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"Wir wollen unsere Türen offenhalten"

Bis 2020 sollen 350.000 junge Leute aus dem Ausland an deutsche Hochschulen gelockt werden. Das ist das Ziel der Strategie 2020 des Deutschen Akademischen Austauschdiensts. Wenn diese Studierenden und Wissenschaftler nach einem Aufenthalt in Deutschland wieder in ihre Heimat zurückgingen und dort das Wissenschaftssystem voranbrächten, sei das auch gut, sagt DAAD-Präsidentin Margret Wintermantel.

Margret Wintermantel im Gespräch mit Manfred Götzke | 15.04.2013
    Manfred Götzke: Wer nicht international aufgestellt ist, kann in der globalisierten Welt sofort einpacken. Das sagt nicht nur jeder Unternehmensberater, sondern auch so mancher Hochschulrektor. Auch die deutschen Hochschulen buhlen seit Jahren um die besten Köpfe aus der ganzen Welt, damit sie sich auch ein bisschen wie Oxford und Cambridge fühlen können. Und es funktioniert auch! Mehr als 200.000 Studierende aus China, Russland und natürlich den EU-Ländern tummeln sich auf deutschen Uni-Campi. Der DAAD, der Deutsche Akademische Austauschdienst, der hätte es gerne noch internationaler. Heute hat die Organisation, die wissenschaftlichen Austausch auf so ziemlich allen Ebenen fördert, ihre Strategie 2020 vorgestellt. Kernziel: Bis 2020 sollen 350.000 junge Leute an unsere Hochschulen gelockt werden. Darüber möchte ich mit Margret Wintermantel sprechen, sie ist Präsidentin des DAAD. Frau Wintermantel, Internationalität ist sicher prestigeträchtig, aber wie viel bringt die Internationalisierung, wenn die besten Köpfe nach dem Studium wieder nach Hause gehen?

    Margret Wintermantel: Wir wollen unsere Türen offenhalten für ausländische Studierende und Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, und wenn die bei uns bleiben wollen, dann ist es gut. Aber wenn sie wieder zurückgehen an ihre Orte und dort das Wissenschaftssystem, das Innovationssystem voranbringen, dann ist es auch gut! Wir haben es ja mit erwachsenen Menschen zu tun, die ihre Entscheidungen treffen.

    Götzke: Aber wie ist das volkswirtschaftlich zu betrachten, wenn man Leute mit einem Gratisstudium nach Deutschland lockt, die dann wieder nach Hause gehen?

    Wintermantel: Ich glaube, volkswirtschaftlich ist es in jedem Falle gut, wenn wir unsere Leute an ausländischen Studienorten zum Teil eben auch ausbilden lassen und ausländische Studierende zu uns kommen, weil das natürlich Freunde sind für Deutschland, die auch mit unserem Innovationssystem, mit unserem Wissenschaftssystem lange verbunden sind. Wir haben viele Beispiele aus aller Welt dafür, dass auch Ingenieure, die vor vielen Jahren bei uns ausgebildet worden sind … Ich habe neulich einen getroffen in Japan zum Beispiel und ich habe in China schon Leute getroffen, DAAD-Alumni, die bei uns studiert haben und die mit diesem Wissen woanders tätig sind und da aber doch enge Verbindungen zu Deutschland halten.

    Götzke: Deutschland ist ja schon heute für ausländische Studierende sehr attraktiv, das attraktivste nicht englischsprachige Hochschulland. Könnte das auch daran liegen, dass im Gegensatz zu Harvard oder MIT hier keine 20.000 Dollar Studiengebühren pro Semester anfallen?

    Wintermantel: Das ist natürlich eine Frage, die man sich stellen muss. Wir haben keine Studienbeiträge und wir haben Hochschulen, die trotzdem bereit sind, ausländische Studierende aufzunehmen, weil sie die Bedeutung dieser Internationalität sehr hoch einschätzen. Natürlich meinen wir, es wäre wichtig, dass die Hochschulen auch entsprechend ausgestattet sind, um den ausländischen und den inländischen Studierenden die besten Bedingungen zu bieten.

