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Wirtschaftsbeziehungen nach den Midterms
"Im Moment haben wir eine Situation von großer Unsicherheit"

Europa müsse sich sehr viel mehr auch um die wirtschaftlichen Beziehungen zu den USA bemühen, fordert Frank Sportolari, Präsident der Amerikanischen Handelskammer in Deutschland, im Dlf. Nach den Midterms sei die Sorge groß, dass in den USA wichtige Kompromisse nicht mehr möglich seien.

Frank Sportolari im Gespräch mit Silke Hahne | 07.11.2018
    Frank Sportolari, Präsident Deutsch-Amerikanischen Handelskammer.
    Frank Sportolari, Präsident Deutsch-Amerikanischen Handelskammer. (dpa/Kai-Uwe Heinrich/Tagesspiegel)
    Silke Hahne: Das Regieren wird für Donald Trump schwieriger. Soviel steht fest. Denn die Hälfte des US-Kongresses ist nun in der Hand der Demokraten. Die feiern das als Wiedereinzug der Checks and Balances, des Machtgleichgewichts in die US-Innenpolitik.
    Was die innenpolitische Neusortierung für die Wirtschaft heißt, darüber konnte ich mit Frank Sportolari sprechen, dem Präsidenten der Amerikanischen Handelskammer in Deutschland. Kurz vor dieser Sendung habe ich ihn gefragt: Das Machtgleichgewicht ist wiederhergestellt. Für Sie als Amerikaner überwiegt die Freude darüber, oder machen Sie sich Sorgen, dass die Vereinigten Staaten jetzt in die Blockadepolitik abrutschen?
    Frank Sportolari: Wir machen uns wirklich große Sorgen, dass das Ganze zu einer einzigen Blockade wird. Ich habe heute einige Leute in den USA angerufen und alle sagen, ob Democrats oder Republicans, ja, so ist es ausgegangen. Beide freuen sich, irgendwie interessant, und man muss sich auch freuen, dass so viele Leute gewählt haben. So hoch war das Interesse noch nie an den Midterms. Aber alle machen sich Sorgen, dass auch nach dieser Wahl am Ende alle in ihren Silos sitzen. Es wird schwierig sein, Kompromisse zu finden, um wirklich an den Problemen zu arbeiten, womit wir konfrontiert werden.
    Hahne: Welche Probleme sind das denn?
    "Wir sind an einem Punkt in Amerika, wo man wieder investieren muss"
    Sportolari: Man hat natürlich viele Fragen, wenn es um die Finanzen geht, wenn es um Bildung geht, wenn es um Infrastruktur geht. Wir sind an einem Punkt in Amerika, wo man wieder investieren muss. Und wir befürchten, wenn es eine Politik gibt, wo die Republikaner und die Democrats überhaupt nicht zusammenkommen können, dann können überhaupt keine Gesetze erlassen werden in dieser Legislaturperiode. Und das wäre natürlich sehr schädlich.
    Hahne: Jetzt haben Sie die Notwendigkeit für Investitionen angesprochen. Darauf würde ich gerne eingehen, denn die USA haben durch die jüngste Steuerreform einen sehr hohen Schuldenberg. Sehr gut möglich, dass nächstes Jahr die Schuldengrenze erhöht werden muss. Das geht nur mit dem Kongress. Im Gegenzug könnten die Steuern wieder steigen. Müssen sich die deutschen Firmen darauf einstellen, dass das Umfeld in den USA wieder schwieriger wird?
    Sportolari: Das ist eigentlich eine ganz außergewöhnliche Situation. Normalerweise sind es die Republikaner, die wenig, small Government haben wollen, weniger Schulden, und die Demokraten haben immer den Vorwurf, dass sie viel Geld ausgeben wollen. Jetzt ist es Präsident Trump, der eventuell kommt und sagt, okay, ich will meine massive Infrastructure Bill durchbringen, was durchaus vielleicht mit den Demokraten gehen könnte, und es könnte sein, dass die Republicans dann sagen, nein, das wollen wir nicht, die Schulden sind jetzt schon so hoch. Wir können diese Schulden nicht außer Acht lassen. Gleichzeitig möchte Präsident Trump unbedingt dieses Infrastruktur-Programm durchbringen. Und das könnte durchaus Turbulenzen verursachen.
