Donnerstag, 28. März 2024

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Wirtschaftliche Situation der Buchverlage
Lichtblick junge Leserschaft

Die erste Frankfurter Buchmesse mit Publikum seit Beginn der Pandemie ist deutlich kleiner als vor zwei Jahren. Teile der Buchbranche sind gut durch die Krise gekommen, wie Kinder- und Jugendbuchverlage. Für Kontroversen sorgen dagegen Pläne, kostenlose E-Book-Lizenzen für Bibliotheken durchzusetzen.

Von Ludger Fittkau | 19.10.2021
Hessen, Frankfurt/Main: Teilnehmerinnen der Eröffnungspressekonferenz der Frankfurter Buchmesse in der Festhalle stehen an einem Büchertisch.
Traditionell werden am Tag vor der Messe-Eröffnung die Wirtschaftszahlen der Buchbranche vorgestellt (Arne Dedert/dpa)
Sie erschien gleich zum Auftakt der Messe im Protest-Outfit: Karin Schmidt-Friderichs, die Vorsteherin des Deutschen Börsenvereins. Mit dem Aufdruck "Fair lesen" auf dem T-Shirt solidarisierte sie sich mit einer Aktion von Autorinnen und Autoren sowie Buchhandlungen, mit der etwa in großen Zeitungsanzeigen gegen die vom Bundesrat geplante kostenlosen Zwangs-Lizenzen für E-Books in Bibliotheken protestiert wird:
"Schon jetzt versorgen Verlage die sogenannte Onleihe mit Hunderttausenden von E-Book-Titeln. Und das tun sie gerne. Aber gerade bei den Bestsellern brauchen Autorinnen und Verlage ein bestimmtes Zeitfenster, in dem sie ein E-Book zunächst auf dem Kaufmarkt anbieten, bevor sie es zur Leihe anbieten."
Auf dem Filmmarkt sei das selbstverständlich, der neue Bond-Film sei auch am 30. September nicht gleich ins Free-TV gekommen:
"Können Sie die neueste Netflix-Serie gleich umsonst bei U-Tube verfolgen? Legal, staatlich unterstütz? Natürlich nicht."
Kinderbücher zur Pandemie - Corona erzählt und erklärt
Die Entwicklungen in der Pandemie sind schnelllebig. Für Verlage ist es schwer, mitzuhalten. Die ersten Kinder- und Jugendbücher über Corona sind inhaltlich inzwischen überholt. Wir stellen Titel aus diesem Frühjahr vor, die die Lektüre lohnen.

Nach dem aktuellen Protest nun die Freude. Darüber nämlich, dass rund ein Viertel aller Leserinnen und Leser in der Corona-Zeit mehr zum Buch gegriffen haben als vorher. Karin Schmidt-Friderichs:
"Besonders groß sind die Zuwächse – und das ist meine Lieblingsstelle in dieser Rede - bei den jungen Altersgruppen. Bei den 10 bis 19-Jährigen lesen 345 Prozent häufiger, das ist mehr als ein Drittel. Bei den 20-29-Jährigen sind es mit 32 Prozent immerhin noch fast ein Drittel, die angeben, in der Pandemie häufiger zu lesen als zu vor."

Bugwelle an verschobenen Publikationen

Dennoch werden viele Buchhandlungen auch am Ende dieses Jahres noch rote Zahlen schreiben. Denn die Zusatzkosten, der durch den Online-Bereich und die Auslieferungen entstanden sind, sind so schnell nicht zu kompensieren. Auch bestimmte Sachbuchautoren litten besonders unter der Pandemie. Ralf Nestmeyer ist Schriftsteller mit dem Schwerpunkt Reiseliteratur. Auf dem Höhepunkt der Corona-Krise gab es jedoch weitreichende Reiseverbote:
"Und da hatte ich natürlich besonders unter der Krise zu leiden. Zum einen natürlich, weil ich nicht richtig arbeiten konnte, ich konnte keine richtigen Recherchereisen unternehmen. Es wurden weniger Bücher produziert von den Verlagen, die Produktion wurde deutlich heruntergefahren, weil man auch nichts produzieren wollte, was sich nicht verkauft."
Er habe während der Pandemiezeit bisher rund 50 Prozent Einnahmeverlust zu verzeichnen gehabt, bilanziert Ralf Nestmeyer. Er ist auch Vizepräsident der Schriftsteller-Organisation "Deutsches Pen-Zentrum". So kann er zudem die Lage vieler Kolleginnen und Kollegen beurteilen. Vor allem Lesungen, die ausgefallen sind, fehlen. Sowohl das Honorar als auch der Kontakt zu den Leserinnen und Lesern. Ralf Nestmeyer beschreibt die Entwicklung der letzten Monate vor der Frankfurter Buchmesse:
"Die Sachbuchverlage, die belletristischen Verlage, die sind jetzt wieder relativ normal in ihrer Produktion. Die hatten allerdings auch 2020 zu Beginn der Krise viele Titel verschoben um ein Halbjahr. Viele Titel, die im Herbst hätten erscheinen sollen, sind dann erst im Frühjahr 2021 erschienen, weil auch dort überall eine Verunsicherung war, wie stark die von der Krise betroffen sind."

Nicht nur die Pandemie als Herausforderung für die Buchbranche

Jürgen Boos, der Direktor der Frankfurter Buchmesse wies darauf hin, dass er die Messen mit einem aus Kostengründen reduzierten Team vorbereiten musste. Trotz der Corona-Restriktionen sind jedoch 2000 Austeller aus 80 Ländern in Frankfurt am Main vertreten. Nicht nur Corona fordert die Branche heraus, so Boos. Es gäbe in den nächsten Tagen reichlich Stoff für Diskussionen:
"Die Herausforderungen unserer Branche, oft strukturell – Verlagskonglomerate versus Independent-Verlage. Nachhaltigkeit, Materialbeschaffung - das Papier geht uns aus. Aber auch inhaltlich: selbstauferlegte Grenzen der Meinungsfreiheit, das Gendern, vieles mehr werden zahlreiche Experten diskutieren.
Das Bundesprogramm "Neustart Kultur" der Kulturstaatsministerin Monika Grütters habe der Buchmesse besonders geholfen, so Boos. In den letzten Tagen wurde überdies bekannt: Bund und Länder wollen die Messewirtschaft einem weiteren Sonderfonds von bis zu 600 Millionen Euro absichern. Die Zukunft der Buchmesse in Frankfurt am Main dürfte nicht gefährdet sein.