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Wirtschaftsbeziehungen zum Iran
"Priorität ist die Verhinderung einer iranischen Atombombe"

Um politischen Druck auszuüben, haben die USA Wirtschaftssanktionen gegen den Iran verhängt. Michael Gahler verteidigte in diesem Zuge das iranische Atomabkommen. Man habe das damalige Abkommen beschlossen, um eine iranische Atombombe zu verhindern, das habe man erreicht, sagte der CDU-Europaabgeordnete im Dlf.

Michael Gahler im Gespräch mit Mario Dobovisek | 06.11.2018
    Eine Frau läuft vor der ehemaligen Botschaft der iranischen Botschaft entlang.
    Eine Frau läuft vor der ehemaligen Botschaft der iranischen Botschaft entlang. (picture alliance / RIA Nowosti / Grigoriy Sisoev)
    Mario Dobovisek: Das Atomabkommen mit dem Iran haben die USA einseitig aufgekündigt und Sanktionen haben sie verhängt, gestern gerade erst ein weiteres Mal verschärft, betroffen die Ölindustrie, der Finanzsektor und der Hafenverkehr. Mit harten Sanktionen droht US-Präsident Donald Trump auch all jenen, die mit dem Iran Geschäfte machen.
    Auch deutsche Firmen handeln bereits mit dem Iran oder stehen in den Startlöchern. Ihnen will die Europäische Union helfen und eine Zweckgesellschaft gründen, mit einer Art Tauschhandel Sanktionen umgehen und gleichzeitig das Atomabkommen retten. So hatte es Federica Mogherini, die Außenbeauftragte der EU, Ende September vollmundig am Rande der UNO-Vollversammlung verkündet und versprochen, in wenigen Tagen Details dazu vorzulegen. Seitdem ist es ruhig um den Vorschlag geworden.
    Am Telefon begrüße ich Michael Gahler, für die CDU Außen- und Sicherheitspolitiker im Europäischen Parlament. Guten Morgen, Herr Gahler!
    Michael Gahler: Guten Morgen, Herr Dobovisek.
    Dobovisek: Wir haben es gehört. Vollmundig hatte Federica Mogherini Details zum Investitionsschutz versprochen binnen Tagen. Das war Ende September. Wo bleibt sie, die angedachte Zweckgesellschaft?
    Gahler: Zunächst mal hat es ja noch mal ein gemeinsames Statement am 2. November gegeben von Frau Mogherini und den Außen- und Finanzministern von Frankreich, Deutschland und dem Vereinigten Königreich.
    Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini und der iranische Außenminister Mohammad Javad Zarif.
    Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini (li.) und der iranische Außenminister Mohammad Javad Zarif. (dpa/picture-alliance/Herbert Neubauer)
    Dobovisek: Das war ja eher ein Vertrösten.
    Gahler: Das war ein Vertrösten, na ja, gut. Man will ja da noch dran arbeiten, um das tatsächlich auch dahin zu bringen, um denjenigen, die sich unter dem Druck der USA trotzdem für den Handel mit dem Iran entschieden haben, dort die Möglichkeit zu geben, im Rahmen dessen, was wir für rechtlich möglich halten, Schutz zu gewähren.
    "Priorität ist die Verhinderung einer iranischen Atombombe"
    Dobovisek: Warum ist das so schwierig?
    Gahler: Es ist schwierig, weil natürlich die Marktmacht der USA praktisch da ist und sich viele Firmen, die in beiden Ländern eigentlich Handel treiben wollten, im Zweifel für die USA entscheiden. Ich möchte aber in dem Zusammenhang noch mal sehr deutlich machen, warum wir denn dieses Abkommen mit dem Iran beschlossen haben. Wir sind dagegen, dass die USA diese Kündigung ausgesprochen haben und die Sanktionen wieder anwenden, und wir sagen, rechtlich gesehen haben diese einseitigen Schritte der USA auch für uns keine Bindewirkung im rechtlichen Sinne. Und wir sollten uns wirklich deutlich vergegenwärtigen, warum wir dieses damalige Abkommen beschlossen haben, um eine iranische Atombombe zu verhindern.
