Verdacht und keine Hinweise auf eine Steuerhinterziehung haben. Liegt dieser Verdacht vor, oder sind Informationen vorrätig, dann ist natürlich jegliche Möglichkeit einer Selbstanzeige nicht mehr gegeben.

    Engels: Die Verhaftung kam nach der Selbstanzeige, die ja schon im Januar kam. Aber es bleibt trotzdem ungewöhnlich, oder?

    Flosbach: Es bleibt ungewöhnlich, aber es weist darauf hin, dass den Ermittlern weitere Informationen vorlagen. Das können auch weitere Konten sein, das können auch andere Geschäfte gewesen sein, das ist sehr schwierig, von außen zu beurteilen. Aber auf jeden Fall ist das ein besonderer Fall, der – so haben mir Steuerjuristen gesagt – nicht üblich ist.

    Engels: Im Zusammenhang mit der Frage, was wann im Fall Hoeneß in Bayern wem bekannt war, verlangt die Opposition auch Auskünfte vom bayerischen Ministerpräsidenten Seehofer. Sie auch?

    Flosbach: Ich verlange von Seehofer keine Informationen, denn er ist ja nicht im Detail informiert. Dass ein Finanzminister von seinen Behörden Informationen bekommt, dass ein Verdacht gegen jemanden vorliegt, denn zu diesem Zeitpunkt wird ja bereits ermittelt, dann hat das ja nichts mit den Informationen zu tun, die der Regierung anhand gegeben werden. Also es ist ein politischer Angriff auf den Ministerpräsidenten, das ist aber eher mit der Wahl zu bewerten.

    Müller: Meine Kollegin Silvia Engels im Gespräch mit dem finanzpolitischen Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Klaus-Peter Flosbach.


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