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Wissenschaftsberichterstattung
Persönlicher Rückblick

Mathias Schulenburg war Mitarbeiter der ersten Stunde und ist jetzt im wohlverdienten Ruhestand. Für die Jubiläumssendung schlüpfte er noch einmal in die Rolle des Berichterstatters und steuerte einen persönlichen Rückblick bei.

Von Mathias Schulenburg | 03.04.2014
    "Forschung aktuell – aus Naturwissenschaft und Technik. Durch die Sendung führt Edgar Forschbach."
    Edgar Forschbach - Deutschlandfunk (Juni 1988)
    Edgar Forschbach (Deutschlandfunk - Ludwig Rink)
    "Guten Tag! Wir werden uns heute in Forschung aktuell…"
    Das war vor 25 Jahren. Als "Forschung aktuell" am 3. April 1989 die erste reguläre Sendung im heutigen Format aufnahm – 25 Minuten Sendezeit, jeden Tag – waren die innerdeutschen Verhältnisse gerade in heftige Bewegung geraten:
    "Wir sind das Volk!"
    Und dann ging alles ganz schnell: Am 1. Dezember ´89 konnte Gerd Pasch, Redakteur der ersten Stunde, erstmals eine Sendung in der DDR moderieren, in einem Studio des Deutschlandsenders im Hygienemuseum in Dresden.:
    Gerd Pasch: "Ich hatte mit der Technischen Hochschule, mit der RWTH in Aachen und mit der Technischen Hochschule in Dresden - die hatten einen Kooperationsvertrag - überlegt, ob wir nicht eine gemeinsame Sendung aus Dresden machen könnten. Und dieses Interesse an dieser Sendung habe ich an die Ständige Vertretung in der DDR weitergegeben und fast ein halbes Jahr nichts gehört. Am 9. November kam dann, das war der Tag nach dem Fall der Mauer, ein Fernschreiben aus Berlin, ganz kurz nur: 'Ihr Sendevorhaben in Dresden ist genehmigt.'"
    Gerd Pasch während eines Interviews
    Gerd Pasch (l.) (Foto: Deutschlandfunk)
    Die politischen Umwälzungen hatten auch für die Wissenschaft Folgen. 1993 wurde in den USA nach schweren Kostenüberschreitungen ein wissenschaftliches Riesenprojekt abgebrochen: der Bau des Beschleunigers "Superconducting Supercollider". In Lindau stellte der Nobelpreisträger Ivar Giaver damals einen interessanten politischen Zusammenhang mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion her:
    "In den Vereinigten Staaten war besonders die physikalische Forschung nach dem Zweiten Weltkrieg immer vom Militär gesteuert. Wir Physiker mögen das nicht, wir machen uns nie Gedanken darüber, aber es stimmt schon. Das meiste Geld, das wir vom Kongress bekamen, lag daran, weil der Kongress dachte, die Sowjetunion könnte uns überlegen sein und deswegen haben wir halt Geld gekriegt, damit es nicht dazu kam."
    Dass die Wissenschaft nicht immer porentief rein über den Dingen schwebt, hat auch Forschung aktuell erfahren, beim 20. Geburtstag der Sendung sagte Ulrich Blumenthal, Redaktionsleiter:
    "Ganz, ganz wichtige Sache, über die wir auch immer wieder diskutieren – ist, dass das Feld unserer Berichterstattung, die Wissenschaft, viel stärker von Interessen, von Lobbyisten, von Leuten, die irgendwelche Absichten haben, von Geld natürlich, von Zuweisungen, von Projekten und so weiter bestimmt wird – das war in den ersten Jahren, 93, 92, 91 gar nicht so der Fall. Da waren wir wahrscheinlich auch viel zu jungfräulich, um darüber nachzudenken, da hatten wir viel zu viel Sorge, dass wir unser Programm nicht voll kriegen, aber das ist natürlich viel stärker auch in der Welt jetzt unser Thema, dass wir schauen, wer hat welche Interessen."
    Redaktionsleiter Uli Blumenthal beim Sommerfest 2009
    Uli Blumenthal (Foto: Deutschlandfunk)
    1994. Das reparierte Hubble-Weltraumteleskop zeigte phantastische Bilder, darunter, wie sich der Komet Schumacher-Levy in der Jupiteratmosphäre zerlegt. Das Ozon-Loch öffnete sich. Die BSE-Krise erreichte medial wie real einen Höhepunkt. Forschung aktuell ist überall dabei und das war der Kick, erinnert sich Christiane Knoll, Redakteurin von "Wissenschaft im Brennpunkt":
    "Das hatte auch einen enormen Spaßeffekt, dass man hier aktuell arbeiten konnte und so schnell die Sachen umgesetzt hatte im Sender. Wo das Ganze auf die Spitze getrieben wurde, waren die Nobelpreise. Das war für mich gerade in der Anfangsphase das Erlebnis schlechthin im Jahr, wenn man versucht hat, die Nobelpreisträger als Erster ans Telefon zu bekommen und da waren, gerade in der Anfangszeit, wir fast die Einzigen, die das überhaupt versucht haben."
    Redakteurin Christiane Knoll (Porträtaufnahme in Schwarz-Weiß)
    Christiane Knoll (Deutschlandfunk / Uli Blumenthal)
    Die rasanten Fortschritte in der Elektronik machten erste Scheinwelten möglich. Der amerikanische Pionier Tom Furness zeigte in Bochum deutschen Akustikern, wie man die Aufmerksamkeit eines gestressten Piloten bekommt – mit der perfekt simulierten Stimme von dessen Tochter:
    "Daddy, Dein rechtes Triebwerk brennt!!"
    In hintergründigen Computersendungen und "Brennpunkten" hat sich "Forschung aktuell" stetig bemüht, zu erkunden, was die kybernetischen Errungenschaften in der Welt der Werktätigen wirklich zuwege bringen, auch auf See, etwa auf dem Krabbenkutter von Frau Pedersen:
    "Frau Pedersen, ich habe Ihnen nun Cyberspace des langen und breiten erklärt…"
    "Sicher, Datenhandschuh, nicht, den Sjuut, den Dattasjuut, das hab' ich wohl kapiert."
    "Was meinen Sie denn, wie weit könnte das Cyberspace-Konzept in Zukunft tragen?"
    "Na, den Kutter könnte man wohl nachmachen, nicht? Aber eins können Sie ja nie machen in diesem Ding."
    "Und was?"
    "Na, Krabben pulen natürlich. Mit den Handschuhen kriegen Sie doch keine Krabbe gepult!! Und wo soll man sich die dann hinschieben, nicht? Na, in den Sjuut vielleicht? Die schmecken dem doch gar nicht, die gepulten Krabben!"
    Die Entdeckung des Higgs-Bosons, zu dem ein Feld gehört, das Elementarteilchen erst Masse verleiht, war die vorerst letzte wissenschaftliche Großtat, die 2013 mit einem Nobelpreis gewürdigt wurde. Peter Higgs, einer der Preisträger, gönnte sich zur Feier etwas Gutes, eine Flasche Champagner:
    Angestellten-Quartett bei Forschung aktuell
    Die (fast) vollständige Redaktion (Foto: Deutschlandradio )
    "Well, I’ll probably go and open a bottle of champagne for a start, to celebrate."
    Die Redaktion von Forschung aktuell, strengem Arbeitsethos verpflichtet, hat heute bei Brötchen und Kaffee gefeiert. Bis jetzt jedenfalls.