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Wirtschaftswissenschaften und die Finanzkrise
Auf der Suche nach mehr Transparenz und Regulierung

Der Ausbruch der Finanzkrise vor zehn Jahren hat auch die wirtschaftswissenschaftliche Lehre verändert. Ökonomische Modellrechnungen werden heute stärker hinterfragt als früher - und der Ruf nach mehr Transparenz und staatlicher Regulierung ist auch in die Uniseminare vorgedrungen.

Von Ludger Fittkau | 15.09.2018
    Hell erleuchtet sind die Büros der Bankentürme hinter einer Brücke über den Main am 23.11.2015 in Frankfurt am Main (Hessen) bei Einbruch der Dunkelheit
    Methoden, wie man Finanztransaktionen transparenter und weniger manipulierbar machen kann, sind mittlerweile Themen in Uni-Seminaren. (dpa / picture-alliance / Frank Rumpenhorst)
    Florian Deuflhard promoviert zurzeit im House of Finance der Goethe-Uni Frankfurt am Main zum Thema Wettbewerb im Bankensektor. Der junge Wirtschaftswissenschaftler glaubt schon, dass die Finanzkrise die Lehre an den wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten hierzulande verändert hat. Neue Lehrinhalte gäbe es etwa bei der Frage der Auswirkungen der Geldpolitik auf die Realwirtschaft. Aber, so Florian Deuflhard, "aber das ist auch eine Frage der Qualität von Professoren zum Beispiel, kann ich ihnen ganz ehrlich sagen. Es gibt einfach auch sehr, sehr viele Professoren, die ihr Zeug selber nicht richtig verstehen. Und da muss man dann halt mit den absoluten Topleuten reden und da auch noch an die richtigen kommen."
    Tugay Barak schreibt gerade in den Wirtschaftswissenschaften seine Masterarbeit zur internationalen Rechnungslegung. Man habe im Studium beispielsweise über die große Macht anonymer internationaler Finanzfonds nachgedacht:
    "Die Verantwortung ist halt auf jeden Fall ein wichtiger Aspekt. Aber ich bin der Meinung, dass ich, wenn ich mit meinem eigenen Geld handele, dass ich da anders mit umgehe, als wenn ich beispielsweise einen Fonds habe, der halt über verschiedene Akteure zusammengestellt wird. Dass man da auf jeden Fall dazu neigen könnte, ein bisschen unvorsichtiger damit umzugehen und höhere Risiken einzugehen. Weil ich meine: Wenn das Geld weg ist, dann ist das halt nicht mein Geld, sondern das Geld vieler anderer."
    Das könne man natürlich kritisch hinterfragen, aber es sei möglicherweise menschlich, gibt Tugay Barak zu bedenken.
    Ökonomische Modellrechnungen infrage gestellt
    Wo man in den Seminaren jedoch heute mehr als früher über den Tellerrand guckt, ist bei der Suche nach Methoden, wie man Finanztransaktionen transparenter und weniger manipulierbar machen kann. Lückenlose und unveränderbare Datenaufzeichnung im Finanzsektor soll etwa die sogenannte Blockchain-Technologie bringen, die in der staatlichen Finanzaufsicht genauso diskutiert wird wie bei den Studierenden. Tugay Barak:
    "Wenn man den technologischen Hintergrund so ein bisschen kennt, dann weiß man, dass Manipulationen eigentlich nicht möglich sind. Aber das ist natürlich noch alles Zukunftsmusik und man hat noch nicht die empirischen Befunde dafür und deswegen kann man das langfristig noch nicht bewerten. Aber man geht davon aus, dass das zukünftig der Heilige Gral werden könnte."
    Florian Deuflhard ist froh darüber, dass nach der Finanzkrise in den Wirtschaftswissenschaften die ökonomischen Modellrechnungen infrage gestellt worden sind, die zuvor jahrzehntelang oft unterhinterfragt zum Wissenskanon für einen funktionierenden Finanzmarkt gehörten – sich aber in der Krise als untauglich erwiesen haben:
    "Eine Sache, die man begriffen hat, ist zum Beispiel, dass viele bestehende makro-ökonomische Modelle, die davor existierten, ganz wichtige Elemente nicht beinhalteten, die in der Realität wichtig sind."
    Mangelhafte Regulierung der Banken stärker in den Blick genommen
    So sei etwa die lange gültige Lehre, dass Banken und auch andere Unternehmen nahezu unbegrenzt Schulden machen können, um damit letztlich ihren Profit zu maximieren, durch die Bankenkrise auch in der Lehre infrage gestellt worden. Denn man habe etwa gesehen, dass im Krisenfall ein schneller Schuldenabbau zu einer sogenannten "Deleverage- Spirale" führe. Florian Deuflhard erklärt den Begriff:
    "Es war also so, dass alle mehr oder weniger gleichzeitig alles verkaufen und auch Wertgegenstände oder Finanzinstrumente deutlich unter ihren fundamentalen Wert fallen, dass Geld sozusagen verschwindet."
    Die Wirtschaftswissenschaften hätten die in der Finanzkrise sichtbar gewordene mangelhafte Regulierung der Banken stärker in den Blick genommen als zuvor, so Deuflhard. Und die Politik hätte schließlich diese veränderte Lehre der Ökonomen aufgenommen:
    "Auf jeden Fall! Es wurde im Rahmen der Basel III-Regulierung zum Beispiel sehr, sehr viel stärker mit aufgenommen, dass sogenannte systemrelevante Banken, die, falls sie Bankrott gehen, das Finanzsystem gefährden können, das die stärker reguliert werden."