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Wirtschaftscrash als Bühnenstück

Es ist nicht Kampa, nicht Conti und nicht Karstadt, sondern eine Fahrstuhlfabrik, die im Mittelpunkt des Theaterstücks von Marcel Luxinger am Schauspiel Bochum steht. Doch das Stück "Fahrstuhl zum Bankrott", das die Wirtschafts- und Finanzkrise als Farce beschreiben will, endet als echter Rohrkrepierer.

Von Michael Laages | 11.06.2009
    Das kleine Stück ist fast schon vorbei, und die GFF (die "Große Fahrstuhl-Fabrik") beinahe schon abgewickelt, demontiert und in den Privatbesitz eines raffzähnigen Wellness-Mediziners gefallen, als dieser Agitator das Wort ergreift. Er gibt vertrauten antikapitalistischen Reflexen einen neuen Ton und spricht noch einmal von der Abschaffung der Märkte und all der immanenten Zwänge desselben; er zwingt den ganzen aufgestauten Widerwillen aufgeklärter Zeitgenossen gegen die wirtschaftlichen Unausweichlichkeiten der Globalisierung auf den systemkritischen Punkt – und wird natürlich kurz darauf von der wild gewordenen, sozusagen "kaisertreuen" Vorzimmerdame des gerade verstorbenen Alt-Direktors im Traditionsbetrieb mit der Flinte erlegt. Ganz so, als könnte auch dieses Theaterstück keinen halbwegs zusammenhängenden Gedanken wie diesen ertragen.

    Die Enttäuschung ist groß. Denn der Gedanke schien gut – nehmen wir, so mag sich Marcel Luxinger beim Entwurf des Stückes gedacht haben, eine Firma von nebenan, einen mittelständischen Betrieb wie Du und Ich, und exerzieren wir am Beispiel eben dieser GFF die Logik einer Pleite durch: Der alte Boss ist gerade gestorben und die Produktpalette der GFF von vorvorgestern, die erbenden Brüder können sich nun nicht einigen, wie’s weiter gehen soll. Der ältere, ein lauer Zauderer, will irgendwie weiter machen, schon der Tradition wegen, weiß aber nicht die Bohne wie; der jüngere, nicht nur unter Einwirkung von Drogen dynamischere, der Wellness-Doktor eben, setzt auf Verkauf, um die eigene Klinik aufzumöbeln. Er bringt eine (angebliche) Unternehmensberaterin ins Spiel, die aber eigentlich Agentin des Großaktionärs ist, eines um die Unabhängigkeit ringenden Kleinstaates irgendwo jenseits vom Balkan, der ansonsten vor allem mit Waffen und Drogen dealt. Nebenbei leistet sich der Fürst von Pousaspol in Translyrien auch einen deutschen Fußballclub – das kommt bekanntlich immer gut.

    Als wäre das aber noch nicht Farce genug, muss die neue, durch Mann, Familie und Topfpflanzen nicht eben ausgelastete Frau Direktor auch noch um die Nominierung für die Wahl zum Stadtrat kandidieren; und sich zudem zunehmend in den neuen Gärtner verlieben, der am Todestag des alten Patriarchen mit dem Kleinlaster in den Wintergarten rauschte und nun nicht mehr gehen will. Immer neue entlegene Randfiguren kommen ins Spiel; und im Haus vom Fahrstuhlfirmenboss schnurrt zu allem Unglück auch noch ein rätselhaft-riesiges Ungetüm von Haustier, ein wurmartiges Marsupilami – aber das sind alles nichts als Ablenkungen; und sehr schnell stellt sich heraus, dass "Fahrstuhl zum Bankrott" gar nicht (oder nur an der Oberfläche) von der Logik der Wirtschaft handelt, sondern vielmehr von den vielfältigen Neurosen unüberschaubarer Mengen von Menschen, die irgendwie mit Wirtschaft zu tun haben. Es hätte womöglich um sehr viel mehr gehen können, aber nur kurz vor Schluss, kurz vor dem endgültigen Verkauf der GFF an den fürstlichen Boss der translyrischen Drogen- und Waffen-Mafia, erinnert der Agitator daran – Stück und Inszenierung allerdings schießen meilenweit daran vorbei.

    Denn die Regisseurin Bettina Bruinier ist letztlich ratlos geblieben vor diesem Wechselbalg von Stück; in ihrer Not forciert sie die Farce. Aber auch in der zünden die Pointen nicht wirklich, und Tempo allein und überdrehtes Getue sind letztlich auch nicht genug. So wird aus dem Stück, das zum Ende der Saison ein Hoffnungsträger war, ein echter Rohrkrepierer; eine Pleite, wie sie die "Große Fahrstuhlfabrik" nicht knalliger hätte hinlegen können: ein klarer Fall für den Insolvenzverwalter.