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Wirtschaft und Corona
Ex-BDA-Chef: Kurzarbeit muss erleichtert werden

Angesichts der Belastungen für die deutsche Wirtschaft durch die Ausbreitung des Corona-Virus fordert der ehemalige Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt von der Bundesregierung mehr vorbeugende Maßnahmen. Besonders Kurzarbeit müsse gefördert werden, sagte er im Dlf.

Dieter Hundt im Gespräch mit Stephanie Rohde | 07.03.2020
PKW-Produktion: Arbeiter montieren Autos.
Jedes zweite Unternehmen in Deutschland wird laut einer Umfrage in diesem Jahr weniger verdienen als erwartet. (picture alliance / dpa / Ulrich Baumgarten)
Das Corona-Virus belastet die Deutsche Wirtschaft zunehmend - besonders die Automobilindustrie ist betroffen. CSU-Chef Markus Söder plädiert deshalb für ein Notfall-Paket für Unternehmen. Auch Dieter Hundt, ehemaliger Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, fordert Maßnahmen für die Wirtschaft. Dabei gehe es insbesondere um die Erleichterung von Kurzarbeit - ähnlich wie bei der Finanzkrise 2008.
Der frühere Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt.
Der frühere Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt. (picture alliance / dpa / Daniel Maurer)
Die Bedingungen für Unternehmen in Deutschland seien schwierig. "Wenn jetzt Corona die Situation für die Unternehmen noch verschärft und die Probleme erhöht werden, ist es umso erforderlicher, dass möglichst schnell auch in den Grundsatzthemen Lösungen gefunden werden", meint Hundt.
Vor allem hohe Energiekosten, hohe steuerliche Belastung und die zunehmende Bürokratie machten die Rahmenbedingungen in Deutschland für Unternehmen immer schwieriger.

Stephanie Rohde: Das neuartige Coronavirus belastet die deutsche Wirtschaft zunehmend. Jedes zweite Unternehmen in Deutschland wird laut einer Umfrage in diesem Jahr weniger verdienen als erwartet. Nun plädiert CSU-Chef Söder für ein Notfallpaket für diese Unternehmen, und der Koalitionsausschuss in Berlin wird morgen unter anderem darüber diskutieren. Stark betroffen von der Krise ist die deutsche Automobilindustrie, nachdem die Autoverkäufe in China um über 90 Prozent eingebrochen sind.
Was lernen deutsche Unternehmen aus der Coronakrise? Müssen sie langfristig umdenken und möglicherweise noch mehr in Europa produzieren, um krisenfester zu sein? Darüber habe ich mit Dieter Hundt gesprochen. Er war lange Präsident der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände BDA und ist Aufsichtsratsvorsitzender und Hauptgesellschafter der Allgaier Werke in Baden-Württemberg. Das Unternehmen beliefert die internationale Autoindustrie unter anderem mit Press- und Blechteilen. Ich wollte von ihm wissen, wie sehr setzt das Coronavirus Ihrem Unternehmen zu?
Dieter Hundt: Also zunächst einmal sind wir im eigenen Unternehmen bis zur Stunde noch nicht direkt betroffen. Noch läuft bei uns die Produktion ungestört. Ich bin aber in großer Sorge, dass insbesondere durch die bereits unterbrochenen Lieferketten von Asien nach Europa der Zustand nicht lange anhalten wird. Die Automobilindustrie, wie Sie gerade gesagt haben, auch der deutsche Maschinenbau, sind zunehmend mehr in Mitleidenschaft dieser fürchterlichen Coronakrise geraten.
"Meine Sorge ist, dass das zunehmend schlechter werden wird"
Rohde: Und wie genau werden Sie das spüren? Es sind ja in China die Autoverkäufe um 90 Prozent eingebrochen. Absehbar wird Sie das doch sehr belasten.
Hundt: Wir sind indirekt sicherlich auch schon betroffen, weil ein recht beträchtlicher Teil der Produktion deutscher Fahrzeuge ja in anderen Ländern stattfindet, insbesondere in sehr großem Umfang in China, und dort sind mit Sicherheit die Produktionen deutscher Firmen, VW, BMW, Daimler, bereits zurückläufig, für die wir teilweise indirekt aus Europa und auch aus unserem Werk in Mexiko Zulieferungen tätigen.
Händler stehen am 02.03.2020 an der Wall auf dem Parkett der Wall Street in New York und blicken auf die Aktienkurse auf den Bildschirmen.
