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Wirtschaft
Frankreich bangt um Traditionskonzern Alstom

Alstom ist in Frankreich einer der wichtigsten Technologiekonzerne. Seit 40 Jahren steht das Unternehmen für den Hochgeschwindigkeitszug TGV, für die Werften am Atlantik, für den Bau französischer Kernkraftwerke. Jetzt ist ein Übernahmekampf entbrannt - mit Siemens als einem der Akteure.

Von Ursula Welter | 28.04.2014
    Die ersten Alstom-Mitarbeiter gingen am Wochenende auf die Straße, versammelten sich vor den Toren der Standorte in Paris und Belfort, brachten ihre Ängste zum Ausdruck, sagten, es werde so oder so schwer, der Industriestandort Frankreich werde leiden, sobald Alstom zerlegt oder übernommen werde.
    Ähnliche Töne beim extremen rechten Front National, zig 1.000 Arbeitsplätze stünden auf dem Spiel, eine nationale, also rein französische Lösung, müsse gefunden werden, das, so ließ Marine Le Pen erklären, sei eine strategische, soziale, ja moralische Frage.

    Die Nachrichtensendungen überschlugen sich, die französischen Zeitungen sprachen von einem "nationalen Psychodrama", Alstom, der Name stehe schließlich seit 40 Jahren für den Hochgeschwindigkeitszug TGV, für die Werften am Atlantik, für Windkraftturbinen, für den Bau französischer Kernkraftwerke, es gehe also um Arbeitsplätze, um Frankreichs Industriestrategie, um die Energiepolitik des Landes.

    Der Staatspräsident beriet sich mit seinem Premier, Valls, seiner Umweltministerin Royal, seinem Wirtschaftsminister Montebourg.
    Zur gleichen Zeit tagten die Aufsichtsgremien von Alstom. An die Adresse des Unternehmens hatte Minister Montebourg am Morgen eine Art Warnung geschickt. Übernahmeangebote müssten in Ruhe, also seriös geprüft werden, er lasse sich nicht drängen, einen Termin mit dem Chef von General Electric sagte der Wirtschaftsminister ab und wies Alstom unmissverständlich darauf hin, dass der Staat, wenn auch nicht Aktionär, so doch ein wichtiger Auftraggeber für den Konzern sei.
    Ein Seitenhieb auf Firmenlenker Patrick Kron, der das General Electric-Interesse an rund 70 Prozent der Alstom-Aktivitäten befördert und bereits den Mischkonzern Bouygues, der 29 Prozent an Alstom hält, für den Einstieg der Amerikaner gewonnen hatte.
    Zur transatlantischen Variante aber gesellte sich eine europäische, mit der Gesprächsbereitschaft des Siemens-Konzerns, durchaus im Sinne der französischen Regierung, wie einige Medien in Frankreich berichten. Der Münchener Konzern ist Konkurrent beider Unternehmen, Alstom und General Electric.
    Diskussion um deutsches Interesse
    Vor zehn Jahren noch war Siemens bei einem Rettungsversuch für Alstom nicht zum Zuge gekommen. Ein gewisser Nicolas Sarkozy, damals Finanzminister, hatte Alstom mit staatlicher Hilfe und mit Zugeständnissen der Banken aus der Schieflage geholt. Dass sein konservativer Vorgänger Sarkozy mit der Rettung von Alstom damals Erfolg hatte, setzt den sozialistischen Präsidenten Hollande und seine Regierung nun zusätzlich unter Druck.
    Es darf nicht ausgeschlossen werden, dass - sollte es nötig werden - der Staat einsteigt, und sei es vorübergehend, sagte der Chef der Gewerkschaft Force Ouvrière im französischen Rundfunk. Schließlich sei die französische Regierung vor zehn Jahren auch aktiv geworden, um Einfluss auf den Lauf der Dinge nehmen zu können, erinnerte Jean-Claude Mailly.
    Frankreichs Wirtschaftsminister wiederum deutet zwei starke europäische Firmenkonstrukte an und bringt ein Modell ins Spiel, von dem im Januar bereits Staatspräsident Hollande gesprochen hatte , und auch Gewerkschaftschef Mailly deutet in diese Richtung: "Interessant an Siemens ist, dass es ein deutsches Unternehmen ist und dass wir ein wenig in der Logik eines europäischen Energieunternehmens à la Airbus wären."
    Die Politiker Frankreichs überboten sich jeweils mit Vorschlägen, die einen fanden das deutsche Interesse zielführend, andere votierten für die US-Variante, und Teile der französischen Gewerkschaft riefen vorsichtshalber für Dienstagmorgen zu Protesten auf.