    Bei allen anderen Kritikpunkten aus den USA am Iran, die wir ja teilen, ob es gegenüber Jemen ist, die Innenpolitik, gegenüber Israel, oder Syrien, alles das, was kritikwürdig ist, ist richtig. Aber es war über viele Jahre gemeinsame Auffassung der Weltgemeinschaft, dass die Priorität der Prioritäten die Verhinderung einer iranischen Atombombe ist, und das haben wir erreicht. Und ich habe auch keinen gehört, der einen besseren Vorschlag gemacht hat. Deswegen sind wir weiterhin politisch der Auffassung, dass wir dieses Abkommen unsererseits einhalten und legitimen Handel mit dem Iran zwar weiter fortsetzen wollen, und auch, dass wir zum Beispiel das Mandat der Europäischen Investitionsbank erweitert haben, dass auch Richtung Iran Geld verliehen werden kann bei solchen Geschäften.
    "Sollte Machbarkeit überprüfen, ob man alles auch im Euro-Währungsrahmen abwickeln kann"
    Dobovisek: Nun hilft, Herr Gahler, Ihre rechtliche Auffassung und die politische Auffassung der Europäischen Union oder der Weltgemeinschaft, wie Sie sagen, den Unternehmen nicht, die einfach sich bedroht fühlen, nämlich ihr US-Geschäft zu verlieren, wenn sie mit dem Iran Handel treiben. Deshalb ziehen sich ja auch derzeit schon viele Unternehmen zurück. Wieviel Zeit bleibt Ihnen noch, um diese Zweckgesellschaft auszuhandeln?
    Gahler: Es gibt sicherlich viele kleine und mittlere Unternehmen, die wenig Handel mit den USA betreiben, die aber möglicherweise mit dem Iran ausschließlich Handel betreiben. Wenn man denen hilft, über so eine Zweckgesellschaft den Handel durchzuführen, dann ist das in deren Interesse. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass viele Unternehmen da auch ihre Nische finden und auf diese Art dann auch diese Sanktionen für sie nicht relevant sind.
    Ich denke, man kann sicherlich auch darüber nachdenken, ob man einen Mechanismus einrichtet, wo tatsächlich das alles auch in Euro abgewickelt wird, so dass man gar nicht auf Dollar-Basis und damit auf amerikanische Banken angewiesen ist. Da finde ich, da sollte man die Machbarkeit sehr konkret überprüfen und das zum Beispiel alles auch im Euro-Währungsrahmen abwickeln.
    Iranische Frauen beteiligen sich in Teheran an Protesten gegen die USA.
    Iranische Frauen beteiligen sich in Teheran an Protesten gegen die USA. (AFP/Atta Kenare)
    "Firmen, die in Schwierigkeiten kommen, müssen wir auch Ersatz anbieten"
    Dobovisek: Ihrer Meinung nach, Herr Gahler, soll dann doch Geld fließen und nicht ein reines Tauschgeschäft stattfinden, so wie es auch schon angedacht war?
    Gahler: Ich bin der Auffassung, dass wir den Firmen, wenn sie denn Handel treiben und dann in Schwierigkeiten kommen, dort Hilfestellung geben, auch zur Not Ersatz dort anbieten. Aber der entscheidende Punkt ist für mich, glaube ich, rein praktisch gesehen, dass sich wahrscheinlich nur Firmen dort engagieren werden, die ansonsten wenig mit den USA zu tun haben, also deren Reaktionen auch nicht zu fürchten haben.
    Dobovisek: Da gibt es aber wahrscheinlich nicht wahnsinnig viele. Sie reden selber von einer Nische. Die Großen haben sich längst zurückgezogen, Siemens, Renault, viele andere große Unternehmen.
    Gahler: Ja!
    EU-Außenpolitiker Michael Gahler (CDU)
    EU-Außenpolitiker Michael Gahler (CDU) (dpa/picture alliance)
    Dobovisek: Ist es dann im Prinzip längst zu spät zu handeln?