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Rohde: Aber wenn Sie jetzt indirekt sagen, also spüren Sie das schon an der Auftragslage?
Hundt: Wir spüren es insgesamt gesehen noch unwesentlich, aber meine Sorge ist, dass das zunehmend schlechter werden wird.
Rohde: Andere Unternehmen stehen ja viel kritischer da. Warum ist es bei Ihnen noch so entspannt?
Hundt: Ich habe bereits erwähnt, andere Branchen sind schon in vollem Umfang betroffen. Ich höre aber täglich, dass erste Auswirkungen auch in der Metall- und Elektroindustrie in Deutschland und hier insbesondere die Automobil- und Zulieferindustrie und auch der Maschinenbau mit in die Problematik reingezogen werden. Schlecht ist auch beispielsweise, dass große Veranstaltungen in zunehmendem Maße abgesagt werden.
Was für uns von Bedeutung ist, ist die Absage des Autosalons in Genf, von dem wir uns weitere Impulse für die Automobilindustrie, insbesondere auch im Zusammenhang mit der Umstellung auf die Elektromobilität, erhofft haben – findet jetzt nicht statt, genauso wenig wie die Handwerksmesse in München, die ja immer ein wesentlicher und wichtiger Treffpunkt auch für Wirtschaft, Handwerk und Politik gewesen ist.
"Erleichterung der Kurzarbeit"
Rohde: Lassen Sie uns drauf schauen, wie Sie auf eine solche Krise vorbereitet sind. Sie haben ja eben schon die Lieferketten angesprochen, die teilweise zumindest löchrig werden. Was machen Sie denn, wenn Sie zum Beispiel auf einmal keine Metalle mehr bekommen?
Hundt: Wenn wir keine Zulieferteile mehr bekommen oder wenn die Abrufe deutlich zurückgehen, dann werden wir mit internen Maßnahmen reagieren. Wir werden in den betroffenen Abteilungen und mit den betroffenen Mitarbeitern zunächst einmal Zeitkonten abbauen.
Das wird aber auf Dauer nicht ausreichen, und deshalb kann ich nur an die Politik appellieren, so schnell wie möglich ebenfalls vorbeugende Maßnahmen zu treffen. Ich denke dabei insbesondere an die Erleichterung der Kurzarbeit in eine Richtung, wie wir sie 2008, 2009 und '10 im Zusammenhang mit der schlimmsten Finanz- und Währungskrise hatten. In dieser Richtung ist im Moment noch eine beträchtliche Zögerlichkeit zu beklagen.
Grafik zeigt: Coronavirus senkt globales Wirtschaftswachstum
Im November 2019 wurde für 2020 für Italien noch ein Wirtschaftswachstum von 0,4 Prozent prognostiziert. Im März 2020 lautet die Prognose der OECD, dass Italiens Wirtschaftswachstum dieses Jahr mit null Prozent stagniert. (Deutschlandradio)
Rohde: Aber Herr Hundt, das mag ja auch daran liegen, dass Krisen in diesem Wirtschaftssystem immer wieder auftreten. Man fragt sich ja schon, warum rufen Sie dann immer nach staatlicher Hilfe, statt selber mal vorzusorgen?
Hundt: Wir rufen nicht immer nach staatlicher Hilfe, sondern wir rufen nach besseren Rahmenbedingungen für die deutsche Wirtschaft. Wir haben nun mal ein Hochlohnland und haben damit außerordentlich hohe Arbeitskosten. Damit werden wir fertig, aber beispielsweise die Energiekosten, die in Deutschland ebenfalls im internationalen europäischen Spitzenfeld oder nicht nur im Spitzenfeld sogar an der Spitze stehen, das sind einfach Belastungen, die können wir als Wirtschaft nicht kompensieren.
Gleiches gilt für die zunehmende und überbordende Bürokratie die uns alle belästigt. Hier wären grundsätzliche Maßnahmen, die jetzt gar nicht direkt mit Corona zu tun haben, dringend erforderlich. Andere Länder bis hin zu unserem Nachbarn Österreich führen derzeit Steuerreformen durch und entlasten die Firmen, und das würde mit oder ohne Corona die internationale Wettbewerbsfähigkeit schon verbessern und mit Sicherheit auch für die Zukunft erhalten.
