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Wirtschaftskrise in Venezuela
Leben in der Hyperinflation

"Nach Jahren der Autokratie und der Misswirtschaft ist Venezuela am Rande des Bankrotts", so hat es Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier heute formuliert. Die Menschen im Krisenland leiden unter einer Hyperinflation. Heute wollen wieder Tausende gegen die Maduro-Regierung auf die Straße gehen.

Von Anne-Katrin Mellmann | 12.02.2019
    Ein Mann fährt mit einem Einkaufswagen durch einen Supermarkt in Caracas
    Ein Mann fährt mit einem Einkaufswagen durch einen Supermarkt in Caracas (Deutschlandradio / Burkhard Birke)
    In Venezuela sind für heute neue Massenproteste gegen die sozialistische Regierung von Nicolás Maduro angekündigt. Übergangspräsident Juan Guaidó hat dazu aufgerufen. Die Menschen fordern einen Machtwechsel, weil sie sich davon einen Ausweg aus der Krise versprechen. Die wirtschaftliche Situation in dem südamerikanischen Land ist katastrophal: Lebensmittel- und Medikamente sind knapp und es herrscht Hyperinflation.
    Der Straßenmarkt in einem der Slums von Caracas ist schlecht besucht. Zu hoch seien die Preise, klagen die wenigen Kunden und Verkäuferinnen wie Magali Méndez:
    "Heutzutage muss ich sehr viel ausgeben, um sehr wenige Produkte zu bekommen. Wenn der Dollarkurs steigt, schließen die Großmärkte, alles wird neu ausgepreist. Was ich morgens gekauft habe, ist mittags schon teurer."
    Prognose: Hyperinflation im zweistelligen Millionenbereich
    Zehn Millionen Prozent könnte die Hyperinflation nach IWF-Schätzungen in diesem Jahr betragen. Offizielle Daten geben venezolanische Behörden seit Langem nicht mehr heraus. Am Stand von Frau Méndez kostet ein Päckchen mit zehn Babywindeln einen halben Monats-Mindestlohn, ein Kilo Maismehl einen Viertel. Die Studentin Norma Villalobos hat sich ein halbes Kilo Bananen geleistet:
    "Ich habe schon seit einem Monat kein Obst gekauft, weil es viel zu teuer geworden ist. Das Geld ist nichts mehr wert. Ich versuche, trotzdem noch frisches Gemüse und Obst zu essen, kaufe aber nur noch das billigste, wie Yucca, Kartoffeln oder eben: Bananen."
    Bei Medikamenten ist es schwierig, billigere Alternativen zu finden. Vor einer Apotheke steht eine lange Schlange. Seit Jahren werden in Venezuela so gut wie keine Arzneien mehr hergestellt. Und für die wenigen Importprodukte, die es noch gibt, reicht der Lohn in der Hyperinflation nicht aus. Ein Mittel gegen Osteoporose kostet vier Monatslöhne. Weil er die Verzweiflung seiner Kunden nicht mehr ertrug, begann Javier Rojo, der Sohn des Apothekers, im Internet Medikamentenspenden zu vermitteln.
    Kunden und Patienten sind verzweifelt - Lebensmittel und Medikamente knapp
    "Die Leute veröffentlichen, was sie suchen oder anbieten und wir vermitteln das Medikament und liefern es auch aus. Wir haben keine Liste von Medikamenten, sondern nur das, was andere spenden. Das funktioniert über Twitter und auch Whatsapp, wo wir am Tag etwa 400 Nachrichten bekommen. Zwei Mitarbeiter bearbeiten die Nachrichten. Seit wir im letzten Jahr begonnen haben, gab es schon etwa 5.000 Lieferungen."
    Die Spenden kommen von Angehörigen Kranker, die verstorben sind, oder von Venezolanern, die Medikamente aus dem Ausland mitbringen. Diese Art von Hilfe kann keine Regierung verbieten. Javier Rojo hofft, dass der politische Streit über die ausländische humanitäre Hilfe endlich endet. Maduro-Regierung und Übergangspräsident Juan Guaidó ringen darum, ob sie ins Land darf:
    "Wenn Du den ganzen Tag mit Menschen verbunden bist, die dir schreiben: Ich brauche das Medikament doch nicht mehr, weil mein Kind schon gestorben ist - solche Nachrichten bekommen wir täglich. Die humanitäre Hilfe ist nötig. Das Land muss sich dafür öffnen."
    Der junge Mann gehört zu den 120.000 Freiwilligen, die sich nach Oppositionsangaben bereits gemeldet haben, um bei der Verteilung von Hilfsgütern zu helfen – falls sie ins Land kommen sollten.