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Wird Lettland das neue Zypern?

Zypern hin, Eurokrise her - Lettland, der nächste Anwärter für die Eurozone, ist weiter wild entschlossen, der Währungsunion beizutreten. Brisant dabei: Es gibt zwischen Zypern und dem kleinen Land im Norden eine Menge Parallelen. Auch auf lettischen Konten rollt der Rubel.

Von Sabine Adler | 26.03.2013
    Wird Lettland das neue Zypern? Der Chef der Finanzaufsichtsbehörde in Riga weist diesen Gedanken zurück, das sei nicht wahr. Und doch fließt seit einem Jahr deutlich mehr Geld in das baltische Land als zuvor. Ministerpräsident Valdis Dombrowskis bereite das keine schlaflosen Nächte, erklärte er. Ausländisches Kapital sei flüchtiger als inländisches, deshalb werde es als Hochrisikoanlage bewertet, für die die Banken eine höhere Liquidität und mehr Eigenkapital nachweisen müssten.

    "Wir haben uns nicht als alternatives Investitionsziel angeboten", stellte der lettische Regierungschef klar. Trotzdem sind die Kapitaleinlagen deutlich gestiegen. Ausländischer Anleger, die zumeist aus Russland, der Ukraine oder Kasachstan stammen, haben 20 Prozent mehr auf lettischen Banken deponiert.

    Der Internationale Währungsfonds, der Lettland erst 2009 mit einem 800-Millionen-Kredit behilflich war, macht sich öffentlich Sorgen über den Anstieg dieser Sparbeträge aus dem Osten, die mittlerweile die Hälfte der Einlagen in lettische Banken überstiegen haben.

    Für Anfang Mai hat sich die Europäische Kommission angesagt, die sich Lettlands Vorbereitungen auf den Euro-Zonen-Beitritt anschauen möchte. Der Chef der Zentralbank Ilmars Rimsevics demonstriert volle Kooperationsbereitschaft:

    "Der Euro diente uns als Leitplanke, um die Maastricht Kriterien zu erfüllen, die nötigen Gesetze in Übereinstimmung mit der EU-Gesetzgebung zu bringen und für 2014 bereit zu sein, der Eurozone beizutreten."

    Die Kriterien hält Lettland seit vorigem Herbst ein, das Wirtschaftswachstum ist zwei Jahre in Folge das höchste in der EU.

    Aber von den insgesamt 17 Milliarden Euro, die auf den Konten der insgesamt 29 Banken in Lettland schlummern, haben 8,5 Milliarden Ausländer eingezahlt, 90Prozent kommen aus der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten GUS, also aus ehemaligen Sowjetrepubliken.
    Jeder dritte lettische Staatsbürger hat russische Wurzeln, Russisch versteht und spricht fast jeder, auch wenn es keine offizielle Amtssprache ist. Kurzum: Die ausländischen Sparer fühlen sich in Lettland fast wie Zuhause, was ganz im Sinne der lettischen Behörden ist.

    Sie erteilen sogar jedem, der in Riga 100.000 Lats, rund 140.000 Euro investiert oder 50.000 Lats auf dem Land, ein fünfjähriges Aufenthaltsrecht. Inklusive freier Reisemöglichkeit in den Schengen-Raum. Das erhöht Lettlands Attraktivität für die Investoren, die wiederum größtenteils aus den GUS-Staaten stammen. Allerdings stecken sie ihr Geld so gut wie nie in Produktionsanlagen, sondern fast immer in Immobilien.

    Wie viel mit der Zypernkrise in Bewegung geraten ist, zeigt sich bei der Rietumu-Bank. Sie hat vorige Woche ihre Öffnungszeiten verlängert, um die Anfragen von Kunden im Zusammenhang mit der Zypernkrise beantworten zu können, teilte die Bank mit.

    Ein Finanzexperte sagte gegenüber der Nachrichtenagentur AFP, dass der Geldfluss von Zypern bereits in vollem Gange sei. Kristaps Zakulis von der Finanzaufsicht beschwichtigt: Es würde alles sehr genau überwacht. Die Europäische Kommission wie auch der IWF warnen jedoch vor Geldwäsche.

    Die Letten sind vom Euro nicht abzubringen, Premier Valdis Dombrowskis zufolge bringt er mehr Vor- als Nachteile. Lettland werde als Euroland interessanter für Investitionen, Währungsrisiken fielen weg. Die lettischen Medien befassen sich mit der Zypernkrise erstaunlich unaufgeregt und wenig. Vielleicht, weil wir sind ein ziemlich provinzielles Land sind, erklärt der Sozialwissenschaftler Ivar Ijabs. Außerdem seien die Messen gesungen.

    Niemand hat seit dem Euroantrag vor drei Wochen eine erneute Umfrage durchgeführt, dafür hat keine Institution in dem 2 Millionen Einwohner großen Land genug Geld, sagt der Soziologe.

    Was geschieht, wenn die vielen Ausländer, die jetzt verstärkt ihr Geld in Lettland parken, dieses wieder abziehen, wagen die Finanz- und Wirtschaftsexperten in Riga nicht zu Ende zu denken. 2008 musste die größte Bank vor der Pleite gerettet werden, wobei der IWF half, 2011 ging die Sparkasse ein. Dass Lettland einen möglichen schnellen Richtungswechsel des Geldes schadlos übersteht, wird bezweifelt.