Rohde: Ja, aber instrumentalisieren Sie die Coronakrise jetzt nicht für Ihre eigenen Forderungen?
Hundt: Ich habe gerade gesagt, unabhängig von Corona sind dringend eine Veränderung der Rahmenbedingungen, Steuerbelastung der Unternehmen, Energiekosten, Bürokratie, erforderlich, und wenn jetzt Corona die Situation für die Unternehmen noch verschärft und verstärkt und die Probleme erhöht werden, ist es umso erforderlicher, dass möglichst schnell auch in den Grundsatzthemen Lösungen gefunden werden.
"Lieferketten durch Zweitlinien besser absichern"
Rohde: Aber die Unternehmen könnten ja auch selbst langfristige Lehren daraus ziehen. Also das Coronavirus offenbart ja, wie anfällig eine Automobilindustrie beispielsweise ist, dass die Lieferketten löchrig werden in einem globalisierten und vernetzten System. Müsste man da nicht auch die Schlussfolgerung ziehen, zu sagen, wir stellen wieder mehr in Europa her, wir werden krisenfester, weil wir nicht global vernetzt alles herstellen?
Hundt: Wir haben im Verlauf der letzten Jahre natürlich eine gewaltige Entwicklung der Globalisierung erlebt, und die deutsche Wirtschaft, insbesondere auch die deutsche gewerbliche Wirtschaft, hat davon nennenswert profitiert, und das hat uns Arbeitsplätze gesichert und wirtschaftliche Erfolge beschert.
Ich glaube nicht, dass ein dramatisches Ereignis, wie es nun diese Coronaepidemie oder Pandemie ja schon ist, grundsätzlich hier zu Veränderungen oder gar rückläufigen Entwicklungen führt. Wir werden höchstens darüber nachdenken müssen, wie wir unsere Lieferketten vielleicht auch durch Zweitlinien besser absichern, –
Rohde: Was heißt das genau?
Hundt: – um für solche Fälle gewappnet zu sein. Nur wenn eine weltweite Pandemie auftritt, dann nützt selbst ein solches double sourcing möglicherweise nicht.
Rohde: Was bedeutet das denn genau? Könnten Sie das kurz erklären?
Hundt: Dass eben deutsche Firmen nicht nur aus einem Land, nicht nur von einem Zulieferanten beziehen, sondern, soweit möglich, das ist darüber hinaus natürlich auch sehr schnell eine Frage der Wirtschaftlichkeit und damit der Wettbewerbsfähigkeit, –
Rohde: Und deshalb machen Sie das nicht jetzt schon.
Hundt: – sondern auch eine zweite Lieferquelle aus einem anderen Land oder gar einem anderen Kontinent noch aufbaut, aber bei weltweiten Ereignissen, wie wir sie ja momentan haben, oder europaweiten zumindest im Moment, ist es fraglich, inwieweit dadurch wirkliche Verbesserungen erzielt werden können.
Rohde: Und jetzt machen Sie das nicht schon präventiv. Könnten Sie ja auch machen.
Hundt: Kurzfristige Reaktionen als Folge der aktuellen Entwicklungen dieser Coronapandemie sind gar nicht möglich. Das sind Vorgänge, die im Wesentlichen in Bereichen der Automobil- und der Automobilzulieferindustrie eine jahrelange Vorbereitung, ein Aufbau von Fertigungseinrichtungen und dergleichen mehr benötigen. Also kurzfristige Reaktionen, um jetzt gegebenenfalls eine weitere Ausweitung abzuschwächen, sind rein technisch nicht machbar.
Rohde: Das heißt aber, langfristig müssen Sie gar nicht so große Lehren ziehen, sondern Sie hoffen eher darauf, dass die Politik jetzt handelt.
Hundt: Die Politik sollte, was die deutsche Wirtschaft betrifft, grundsätzlich handeln in den vorher besprochenen Themenkreisen.
Rohde: Und Sie sind nicht zufrieden mit dem Krisenmanagement von Wirtschaftsminister Altmaier.
Hundt: Wie wir uns für derartige schwerwiegende und ja Gott sei Dank doch sehr, sehr seltene, unvorhergesehene Entwicklungen besser vorbereiten können, da werden wir sicher nachdenken, aber dass da in den grundsätzlichen Strukturen nennenswerte Veränderungen erfolgen, ist meines Erachtens nicht sehr wahrscheinlich.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Coronavirus
Coronavirus (imago / Science Photo Library)