Donnerstag, 28. März 2024

Archiv


"Wir sind jetzt die, die aufräumen"

Eine Regierung, die die Makroökonomie für alle Staaten der Euro-Zone definiere, lehne die CSU ab, so der EU-Parlamentarier Marcus Ferber. Die Staaten, die bisher ordentlich gewirtschaftet hätten, würden dadurch abgestraft werden, so der CSU-Politiker weiter.

Marcus Ferber im Gespräch mit Peter Kapern | 29.08.2011
    Peter Kapern: Wolfgang Schäuble, Norbert Röttgen, Ursula von der Leyen, es sind Schwergewichte der CDU, die sich jetzt in einer Art europapolitischer Vorneverteidigung üben. Gegen die nationale Wagenburg-Mentalität, die in der Koalition grassiert, setzen sie auf Offensive, auf mehr Integration, kurz gesagt auf mehr Europa. "Wir werden voranschreiten, oder zurückfallen!" Auf diese simple Alternative brachte es Wolfgang Schäuble, Norbert Röttgen warb für eine neue Dimension der Integration und Ursula von der Leyen gab als Zielmarke die Vereinigten Staaten von Europa aus. Das klingt völlig anders als die Argumente, die von Unions-Politikern aus der nationalen Wagenburg zu hören waren und zu hören sind. Keine Frage: die Union und mit ihr vielleicht das gesamte Land steht vor einer tief greifenden Europadebatte.

    Keine zwei Wochen ist es her, da haben Angela Merkel und Nicolas Sarkozy also versucht, einen gemeinsamen Ausweg aus der Schuldenkrise zu entwerfen. Auf eine Wirtschaftsregierung haben sie sich verständigt, auf die Installierung eines europäischen Finanzministers. Möglicherweise können sie sich aber die Mühe sparen, ihr Konzept den übrigen Mitgliedern der Europäischen Union schmackhaft zu machen, denn aus Bayern droht ein Veto. Keine Wirtschaftsregierung, kein europäischer Finanzminister, so wird es die CSU heute Nachmittag wohl beschließen. Und bei uns am Telefon ist nun Marcus Ferber, Chef der CSU-Abgeordneten im Europaparlament und Mitglied des CSU-Präsidiums. Guten Tag, Herr Ferber!

    Marcus Ferber: Ja guten Tag, Herr Kapern!

    Kapern: Herr Ferber, hat Deutschland jetzt endlich eine relevante Anti-Europa-Partei, die CSU?

    Ferber: Also bitte! Jetzt lassen Sie doch die Kirche im Dorf! Wir sind keine Anti-Europa-Partei, sondern die CSU ist die Partei, die den europäischen Prozess von Anfang an aktiv mitgestaltet hat. Aber wir sind natürlich auch die, die darauf achten, dass das, was vereinbart wurde, auch eingehalten wird, und dass wir nicht einen schleichenden europäischen Superstaat bekommen. Genau darum geht es in diesen Tagen.

    Kapern: Nun hat ja Friedrich Merz gerade in diesem Interview-Auszug, den wir gehört haben in dem Beitrag von Gerhard Schröder, erläutert, dass die EU dringend eine Koordinierung ihrer Haushalts- und Finanzpolitik benötigt. Was also hat die CSU gegen die Wirtschaftsregierung?

    Ferber: Also ich glaube, wir müssen die Begriffe mal ein bisschen sortieren.

    Kapern: Bitte schön!

    Ferber: Eine Wirtschaftsregierung im Sinne einer Regierung, die die Makroökonomie für alle Staaten der Eurozone definiert, lehnen wir ab.

    Kapern: Das heißt, es macht jeder weiter, was er will?

    Ferber: Ein halbjähriges Treffen - lassen Sie mich doch kurz ausreden! -, ein halbjähriges Treffen derer, die am Euro teilnehmen, die in ihrer souveränen Verantwortung sich abstimmen, das unterstützen wir. Aber was wir eben nicht wollen ist, dass das der Einstieg in eine Komplettübertragung der kompletten Makroökonomie, also der Steuerung der Fiskal-, der Haushalts-, der Sozialpolitik auf die europäische Ebene ist. Genau das kann nicht der Preis sein, den wir für den Euro zahlen.