    Hahne: Ich würde ganz gerne noch auf die außenpolitischen Implikationen dieses Wahlausgangs eingehen. Donald Trump ist jetzt nicht gerade als Transatlantiker bekannt und in einem Punkt unterstützen die Demokraten da seine Linie auch, nämlich beim wirtschaftlichen Protektionismus. Auch die Demokraten sind jetzt nicht gerade als Freunde des Freihandels bekannt. Muss die EU, müssen die Außenhandelspartner der USA sich jetzt warm anziehen?
    "Ich habe nicht den Eindruck, dass Brüssel so energetisch vorangeht"
    Sportolari: Das ist auch irgendwie ein Paradox. Die Republikaner waren natürlich immer die Partei der Free Trade and Globalisation. Jetzt ist es fast ein Schimpfwort, jemand Globalist zu nennen bei den Republikanern. Ich denke, dass die Demokraten wenigstens noch ihren alten Sinn für Internationalität haben und vielleicht eher verstehen werden, dass man doch auf verlässliche Partner aufbauen muss. Und ich hoffe, dass wir dadurch vielleicht die Haltung von Präsident Trump ein bisschen beeinflusst sehen. Es wird sicherlich nicht so sein, dass wir dort eine Regierung sehen, die unbedingt zu jeden Kosten Freihandelsabkommen unterschreiben will. Er hat seine Ziele und das meiste, was er gemacht hat jetzt mit Trade, war eh Executive Order. Das sind keine Gesetze, er hat den Kongress nicht dafür benötigt. Er wird sich da wohl nicht so schnell ändern. Das kann gut oder schlecht sein. Im Moment haben wir natürlich eine Situation von großer Unsicherheit. Das ist nie gut, besonders für die Wirtschaft. Aber es ist nicht schlimmer geworden. Was ich nicht sehe: Ich frage mich immer, warum wir hier in Europa nicht aktiver werden. Ich habe nicht den Eindruck, dass Brüssel so energetisch hier vorangeht, wie es sein müsste. Das ist letztendlich unser größter Kunde. Es ist die wichtigste Wirtschafts-Relationship weltweit. Und wir müssen uns sehr bemühen, da gutes Wetter zu machen. Wir sollten nicht alles akzeptieren, was gesagt wird oder getan wird, aber wir müssen uns sehr viel Mühe geben, mehr Mühe, um zu schauen, dass wir zu einer vernünftigen Vereinbarung kommen, das der Wirtschaft nicht mehr schadet.
    Hahne: Muss Europa da den USA auch mehr entgegenkommen, zum Beispiel bei Autozöllen?
    Sportolari: Ich glaube nicht, dass das unbedingt mit Autozöllen zu verknüpfen ist. Aber natürlich ist das ein bisschen schwierig, weil in Amerika jetzt wenigstens bei den Trade Negotiators, die Präsident Trump versammelt hat, wird die Meinung vertreten, dass jede Art von Handelsdefizit ist gleich Beweis dafür, dass man irgendwie über den Tisch gezogen wird. Dies ist natürlich nicht der Fall. Es macht aber die Verhandlungen natürlich ein bisschen schwieriger. Ich glaube, wir müssen uns sehr bemühen, da vielleicht, wo wir mit TTIP aufgehört haben, ein bisschen wieder anzufangen und einzelne Punkte aufgreifen, die eigentlich damals fertig negotiated waren, um zu sehen, ob wir nicht Teilsiege erringen können. Und ein bisschen mehr Vertrauen aufbauen und auch zeigen, dass wir auch großes Interesse daran haben, die Handelsbarrieren aus dem Weg zu schaffen und die Tarife, die existieren, dann auch nach und nach abzuschaffen. Leicht wird das nicht, aber wir müssen uns Mühe geben.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.