    Gahler: Nein. Die USA sind einseitig aus diesem Abkommen ausgestiegen. Das möchte ich mal festhalten. Es war eine gemeinschaftliche Aktion damals nach zehnjährigen Verhandlungen mit allen, mit der gesamten Weltgemeinschaft, mit Russland, mit China, allen Beteiligten, dieses Abkommen abzuschließen, und da ist dann ein Partner, zugegeben ein wichtiger Partner ausgeschieden. Ich halte es weiterhin auch in der Sache für falsch. Vielleicht ergeben sich ja andere Sichtweisen nach den Kongresswahlen in den USA. Da will ich jetzt nicht spekulieren.
    Aber ich denke, wenn ich mir die Sicherheit Israels anschaue - das ist ja immer ein Hauptargument gewesen, die Sicherheit Israels -, ich bin der Auffassung, dass auch Israel keinen Vorteil davon hat, würde sich der Iran seinerseits nicht mehr an das Abkommen gebunden fühlen. Wir haben zwölf Inspektionen seitens der Internationalen Atomenergieagentur inzwischen gehabt, wo gesagt worden ist, der Iran hält sich an dieses Abkommen, und dann ist das Argument, dass andere politische Sachverhalte, die ich vorhin erwähnt habe, unser Ärgernis gegenüber dem Iran tatsächlich auch wieder darstellen, das ist dann irrelevant, denn es ging bei diesem Abkommen speziell darum, die iranische Bombe zu verhindern und im Gegenzug dann natürlich auch dem Iran zu ermöglichen, auf den Weltmarkt zurückzukehren und sein Öl zum Beispiel zu verkaufen.
    Auch das haben die USA ja nicht geschafft. Sie haben ja selber gegenüber Indien, China und sogar Italien, insgesamt acht Ländern Zugeständnisse gemacht, dass die sich nicht an das Ölembargo halten müssen.
    Der Port of Kharg Island Oil Terminal am persischen Golf
    Ein Öl-Terminal am persischen Golf (dpa/ Fatehma Bahrami)
    Dobovisek: Aber auch nur vorübergehend. Das Ziel – so sagt es Trump, so sagt es die Regierung in Washington – ist die Null-Linie, dass das Ölgeschäft zurückgefahren wird auch für diese Übergangskandidaten, so nenne ich es mal. Wann rechnen Sie denn, Herr Gahler, mit konkreten Schutzmaßnahmen der Europäischen Union für europäische Wirtschaftsunternehmen?
    Gahler: Das wird sich dann ergeben, wenn Unternehmen konkret im Iran-Geschäft bleiben und dann unter Umständen in Schwierigkeiten geraten. Dann wird in der Tat zu prüfen sein, wie man denen helfen kann.
    Dobovisek: Wir sprechen heute an diesem Morgen immer wieder auch über die Wahlen, die ab heute Mittag deutscher Zeit in den USA stattfinden. Welche Hoffnungen setzen Sie in die Wahlen dort?
    Gahler: Ja, das geht natürlich weit über das Thema Iran hinaus. Wir hoffen, dass diese Politik des amerikanischen Präsidenten von den amerikanischen Wählern bewertet wird. Ich glaube, wir haben hier einen breiten Konsens, dass wir doch hier hoffen, dass dort eine andere Mehrheit entsteht. Das beeinträchtigt nicht unmittelbar die Außenpolitik. Da hat der Präsident eine ganz starke Prärogative.
    Von daher ist da sicherlich nicht unmittelbar zu erwarten, dass sich dann auch in der Iran-Frage etwas anderes tut. Aber insgesamt hoffen wir, dass sich der Dialog, den wir mit den USA, auch gerade mit dem Kongress führen, auf allen Ebenen, durch veränderte Mehrheiten dann doch auch in der Sache zu anderen Politiken führen kann.
    Dobovisek: Michael Gahler, für die CDU ist er Außenpolitiker im EU-Parlament. Ich danke Ihnen für das Interview an diesem Morgen.
    Gahler: Bitte sehr!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.