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"Wir wissen, dass einige Bereiche bis zu 50 Meter nach Osten versetzt wurden"

Geologie.- Japanische und deutsche Erdbebenforscher wollen an jener Stelle im Pazifik Messgeräte ausbringen, an der vor einem Jahr die Erde bebte. Professor Gerold Wefer, Direktor des Zentrums für marine Umweltwissenschaften der Uni Bremen, ist mit an Bord des Forschungsschiffes.

Gerold Wefer im Gespräch mit Jochen Steiner | 06.03.2012
    Jochen Steiner: Vor fast genau einem Jahr löste ein schweres Erdbeben vor der japanischen Küste eine Katastrophe aus. Ein riesiger Tsunami kostete Tausende Menschen das Leben. Im Atomkraftwerk Fukushima kam es zum GAU. Nun wollen japanische und deutsche Erdbebenforscher an der Stelle im Pazifik Messgeräte ausbringen, wo vor einem Jahr die Erde bebte. Deshalb liegt das deutsche Forschungsschiff "Sonne" im Hafen von Yokohama. In wenigen Tagen soll die Expedition beginnen. Vor der Sendung habe ich Professor Gerold Wefer an Bord des Schiffes erreicht. Er ist Direktor des Zentrums für marine Umweltwissenschaften an der Uni Bremen und ich habe ihn zunächst nach den Zielen des Projekts gefragt.

    Gerold Wefer: Wir wollen untersuchen, welche Auswirkungen das Erdbeben und auch der Tsunami auf den Kontinentalhang gehabt hat. Also wir wissen, dass einige Bereiche bis zu 50 Meter nach Osten versetzt wurden und auch der Meeresboden um bis zu zehn Meter angestiegen ist. Das sind aber jetzt Einzelmessungen und wir wollen ein größeres Bild bekommen. Und das ist eines der Hauptziele.

    Steiner: Um diese Daten zu sammeln, sind ja diverse Instrumente nötig, die dort im Meer ausgebracht werden. Was sind das für Instrumente?

    Wefer: Einmal benutzen wir natürlich Geräte, die im Schiff eingebaut sind. Und mit ähnlichen Geräten haben die Japaner 1999 und 2004 den Meeresboden vermessen. Und wir fahren jetzt die gleichen Kurse wieder ab. Und aus dem Vergleich diese Messung sehen wir dann, wie der Meeresboden sich verändert hat.

    Steiner: Jetzt sind sie auf dem Schiff und können einige Instrumente von dort aus bedienen - unter anderem auch einen Tauchroboter. Wozu ist der denn da?

    Wefer: Also es gibt Messgeräte am Meeresboden, die noch nicht geborgen worden sind, weil sie auch vielleicht durch das Erdbeben mit Sediment teilweise zugeschüttet wurden. Und die versuchen wir zu bergen. Dann gibt es dort Bohrungen. In diesen Bohrungen hängen Messgeräte und da fehlen aber noch die Registriereinheiten und die werden wir installieren. Das ist auch dafür gedacht, wenn jetzt erneut Erdbeben auftreten, dass diese registriert werden. Und wir werden auch ganz bestimmte Stellen aufsuchen, an denen Rissen aufgetreten sind, an denen sehr, sehr Bewegungen stattgefunden haben. Und das ist auch am Meeresboden dokumentiert. Und das können wir mit diesen Tauchrobotern sehr gut untersuchen.

    Steiner: Diese ganzen Instrumente, die dort unten sind oder die sie auch noch runter bringen: Welche Daten liefern diese Instrumente und was können Sie mit diesen Daten dann anfangen?

    Wefer: Die wesentlichen Messgeräte sind Seismometer und Drucksensoren. Mit denen kann man die Erdbeben, also die Erschütterungen feststellen. Und mit den Drucksensoren kann man die Entwicklung von Tsunamiwellen registrieren. Die werden am Meeresboden mit Gewichten platziert. Und diese Gewichte werden dann ausgelöst und die schwimmen dann auf. Es hat aber nicht funktioniert und deshalb müssen wir mit unseren Tauchrobotern runterfahren und diese Geräte suchen, um an diese wertvollen Daten heranzukommen.

    Steiner: Das heißt, wenn ich Sie richtig verstehe: Diese Daten sind dazu da, Erdbeben, die passieren, besser zu verstehen, aber nicht dazu da, Erdbeben vorauszusagen?

    Wefer: Erdbeben kann man nicht voraussagen. Man kann jetzt nur durch diese Untersuchung feststellen, wie ein Erdbeben abgelaufen ist - in welchen Tiefen, unter welchen Bedingungen. Und dann kann man vielleicht folgern, dass in ähnlichen Situationen Erdbeben irgendwann auftreten. Aber man kann die Erdbeben nicht vorhersagen.

    Steiner: Das ist ja genau das Gebiet, wo vor einem Jahr das große Erdbeben stattfand. Haben Sie da nicht so ein bisschen ein mulmiges Gefühl, dort jetzt genau zu arbeiten?

    Wefer: Auf See ist man dann sehr sicher. Da passiert ja nichts, da wird es vielleicht eine Welle geben. Wenn, dann müsste man hier in Tokio beunruhigt sein, weil natürlich Tokio als riesige Stadt dann auch von so einem Erdbeben betroffen sein kann. Also da ist es an Land gefährlicher als auf See.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.