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Wirtschaftshistoriker zu US-Strafzöllen
Begriff Handelskrieg "maßlos übertrieben"

Mit den Strafzöllen hätten die USA einen Handelskrieg eingeläutet, heißt es aus China. Diese Bezeichnung hält der Werner Abelshauser für übertrieben. Bei einem Handelskrieg gehe es um die Vernichtung einer Volkswirtschaft - das sei hier aber nicht der Fall, sagte der Wirtschaftshistoriker im Dlf.

Werner Abelshauser im Gespräch mit Sina Fröhndrich | 06.07.2018
    Werner Abelshauser, Forschungsprofessor für Wirtschaftsgeschichte an der Universität Bielefeld
    Werner Abelshauser, Forschungsprofessor für Wirtschaftsgeschichte an der Universität Bielefeld (imago )
    Sina Fröhndrich: Es ist die nächste Stufe im Handelskonflikt zwischen China und den USA. Seit Mitternacht gelten US-Strafzölle auf chinesische Waren im Umfang von 34 Milliarden Dollar - darunter Technologieprodukte. Und China hat geantwortet mit Gegenzöllen in selber Höhe, betroffene Produkte sind unter anderem Soja und Autos. Die USA hätten den größten Handelskrieg in der Geschichte eingeläutet, heißt es heute aus China. Trifft das zu? Ist das ein Handelskrieg? Das habe ich mit dem Wirtschaftshistoriker Werner Abelshauser besprochen.
    Werner Abelshauser: Nein. Den Begriff Krieg muss man wohl eher auf das Embargo der NATO gegen die Sowjetunion reservieren. Die sogenannte CoCom-Liste hat strategische Güter, wichtige Maschinen, Waffen natürlich gegen die Sowjetunion ausgespielt. Das heißt, die durften nicht geliefert werden. Das hat '49 angefangen und erst mit dem Ende der Sowjetunion wurde das abgeschlossen. Bis zuletzt durfte zum Beispiel Deutschland keine Computer nach Russland liefern. Kurzum: Das ist, glaube ich, eine Kriegshandlung gewesen, wenn auch im Kalten Krieg. Aber alles andere muss man wohl unter dem Begriff Protektionismus abtun.
    Fröhndrich: Das heißt, der Begriff Handelskrieg ist jetzt nicht zulässig, wie er von vielen schon benutzt wird?
    Abelshauser: … halte ich für weit überzogen.
    "Freihandel ist nicht per se die beste aller Welten"
    Fröhndrich: Ab welchem Punkt könnte das denn zu einem Handelskrieg werden? Oder ist das von vornherein für Sie ausgeschlossen?
    Abelshauser: Na ja, wenn man da die Vernichtung der Wirtschaftskraft der anderen Seite zum Ziel hat. Aber das ist ja nicht der Fall. Die Amerikaner wären ja selber benachteiligt, wenn Europa seine Stärke verlieren würde, und umgekehrt. Von daher ist das nicht der Punkt, sondern der Punkt ist im Augenblick sowohl gegenüber China als auch gegenüber Europa von Amerika aus gesehen der, dass man glaubt, durch protektionistische Maßnahmen, durch den Schutz bestimmter Güter auch bestimmte Regionen schützen zu können, Arbeitnehmer schützen zu können, die ansonsten in die Arbeitslosigkeit fallen würden. Das ist ein altes Thema und von daher ist Freihandel natürlich nicht per se die beste aller Welten.
    Fröhndrich: Jetzt haben Sie genau die beiden Begriffe schon angesprochen: Protektionismus auf der einen Seite, freier Handel auf der anderen Seite. Im Moment scheint es ein bisschen so zu sein: Freier Handel ist gut, Protektionismus ist schlecht - eine schwarz-weiße Einordnung, die ja auch medial vorgenommen wird, auch von Ökonomen. Trifft die zu?
