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Wirtschaftsweise zur Coronapolitik
Warnung vor Hilfen für einzelne Branchen

Die Wirtschaftsweisen haben Vorschläge vorgelegt, wie die Regierung auf den wirtschaftlichen Einbruch durch die Coronakrise reagieren könnte. Maßnahmen für einzelne Branchen wie zum Beispiel eine Kaufprämie für Autos lehnt das Gremium ab. Es brauche stattdessen Investitionen in Strukturprojekte.

Von Johannes Kuhn | 22.05.2020
Baustelle mit gelber Kabelrolle und Absperrungen vor einem Feld, hier werden Glasfaserkabel für den Breitbandausbau verlegt
Investitionen in den Breitbandausbau seien eine gute Möglichkeit, um der Wirtschaftskrise entgegenzuwirken, sagen die Wirtschaftsweisen (imago)
Der Sachverständigenrat rechnet, so wörtlich, mit einem "historisch großen Einbruch". In einem Gastartikel in der "Süddeutschen Zeitung" warnt das fünfköpfige Gremium vor einer weiterhin hohen Insolvenzgefahr für viele Unternehmen. Die Wirtschaftsweisen schlagen aber auch Gegenmaßnahmen vor, um eine langanhaltende Rezession zu verhindern.
Der Sozioökonom Achim Truger, der von den Gewerkschaften in das Gremium entsandt wurde: "Die erste Botschaft ist, dass Konjunkturunterstützung notwendig sein wird. Das heißt, es braucht noch zusätzliche Maßnahmen, um die Erholung anzukurbeln und zu unterstützen. Und dabei sozusagen die zweite Botschaft: Man sollte sich nicht verzetteln und sich sozusagen von allen möglichen Einzelinteressen vereinnahmen lassen und da lauter kleine Maßnahmen beschließen, sondern breit wirkende allgemeine Maßnahmen."
Konkret warnt der Sachverständigenrat davor, Maßnahmen für einzelne Branchen zu entwickeln – und nennt die Kaufprämie für Autos als Beispiel: Maßnahmen wie diese verfestigten tendenziell bestehende Strukturen. Eine durchschlagene konjunkturelle Wirkung hätten sie nicht.
Investitionen in Strukturwandelprojekte
Stattdessen rät das Gremium zu Investitionen in Strukturwandelprojekte. Dazu gehören zum Beispiel Klimaschutz, Digitalisierung und Bildung. Der Sozioökonom Truger:
"Da sollte man das, was man ohnehin machen muss, noch ausbauen und beschleunigen. Und das betrifft natürlich den öffentliche Nahverkehr, das betrifft das Gesundheitswesen, das betrifft die Energienetzwerke, den Breitbandausbau, die Digitalisierung sozusagen auch in Behörden und Unternehmen. Da kann man große Schwerpunkte setzen."
Um die Liquidität von eigentlich gesunden Firmen zu verbessern, schlagen die Wirtschaftsweisen eine Ausweitung des steuerlichen Verlustrücktrags vor: Die Möglichkeit also, die anstehenden Verluste aus diesem Jahr mit bereits versteuerten Gewinnen zu verrechnen. Dies ist im Zuge der Coronakrise für maximal 15 Prozent der Einkünfte möglich, die den Vorauszahlungen für 2019 zugrunde gelegt wurden. Die Deckelung erfolgt bei einer Million Euro.
Lars Feld, Vorsitzender des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung "Wirtschaftsweisen" steht vor dem Walter-Euken-Institut.
Der Ökonom Lars Feld ist seit dem März 2020 Vorsitzender des Gremiums (dpa / picture alliance / Patrick Seeger)
Unternehmer, aber auch die Unionsfraktion im Bundestag, hatten hier bereits Nachbesserungen gefordert. Deborah Schanz, Vorständin des Instituts für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre der LMU München.
"Zunächst ist es so, dass Soforthilfe möglich ist, weil ja alles über Steuerpflichtige bekannt ist. Das heißt, es muss kein Einzelantrag gestellt werden, es müssen nicht neue Bankdaten bekanntgegeben werden, Kreditwürdigkeit geprüft werden oder ähnliches. Sondern man kann sofort den Steuerpflichtigen Geld überweisen. Das ist natürlich sehr charmant."
33D-Modell des Coronavirus SARS-CoV2
Alle Beiträge zum Coronavirus (imago / Rob Engelaar / Hollandse Hoogte)
Die USA haben im Zuge der Krise Verlustrücktrag auf bis zu fünf Jahre verlängert. Wie weit sollte Deutschland gehen? Deborah Schanz:
"Das ist einfach ein fiskalischer Aspekt, zu sagen: wie weit will man hier gehen. Mehrere Jahre, zum Beispiel drei Jahre, machen sicherlich Sinn. Gerade bei kleinen Unternehmen, die gestreckt über die Zeit Steuern gezahlt haben."
Laut Spiegel plant Finanzminister Olaf Scholz beim anstehenden Konjunkturpaket, Abschreibungen oder Investitionszulagen zu erleichtern.
Konkreter sind die Pläne in der Frage, wie Familien unterstützt werden. Dem Magazin zufolge sollen Familien für jedes Kind einmalig 300 Euro erhalten. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet schlägt 600 Euro vor.
Insgesamt rechnet die Regierung bei dem für Juni geplanten Konjunkturpaket mit einem Volumen von bis zu 150 Milliarden Euro.