    Götzke: Nun hat man aber trotzdem den Eindruck, dass die Bereitschaft ein wenig zu sinken scheint, bei den Hochschulrektoren, die unter Überfüllung leiden, die Überfüllung managen müssen, die Unterfinanzierung. Können Sie es da verstehen, dass einige Hochschulrektoren Skepsis an einer weiteren Internationalisierung anmelden?

    Wintermantel: Also, ich habe das bis jetzt noch nicht gespürt, im Gegenteil. Wir haben ja dieses große Programm mit brasilianischen Studierenden, die von Brasilien ihre Stipendien haben, und der DAAD managt ja dieses Programm. Und dort ist es schon so, dass die deutschen Hochschulen Interesse bekunden. Die werden ja da nicht hingezwungen, sondern die deutschen Hochschulen haben Interesse daran, ausländische Studierende zu haben, weil sie wissen, dass Internationalisierung eine ganz wichtige Sache ist. Wir brauchen weltoffene Strukturen.

    Götzke: Nun haben wir erst letzte Woche darüber berichtet, dass manche künstlerische Hochschulen nun Studiengebühren für Nicht-EU-Studierende einführen. Was halten Sie davon?

    Wintermantel: Ich kann das verstehen, aber ich meine, wenn man das tut, muss man natürlich dafür sorgen, dass entsprechende Stipendien auch möglich sind. Dass es ein Stipendiensystem gibt, das ist wirklich wichtig.

    Götzke: 130.000 deutsche Studierende gehen derzeit ins Ausland, Deutschland will nach Ihrer Strategie künftig dreimal so viele Plätze für ausländische Studierende bereitstellen. Inwieweit ist es Ihnen wichtig, dass es da einen gewissen Ausgleich gibt? Oder ist das Missverhältnis egal?

    Wintermantel: Also, wir möchten langfristig doch, dass jeder zweite deutsche Studierende studienbezogene Erfahrungen im Ausland macht. Wir denken, es ist wirklich wichtig, dass unsere jungen Leute nach draußen gehen und andere Kulturen kennenlernen, andere Lernstile kennenlernen, andere Perspektiven erfahren können. Zugleich wollen wir, dass ausländische Studierende zu uns kommen. Wir meinen auch, dass wir wirklich den Platz unter den führenden Gastländern für Studierende behalten sollten. Und so möchten wir, dass mehr Studierende von uns ins Ausland gehen, und wir möchten auch, dass mehr ausländische Studierende zu uns kommen.

    Götzke: Wie wollen Sie denn den deutschen Studierenden schmackhafter machen, ins Ausland zu gehen? Das Bachelorstudium wieder abschaffen?

    Wintermantel: Unsere Studierenden können ja während des Bachelorprogramms, aber auch zwischen dem Bachelor- und Masterprogramm die Hochschule wechseln. Sie sprechen einen Punkt an, der uns durchaus auch Sorgen macht, und da müssen wir sicher was tun, nämlich die Anerkennung der Studienleistungen. Es ist sehr wichtig, dass im Ausland erworbene Studienleistungen bei uns dann auch anerkannt werden, und da sind wir noch nicht wirklich zufrieden mit der derzeitigen Situation. Es ist …

    Götzke: Es ist ja tatsächlich so, wenn ich Sie da mal kurz unterbrechen darf, dass früher im alten Diplom- und Magistersystem mehr Leute ins Ausland gegangen sind, als jetzt in den Bachelorstudiengängen, obwohl das ja eigentlich erklärtes Ziel war.

    Wintermantel: Also, das sieht auch nicht ganz so aus. Je nach Indikator, je nach Statistik finden Sie Hinweise, dass die Mobilität zunimmt oder dass die Mobilität abnimmt. Wir haben …

    Götzke: Zumindest ist es nicht eindeutig.

    Wintermantel: Es ist nicht ganz eindeutig. Aber Tatsache ist, dass wir durch diese Zweistufigkeit in unserem Studiensystem es den Leuten leichter machen rauszugehen und es den Ausländern leichter machen, zu uns zu kommen.

    Götzke: Der Deutsche Akademische Austauschdienst will bis 2020 350.000 ausländische Studierende an unsere Hochschulen locken. Wie und warum, das erklärte uns Präsidentin Margret Wintermantel. Vielen Dank!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.