    Abelshauser: Na ja, sagen wir mal so: Die Freihandelsrede, die ist das Ergebnis vieler, nämlich genau acht Verhandlungsrunden weltweit gewesen, um zu weltweiten Handelsregeln zu kommen. Das ging bis '93, und dann ist die World Trade Organisation entstanden, die diese Regeln umsetzen und verteidigen sollte. Von daher ist das, was jetzt da ist, der Stand der Dinge. Zum Beispiel Ende der 80er-Jahre waren die Amerikaner und die Japaner auf der protektionistischen Seite, die Europäer auf der Freihandelsseite, und dann hat man sich in der sogenannten Uruguay-Runde heftig darum gestritten. Für Deutschland war klar - ich zitiere mal aus dem Kopf allerdings den Wirtschaftsminister, der dem Kanzler damals gesagt hat: Den USA wurde klar zu verstehen gegeben, dass kein Land die internationalen Spielregeln nach eigenem Gusto interpretieren kann.
    "Eine Ansage an die USA: Ihr könnt nicht gewinnen"
    Fröhndrich: Da stehen wir jetzt aber im Prinzip fast wieder, wenn wir uns Donald Trump angucken.
    Abelshauser: Ja, das ist genau der Punkt. Die Amerikaner bestehen auf Protektionismus. Wir bestehen auf dem, was Anfang der 90er-Jahre ausgehandelt wurde als eine Regel, die auf dem Weltmarkt zu gelten habe.
    Fröhndrich: Was können denn die Teilnehmer dieses Konfliktes jetzt aus der Geschichte lernen? Was ist da Ihr Rat?
    Abelshauser: Nun ja. Der Rat ist der, dass die Bundesrepublik die Macht, die hier in Europa zur Verfügung steht, gegen die Amerikaner wenden muss, denn eine andere Sprache verstehen die, glaube ich, im Augenblick nicht. Und das ist dann kein Handelskrieg, sondern das ist dann eine klare Ansage, ihr könnt nicht gewinnen und von daher schadet ihr euch selbst. Das haben die Chinesen ja jetzt sehr, sehr strategisch gemacht, indem sie besonders Agrarprodukte im Ziel haben ihrer Gegenmaßnahmen, die insbesondere aus den Regionen stammen, die für Trump gestimmt haben. Das heißt, solche strategischen Maßnahmen kann man jetzt ergreifen. Da ist Europa sehr stark und natürlich auch die Bundesrepublik.
    Fröhndrich: Jetzt sind Sie ja Historiker, Wirtschaftshistoriker. Lassen Sie uns noch mal in die Geschichte schauen, in die Vergangenheit. Was ist denn aus Ihrer Sicht der bisher größte Handelskonflikt, oder vielleicht auch der längste?
    Abelshauser: Insbesondere natürlich die Weltwirtschaftskrise wäre da zu nennen. Da haben die Amerikaner sich ja, als die Krise einsetzte, dadurch zu retten versucht, dass sie eine riesige Zollmauer aufgebaut haben, und das bedeutete, dass die deutsche Wirtschaft, aber auch die europäische Wirtschaft in Amerika keinen Fuß mehr auf den Boden bekam. Das hat den USA aber letztendlich auch nicht viel genutzt, aber das ist natürlich dann bis Ende des Zweiten Weltkriegs Stand der Dinge gewesen. 1930 bis na ja, Anfang oder Mitte der 40er-Jahre war das der absolute Höhepunkt des Protektionismus und hat ja dann auch die Weltwirtschaftskrise in den 30er-Jahren vor allem auf die Spitze getrieben, und das war natürlich schon ein sehr heftiger Fall von Protektionismus.
    Fröhndrich: Jetzt ist ja auch im Gespräch, Zölle ganz abzusenken. Das fordern einige Ökonomen. Das wäre dann der maximale Freihandel. Gibt es dafür historische Vorbilder?
    Abelshauser: Na ja. Das war im 19. Jahrhundert das große Ziel. Das hat aber nicht funktioniert, weil im absoluten Freihandel vor allem die starken Handelsnationen profitieren. Von daher muss man den Schwächeren für eine gewisse Zeit, nämlich bis sie auf Augenhöhe mit den anderen sind, erlauben, protektionistische Maßnahmen zu ergreifen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.