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Wirtschaft
Altmaier verteidigt nationale Industriestrategie

Die deutsche Industrie hat ihre Kritik am Kurs von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier bekräftigt. Auf einem Kongress im Wirtschaftsministerium wurden harsche Vorwürfe gegen sein Strategiepapier zur Förderung der Wirtschaft laut. Doch Altmaier verteidigt seine Position und ist dabei nicht allein.

Von Theo Geers | 06.05.2019
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU)
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU): Sein Strategiepapier wird von der deutschen Wirtschaft heftig kritisiert (picture alliance / Shan Yuqi)
Ausgerechnet von der Wirtschaft, der Peter Altmaier beispringen will, bekommt der Wirtschaftsminister keine Zustimmung. Im Gegenteil: Die großen Industrieverbände scheinen auf die Gelegenheit geradezu gewartet zu haben, dem Minister öffentlich zu widersprechen. 136 Punkte umfasst allein ein Positionspapier des BDI zu der Industriestrategie, die Altmaier Anfang Februar vorgelegt hatte, und von der die deutschen Wirtschaft wenig bis nichts hält, zum Beispiel weil sie zu sehr auf Größe und Großunternehmen setze, so der zentrale Kritikpunkt von BDI-Präsident Dieter Kempf:
"Eine wirkungsvolle Industriestrategie muss die Wettbewerbsfähigkeit der gesamten Industrie im Fokus haben und darf den gerade für Deutschlands Wirtschaftskraft so wichtigen Bereich des Mittelstands dabei nicht aus dem Auge verlieren."
Kritikpunkte ohne Ende
Und im Stil von erstens, zweitens, drittens geht es dann weiter. Deutschland müsse für ausländische Investoren offen bleiben. Eine Ausweitung der Kontrolle dieser Investoren auf andere Schlüsselindustrien brauche es nicht, ebenso wenig eine staatliche Beteiligungseinrichtung, die im Zweifel deutsche Unternehmen übernimmt bevor diese ins Ausland verkauft werden. Die Haltung von BDI, DIHK, den Familienunternehmen oder der Auto- und Chemieindustrie ist klar: Die deutschen Unternehmen sind stark genug. Sie brauchen nur konkurrenzfähige Rahmenbedingungen! Da sollte der Staat anpacken, so Dieter Kempf:
"Damit meine ich zum Beispiel zu hohe Energiepreise, überzogene Rechtssetzung und Bürokratie, einen schleppenden Ausbau und schleppende Erneuerung der Infrastruktur, nicht nur der digitalen Infrastruktur, eine aus unserer Sicht schädliche Steuerpolitik und das Problem fehlender Fachkräfte.
Industriepolitik - ja bitte!
Doch es gibt auch Zuspruch für den Wirtschaftsminister. Der Markt allein könne es nicht richten. Das ist seit Jahrzehnten Grundüberzeugung bei der SPD und auch bei den Gewerkschaften. Deshalb heißt es von dort: Industriepolitik? Ja bitte – etwa beim IG-Metallvorsitzenden Jörg Hofmann:
"Wir brauchen eine aktive Industriepolitik, um wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel zu gestalten, so dass nachhaltig Wohlstand und gesellschaftlicher Zusammenhalt gestärkt wird."
Und Jörg Hofmann sagt auch gleich, wo der Staat aktiv werden sollte:
"Das gilt für die digitale Infrastruktur ebenso wie für die Kernkompetenzen der Mobilitäts- und Energiewende, also etwa der Batteriezellen-Fertigung, der Frage von Bahn- und Schienentechnologie oder erneuerbaren Energien. Marktradikaler Dogmatismus kann, so unsere Überzeugung, hier schnell in eine Sackgasse führen."
Die Suche nach dem Kompromiss
Positionen, die Altmaier nun zusammen führen muss. Sein Ziel ist unverändert: Eine deutsche Industriestrategie erst einmal zu schaffen und die dann in eine europäische einzubetten. Dafür muss und will Altmaier aber erst mal die Wogen, die er Anfang Februar mit seinem Papier ausgelöst hat, glätten.
"Wenn man einen Stein ins Wasser wirft, dann darf man sich hinterher nicht beklagen, wenn er Wellen schlägt."
Und so versichert der Wirtschaftsminister schon mal an erster Stelle, dass seine Strategie nicht nur auf Größe, sondern natürlich auf Stärke setze – und die sieht Altmaier auch und vor allem im Mittelstand, der bisher in seinem Strategiepapier kaum vorkommt.