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Wirtschaftsexperte: Griechenland ist nicht wettbewerbsfähig

Nur eine Pleite erlaube Griechenland wieder wettbewerbsfähig zu werden, sagt Manfred Neumann. Der Wirtschaftswissenschaftler sagt weiter, dass Griechenland diesen Schritt nicht gehen werde, sondern diese Option als Druckmittel nutzen könnte.

Manfred Neumann im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 24.01.2012
    Dirk Müller: Der Eurorettungsschirm war also das eine Thema in Brüssel, das andere Griechenland. Bekommt das Land seine geplanten Reformen umgesetzt, schafft es die Regierung in Athen, mit den Gläubigern zu einem Kompromiss beim Schuldenschnitt zu kommen? Und schließlich die Frage: Haben die Eurostaaten die Macht, die Mittel, die Banken unter Druck zu setzen? Dies die Frage meines Kollegen Dirk-Oliver Heckmann an den Bonner Wirtschaftswissenschaftler Manfred Neumann.

    Manfred Neumann: Ja, natürlich! Es gibt natürlich Mittel, sie unter Druck zu setzen, das ist ganz klar. Nämlich: Wir haben ja noch eine andere Feuerstelle sozusagen. Das ist die Frage, wie wollen wir behandeln die Frage der Kapitalausstattung der Banken jetzt. Sie wissen ja, dass die Banken bis Ende diesen Jahres neun Prozent Eigenkapital vorweisen sollen. Aber es ist auch die Rede davon, dass man das vielleicht etwas lockerer handhaben könnte. Also es gibt da verschiedene Möglichkeiten.

    Dirk-Oliver Heckmann: Das heißt, da könnte es auf einen Deal hinauslaufen?

    Neumann: Ja. Also natürlich nicht offiziell, aber eher praktisch.

    Heckmann: Mit welchen Folgen, denn die Erhöhung der Eigenkapitalquote, die wurde ja nicht ohne Grund gefordert?

    Neumann: Ja, natürlich. Im Prinzip ist die Forderung ja richtig. Die Frage ist nur, ob die Banken in der Lage sind, so kurzfristig ihr Eigenkapital aufzustocken und gleichzeitig, einige jedenfalls, hohe Verluste hinnehmen zu müssen bei den Aktiva - deswegen, weil sie Griechenland große Konzessionen machen müssen. Das geht nicht für jede Bank zusammen und insbesondere die französischen Banken werden da große Probleme haben.

    Heckmann: Der griechische Ministerpräsident Papademos, der hatte ja vor einer Staatspleite gewarnt. Wie realistisch ist ein solches Szenario, denn an einer Pleite kann ja eigentlich niemand so wirklich Interesse haben, oder?

    Neumann: Das ist eine offene Frage, und zwar deswegen ist das eine offene Frage, weil wenn man es sich gründlich überlegt, könnte man auch sagen, eigentlich sollte man wirklich die Pleite angehen, denn nur die Pleite erlaubt es Griechenland wieder, auf einen Schlag durch eine Abwertung, große Abwertung wettbewerbsfähig zu werden. Griechenland ist nicht wettbewerbsfähig. Das heißt, sie können auf Dauer nicht die Devisen verdienen, die sie laufend ausgeben wollen und auch zum Teil ausgeben müssen aufgrund festgelegter Verträge. Und wie soll das gehen? Da wird man auf Dauer entweder von der EU immer neue Programme machen müssen, wenn man dazu bereit ist, aber das ist nicht klar, dass man dazu wirklich bereit ist. So gesehen ist die Staatspleite etwas, was am Horizont steht. Ich glaube allerdings, dass Herr Papademos nicht unmittelbar das tun will, sondern hier sozusagen Druck ausüben will, indem er darauf hinweist, dass es diese Möglichkeit auch noch gibt.

    Heckmann: Dann kommen wir mal zum Eurorettungsschirm ESM, der ja im Sommer denEFSF ablösen soll. Was halten Sie denn von der Forderung, diese Mittel zu verdoppeln auf eine Billion Euro, wie das ja gefordert wurde von Herrn Monti?

    Neumann: Ja, also ich fand das nicht sehr klug, dass Herr Monti das gemacht hat, denn man könnte natürlich sagen, warum ist das überhaupt notwendig. Das wird nur dann notwendig sein, vielleicht, wenn Italien zusammenbrechen sollte.

    Heckmann: Oder Spanien?

    Neumann: Oder auch Spanien. Aber es sieht im Moment nicht danach aus. Wir hatten eigentlich jetzt eine Phase, die viel besser aussieht, und insofern finde ich es ein sehr unglückliches Signal, das Herr Monti hier gibt, und das kann noch zulasten von Italien ausgehen. Sicherlich: Spanien ist auch ein Problem. Aber ob wir deswegen das verdoppeln sollten, ist nicht klar, denn schauen Sie mal: Der EFSF hat eine Ausleihkapazität von 440 Milliarden, 445 Milliarden genau, und davon sind noch ungefähr 220 bis 250 Milliarden frei. Das ist der eine Punkt. Der andere Punkt ist: Die Bruttokapazität dieser Fazilität ist ja viel größer. Die ist nämlich 760 Milliarden. Die Differenz kann man bisher nicht in Anspruch nehmen, weil man immer Wert darauf gelegt hat, dass der Fonds ein Triple-A-Rating hat, das beste Rating, was man im Kapitalmarkt haben kann. Das steht jetzt ohnehin infrage. Nachdem Frankreich nicht mehr das beste Rating hat und Österreich auch nicht, wird natürlich das Rating dieses Fonds auch herabgesetzt werden, das heißt ist schon ein Stück herabgesetzt, und das bedeutet, der Fonds muss ohnehin höhere Zinsen zahlen, wenn er Mittel aufnimmt, die er dann an die Schuldnerstaaten weiterreicht. Wenn er bereit wäre, ein noch niedrigeres Rating in Kauf zu nehmen, könnte er viel mehr von seiner Kapazität ausnutzen. Also da ist noch Spielraum.

    Heckmann: Und das sollte er auch tun?

    Neumann: Ich habe das immer gesagt, das sollte er auch tun. Nur es ist natürlich ein Prestigeproblem für die Politik, ob sie das akzeptieren würden. Was die Politik nicht gerne sieht ist, dass man hier Prestige verliert. Auf der anderen Seite muss man natürlich auch sehen, dass man hier Kapazitäten bekäme und dass die Schuldnerstaaten zwar dann ein Problem haben, weil sie etwas mehr Zinsen bezahlen müssen, aber das hätten sie auch, wenn sie eines Tages wieder aussteigen aus diesem Programm. Je größer die Differenz des Zinses ist, den sie im Kapitalmarkt zahlen müssen, zu dem im Vergleich, was sie im Programm zahlen müssen, umso weniger werden sie geneigt sein, überhaupt da herauszugehen.

    Heckmann: Angela Merkel - ganz kurz noch zum Schluss, Herr Neumann - hat gesagt, eine Erhöhung stehe nicht auf der Tagesordnung. Wie sicher sind Sie, dass Berlin da standhaft bleibt?

    Neumann: Na ja, also wenn sie die Vergangenheit fortschreiben, dann würde ich sagen, sie bleiben nicht standhaft. Ich hoffe aber, dass sie standhaft bleiben.

    Müller: Mein Kollege Dirk-Oliver Heckmann im Gespräch mit dem Bonner Wirtschaftswissenschaftler Manfred Neumann.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.