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Wirtschaftsbuchpreis 2019
Armutsforscher Paul Collier ausgezeichnet

Auf der Frankfurter Buchmesse geht der Wirtschaftsbuchpreis in diesem Jahr an Paul Collier mit seinem Buch „Sozialer Kapitalismus“. Der Armutsforscher kennt seinen Fachbereich aus eigener Erfahrung. Das macht ihn glaubwürdig, mit seinem ökonomischen Sachverstand zeigt er Lösungen auf.

Von Ursula Mayer | 18.10.2019
Oxford-Ökonomieprofessor Paul Collier
Collier stammt selbst aus ärmlichen Verhältnissen. (dpa/ Ger Harley / EdinburghElitemedia)
Es sticht heraus unter den zahlreichen kapitalismuskritischen Büchern, das Buch "Sozialer Kapitalismus! Mein Manifest gegen den Zerfall unserer Gesellschaft", für das es dieses Jahr den Wirtschaftsbuchpreis gibt. Darin vertritt der Autor Paul Collier die neuartige These, dass der Kapitalismus diese Gesellschaft viel mehr entzweit, als bisher bekannt ist.
Land vs. Stadt
Einen Riss beobachtet er nicht nur zwischen Arm und Reich, zwischen Hochqualifizierten und Geringqualifizierten. Viel gefährlicher sei der neue Riss zwischen der ländlichen Bevölkerung und den Städtern. Diese These unterfüttert der britische Ökonom mit zahlreichen Fakten. Und wie schnell Leben auseinanderdriften können, da wird der Wissenschaftler mitunter ungewöhnlich persönlich:
"Im Alter von 14 Jahren waren meine Cousine und ich gleichauf. Am selben Tag geboren, die Kinder ungebildeter Eltern, die die Aufnahmeprüfung fürs Gymnasium bestanden hatten. Doch warf sie der frühe Tod ihres Vaters aus der Bahn. Ich durchlief derweilen den höheren Bildungsweg und ergatterte ein Stipendium in Oxford."
"Habe das Wirtschaftwissen, um zu verstehen, warum das passiert ist"
Heute lehrt Collier dort als Professor für Ökonomie, gilt als einer der renommierten Armuts- und Migrationsforscher. Seine Herkunft, seine Familie hat er trotzdem nie vergessen. Die unterschiedlichen Lebensläufe der Einzelnen beschäftigen ihn bis heute:
"Ich habe das Wirtschaftwissen, um zu verstehen, warum das passiert ist. Und noch wichtiger: was dagegen getan werden kann. Deswegen habe ich das Buch geschrieben, und ich bin wirklich froh über den Preis, nicht nur dass ich ihn gewonnen habe, sondern auch, damit die Botschaft in dem Buch bekannter wird."
Bedeutung des "Sozialen Kapitalismus"
Den Kapitalismus lehnt Collier zwar nicht generell ab, aber er fordert: Die Politik sollte ihn sozialer machen und was er darunter versteht, fasst er so zusammen:
"Grundsätzlich ist es wichtig, die Wirtschaft wieder dorthin zurück zu bringen, wo die Leute sind. Kluge Kinder sollten nicht weggehen müssen, nur weil ihre Städte kaputt sind."
Zukunftsweisend findet die Jury Colliers Thesen
Colliers fundierte und zugleich persönliche Antworten auf die großen Fragen unserer Zeit findet die Jury des Handelsblatts preiswürdig, denn, so erklärt der Jury-Vorsitzende Hans Jürgen Jakobs:
"Man wird in diesem Buch sehr, sehr angeregt und es wird ein Weg aufgezeigt, wie wir aus unseren Kalamitäten herauskommen."
Damit sei das Buch zukunftsweisend, so das Urteil der Jury.
"Er weiß, was Chancengleichheit bedeutet"
Das sorgt auch für Freude beim Siedler-Verlag, der das Buch herausgegeben hat und seit Jahren mit Collier eng zusammenarbeitet. Er sei ein sehr nahbarer Autor, berichtet Verlagschefin Britta Egetemeier:
"Er weiß, was Chancengleichheit bedeutet und hat das in der eigenen Familie erlebt, wie es ist, wenn die einen Möglichkeiten bekommen und die anderen sie nicht haben. Und ich glaube deshalb, dass sein Schreiben eine besondere Wirkungen entfalten kann, weil das so viele nachempfinden können."
Und so - die Hoffnung der Verlegerin - könnte der Autor womöglich auch die jüngere Generation ansprechen.