    Kapern: Aber das Verfahren, das Sie einfordern, also das intergouvernementale Abstimmen der Regierungschefs untereinander, hat ja bislang einfach nicht funktioniert! Die haben sich verabredet auf den Gipfeln - es ist ja nicht so, als würden Merkel und Sarkozy mit ihrem Vorschlag nun Gipfeltreffen erfinden, die hat es ja schon vorher gegeben -, anschließend hat dann aber doch jeder immer gemacht, was er wollte.

    Ferber: Sie müssen ja unterscheiden zwischen einem 27er-Gipfel - das sind die, die es bisher gegeben hat - und einem 17er-Gipfel, nämlich der Staatslenker, die in der Eurozone sind. Die hat es bisher nicht gegeben. Und das zweite ist natürlich schon die Frage: erreichen sie bessere wirtschaftliche Konvergenz dadurch, dass sie zentral planen, oder dass sie im Wettbewerb die Volkswirtschaften miteinander stehen lassen, und Europa hat sich für das Wettbewerbsmodell entschieden. Der Binnenmarkt ist ein Wettbewerbsmodell und nicht ein Vereinheitlichungsmodell. Das heißt, wir sind auf der Grundlage dessen, was in Europa über 50 Jahre erfolgreich praktiziert wurde.

    Kapern: Aber der Erfolg sieht ja auch so aus, dass Griechenland im Prinzip bankrott ist und am Rande steht?

    Ferber: Ja gut, aber in Griechenland sind auch extreme Fehler gemacht worden, von der rot-grünen Bundesregierung, die Griechenland zu Unrecht in den Euro mit aufgenommen haben, von der rot-grünen Bundesregierung, die den Stabilitäts- und Wachstumspakt aufgeweicht hat, so dass Griechenland hinter Frankreich und Deutschland seine Schuldenpolitik weiterführen konnte. Wir sind jetzt die, die aufräumen, wir sind jetzt die, die den Stabilitäts- und Wachstumspakt ändern, verschärfen, deutlich stärken, und - das gehört ja auch zu der ganzen Diskussion mit dazu - wir sind die, die darauf achten werden, dass ein Land wie Griechenland seine Haushaltssituation wieder in den Griff bekommt, und von daher glaube ich nicht, dass man uns vorwerfen muss, dass wir zu wenig tun würden.

    Kapern: Aber die CSU war schon für die Aufnahme von Italien, Spanien und Portugal in den Euro, oder? Und die Länder haben ja auch Probleme.

    Ferber: Ja, aber noch mal: Das Land, das uns am meisten Probleme bereitet, ist Griechenland. Das ist unbestritten. Wer heute anfängt, Italien, Spanien schlecht zu reden, der erweist dem Euro ja keinen positiven Dienst, und ich habe nicht den Eindruck, dass das aus der CSU massiv befördert wird. Portugal ist in einer etwas schwierigeren Situation als andere, ist aber durchaus in der Lage, die Verpflichtungen zu erfüllen, und die neue Regierung hat auch angekündigt, alle eingegangenen Versprechungen einzuhalten. Ich bin da sehr optimistisch. Und deswegen sollten wir uns auf Griechenland konzentrieren, und in Griechenland ist alles falsch gemacht worden, was nur falsch zu machen ist.

    Kapern: Herr Ferber, eine ganze Reihe von Unions-Politikern, unter anderem auch Friedrich Merz, den wir ja eben gehört haben, haben gesagt, als damals die Währungsunion eingeführt wurde, da war klipp und klar, dass die Währungsunion unbedingt auch die politische Union nach sich ziehen muss. Geht die CSU zu dieser klaren Erkenntnis jetzt auf Distanz?

    Ferber: Also da möchte ich ja auch mal darauf hinweisen, dass wir mit dem Lissabon-Vertrag auf dem Weg zur politischen Union große Fortschritte erzielt haben, und die CSU hat den Vertrag von Lissabon ja auch mit ratifiziert. Also bitte stellen Sie uns jetzt nicht in eine Ecke, wo wir nicht hingehören. Die politische Union ist eine etwas schwierigere Geschichte. Ich möchte auch darauf verweisen, dass das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zum Lissabon-Vertrag vom 30. Juni 2009 Eckpunkte staatlicher Souveränität definiert hat, die nicht über ein parlamentarisches Ratifikationsverfahren auf die europäische Ebene übertragen werden dürfen ...

