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"Wirklich ein wunderschönes Stück"

Eberhard Frey, Paläontologe am Staatlichen Museum für Naturkunde Karlsruhe, hält das in New York präsentierte, 47 Millionen Jahre alte Primatenfossil für einen besonders schönen und wichtigen Fund. Man solle davon allerdings nicht ein fehlendes Bindeglied zwischen Affen und Menschen erwarten. Frey begrüßt sehr, dass es nun der wissenschaftlichen Beschreibung zugänglich sei, nachdem das Fossil mehrere Jahre einem Privatsammler gehört hatte.

Eberhard Frey im Gespräch mit Uli Blumenthal | 20.05.2009
    Uli Blumenthal: Über diesen Fund habe ich mit Dr. Eberhard Frey, Paläontologe am Staatlichen Museum für Naturkunde Karlsruhe, gesprochen und ihn zunächst gefragt, ob dieser Fund wirklich so etwas wie das achte Weltwunder darstellt.

    Eberhard Frey: So Funde gibt es viele, die perfekt erhalten sind, aber es ist der erste komplette, wirklich schön erhaltene Primat, der immerhin ein Alter von 49 Millionen Jahren auf dem Rücken hat. Es ist schon was Besonderes.

    Blumenthal: Was zeichnet ihn aus gegenüber anderen Funden, anderen Fossilien?

    Frey: Die Grube Messel ist ja sehr bekannt dafür, dass Weichteilerhaltung zu finden ist, das heißt, Haut und Haare sind oft als Bakterienabdruck erhalten, dass Mageninhalte erhalten sind. Das ist wirklich ein wunderschönes Stück, da gibt es nichts. Ich bin allerdings kein Anhänger von Missing Links. Ich glaube nicht, dass man so was erkennen kann. Sondern das ist halt ein Wesen, das auf Basis der Tiere steht, die dann zum Schluss zu den Menschenartigen, zu den Hominiden evoluieren, ein paar Millionen Jahre später.

    Blumenthal: Dieses Fossil wurde in der Grube Messel bei Darmstadt gefunden von einem privaten Gräber oder Sammler, heißt es. Der hat es dann an die Wissenschaftler verkauft. Wie weit reicht das Thema Illegalität und wo beginnt die Legalität eigentlich bei diesem Fossil.

    Frey: Die Grube Messel speziell ist ein Sonderfall in vielerlei Hinsicht: Die Grube Messel wurde überwiegend von Privatsammlern bearbeitet, bevor die Wissenschaftler reingegangen sind. Die Privatsammlern haben zum Teil die Präpariermethoden entwickelt. Dann als die Wissenschaftler reingegangen sind, den Wert erkannt haben, wurde die Grube erst mal dichtgemacht. Und trotzdem operierten sehr viele Institute mit Hilfe von Privatsammlern, weil sie überhaupt nicht die Möglichkeit hatten, selber zu graben. Und über diese Privatsammler sind dann wieder diverse Funde abdiffundiert, und da die Rechtssicherheit zu dem Zeitpunkt, bevor die Grube Messel eigentlich gesichert war für die wissenschaftlichen Grabungen ...

    Blumenthal: Von welchem Zeitraum reden wir jetzt gerade, von welchen Jahren sprechen Sie jetzt gerade?

    Frey: Ich weiß jetzt nicht genau ... da wurde irgendwann ein Jahr festgelegt, Anfang der 80er Jahre, dass alles, was davor gefunden war, legalisiert war. Und das darf dann auch gehandelt werden, darf auch verkauft werden, darf besessen werden von Privatsammlern. Alles, was nach diesem Jahr gefunden wurde, ist illegal. Es ist unwahrscheinlich, dass in dieser Zeit Material abdiffundiert ist, weil da kam keiner mehr in die Grube rein.

    Blumenthal: Verfügen denn private Sammler oder private Gräber über die Möglichkeiten, ein solches Fossiel auch entsprechend zu lagern übe mehr als 20 Jahre, sodass die Wissenschaft dann damit auch wirklich noch arbeiten kann, oder ist das ein Zufall, den wir jetzt hier erleben.

    Frey: Nein. Die Grube Messel, da weiß man, dass die Fossilien, die man dort bergfrisch rausholt, zerfallen, wenn man sie nicht umbettet in Kunststoff. Sind die einmal in Kunststoff umgebettet, dann gilt, dass die Erhaltung praktisch zeitlos bleibt, es sei denn, der Kunststoff zerfällt irgendwann. Da gibt es keinerlei Erfahrungswerte. Aber alle Fossilien, die wir haben, aus der Zeit sind in bestem Zustand in ihrem Kunststoffbett. Genau dasselbe ist mit dem Primaten auch der Fall.

    Blumenthal: Und das ist für einen Sammler oder für einen interessierten Gräber dann auch möglich, diesen Kunststoff herzustellen und ein solches Fossil
    so zu sichern.

    Frey: Ja, das ist ganz normales Epoxidharz. Man muss sich vorstellen, man findet dieses Tier - das war bestimmt ein Privatsammler mit Erfahrung -, dann macht er ein Plastilinwännchen rum, nachdem er das Stück gesäubert hat, gießt da Epoxidharz rein, lässt es aushärten, spaltet den Schiefer ab, reinigt die Kunststoffplatte mit den Knochen drin. Der Kunststoff dringt nicht in den Schiefer ein. Die Knochen bleiben erhalten und fertig ist das Präparat.

    Blumenthal: Wenn es denn dann legal war vor dieser Entscheidung in den 80er Jahren: Welche Möglichkeiten, welche Chancen gibt es dann für die Rückführung dieses Fossils jetzt nach Deutschland? Wie sieht die rechtliche Situation aus?

    Frey: Die rechtliche Situation ist schwer zu beurteilen, weil es geht jetzt tatsächlich um das Stichjahr oder den Stichtag. Wann die Festlegung war, das weiß ich nicht auswendig. Wir arbeiten schon lange nicht mehr in Messel. Aber für mich ist der entscheidende Punkt, und das muss ich auch wirklich klipp und klar sagen: Das Stück ist in einem öffentlichen Museum gelandet. Damit ist es der wissenschaftlichen Beschreibung zugänglich, und kein Geringerer als Jens Lorenz Franzen, ein herausragender Wissenschaftler in Bezug auf die Beschreibung dieser Tiere, hatte die Möglichkeit, die Arbeit zu schreiben. Damit ist erst mal der Wissenschaft genüge getan. Was mit dem Besitzverhältnis ist, das wird zu klären sein. Ich bin aber der Überzeugung, dass wenn das Stück vor dieser Zeit gefunden wurde und es keine Nachweismöglichkeit gibt, bin ich persönlich damit zufrieden, dass es der wissenschaftlichen Gemeinde zur Verfügung steht.