    Kapern: ... , aber wohl durch eine Volksabstimmung.

    Ferber: Es geht nur, so sagt das Verfassungsgericht, auf der Grundlage des Artikels 146 des Grundgesetzes mit einer Volksabstimmung. Das heißt aber auch, dass das Verfassungsgericht hier strenge Schranken gewiesen hat. Das ist kein CSU-Thema, sondern das ist etwas, was die Politik in Deutschland, egal wer an der Regierung ist, zu beachten hat, und dass wir das besonders ernst nehmen, schadet ja der ganzen Diskussion nicht.

    Kapern: Ja, aber wenn man jetzt den Weg öffnen würde und sagen würde, genau das ist es, woran wir arbeiten, das würde dann doch vielleicht die Perspektive zur Stabilisierung der EU bieten?

    Ferber: Nein, weil das würde genau das bedeuten, dass die, die bisher die Schulden gemacht haben, diese vergemeinschaftet bekommen, die, die bisher ordentlich gewirtschaftet haben und noch eine gute Bonität auf den Finanzmärkten haben, dafür abgestraft werden würden. Genau das war nie das Modell der Europäischen Union und deswegen kann jetzt nicht über die Hintertür etwas geschaffen werden, was nicht wirklich dazu beiträgt, Stabilität zu machen. Es wird doch keiner behaupten wollen, dass die Griechen, die ja schon mal quasi auf Euro-Bonds-Bedingungen sich Geld leihen konnten, plötzlich sparsam werden, wenn sie dauerhaft sicher sein können, zu niedrigen Zinsen Geld aufnehmen zu können. Und genau das wäre die Gefahr, die hier im Prinzip der Fall wäre. Man muss wirklich ein Haus vom Fundament her aufbauen, und das Fundament heißt, zunächst mal müssen alle ihre nationalen Haushalte in den Griff bekommen und dann wird man weitere Mauern errichten können im Bereich einer politischen Union, aber bitte nicht mit dem Dachdecken anfangen, wenn das Fundament noch nicht steht.

    Kapern: Die CSU ist also gegen die Transferunion. Aber, Herr Ferber, gehört nicht zur Wahrheit auch dazu, dass Deutschland 60 Prozent seiner Exporte in die EU tätigt, dass Deutschland jahrzehntelang Exportweltmeister war? Daraus kann man doch schließen, dass die Kredite, die Griechen, Spanier, Italiener aufgenommen haben, in den Kassen deutscher Unternehmen gelandet sind.

    Ferber: Aber die Wahrheit ist auch, dass zu Beginn des Euro die südeuropäischen Länder wettbewerbsfähiger waren als die Bundesrepublik Deutschland, dass sie die Vorteile daraus nicht genutzt haben, sondern in den Schlendrian verfallen sind, während wir Deutsche Anstrengungen unternommen haben mit einer Reihe von Reformen im Sozialsystem, die Hartz-IV-Gesetzgebung, die ich nur mal in dem Zusammenhang nennen möchte, die Verlängerung der Lebensarbeitszeit, die in Deutschland eingeführt wurde, die Zurückhaltung der Tarifparteien bei der Lohnfindung, die ich hier erwähnen möchte. Deutschland hat Wettbewerbsfähigkeit gewonnen, weil wir uns diesem härteren Wettbewerb im Euro gestellt haben. Uns jetzt dafür zu bestrafen und die zu belohnen, die zunächst die Profiteure waren und dann gesagt haben, wir brauchen dem Wettbewerb uns nicht mehr stellen, das wäre ja eine Verkehrung dessen, was das Grundprinzip der Europäischen Union ist, nämlich die soziale Marktwirtschaft. Und das heißt, die Länder, die Wettbewerbsfähigkeit verloren haben, müssen Anstrengungen unternehmen, um sie wieder zurückzugewinnen.

    Kapern: Marcus Ferber war das, der Chef der CSU-Abgeordneten im Europaparlament, heute Mittag im Deutschlandfunk. Herr Ferber, schönen Tag noch. Danke!

    Ferber: Danke, Herr Kapern. Auf Wiederhören!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

    Mehr zum Thema:

    Sammelportal : Euro in der Krise