Selten verschwand ein Theater so gründlich von der Bildfläche wie das kleine Haus nächst dem großen Schloss Estoras in der Pusta, in dem Joseph Haydn im 18. Jahrhundert seine Opern aufführte: Nikolaus "der Prachtliebende" starb, die Sänger verflüchtigten sich, die Kapelle wurde aufgelöst (weil der Nachfolger andere Prioritäten setzte) - und dann schlugen auch noch die Flammen zu. Nur ein Täfelchen erinnert heute an den Standort - und eine leichte Verfärbung auf der Grasnarbe.
Auch in anderer Weise konnte die Geschichte über die heroischen Orte des Opernlebens so hinweggehen, dass von den originalen Schauplätzen nichts mehr blieb. Das Treppenhaus der Uffizien in Florenz, in dem 1600 anlässlich der Hochzeit des Königs von Frankreich, Henri IV., mit seiner zweiten Frau, Maria de Medici, gefeiert und aus diesem Anlass mit Jacopo Peris "Euridice" das erste Werk aufgeführt wurde, das als vollgültige Oper angesehen werden kann, hat man seitdem so umgebaut, dass der originale Zustand nicht einmal mehr zu erahnen ist.
Wo genau in Venedig sich 1642 das Teatro di SS. Giovanni e Paolo befand, in dem Claudio Monteverdi sein letztes Bühnenwerk, "L'incoronazione di Poppea", zur Uraufführung brachte, weiß niemand mehr zu sagen. Verschwunden auch das aus der französischen Zeit stammenden Old Opera House an der Ecke Calle de Tolosa/Bourbon Street in New Orleans - dort befindet sich heute jazzbeschallte Großgastronomie.
Die meisten klassischen Musiktheater-Etablissements in den (ehemaligen) Kolonien sind schon lange heruntergekommen. Werner Herzog spürte der Dekadenz mit Klaus Kinski und dem brasilianischen Film-Epos "Fitzcarraldo" nach. Das "New Empire" in Calcutta und das "Royal Opera House" in Bombay, beide bis in die 40er Jahre des vorigen Jahrhunderts mit Oper und Operette bespielt, dienten seither als Kinos. Immerhin stehen die Hüllen noch - wie in Syrakus. Seit vierzig Jahren wurde hier nicht mehr gespielt, sagt die Wirtin der Bar Teatro. Man sieht es: die Eisenteile sind verrostet, die Fenster geborsten. Wenn kein Wunder geschieht, wird sich hier wohl nie mehr der große Ton aufschwingen.
Wie in Oberhausen, wo die Kommunalverwaltung Anfang der 90er Jahre das Ende der Opernsparte besiegelte und diese sich mit Malipiero-Einaktern verabschiedete. Immerhin ist kein Teppich-Markt in das Haus eingezogen - es dient fürderhin den prosaischeren Künsten des Sprechtheaters; aber es ist eben nicht mehr viel Musik drin. Eine vergleichbare Zukunft hat, wenn sich die "Denkanstöße" und Vorgaben der neuen Berliner Kulturpolitik bundesweit durchsetzen, wohl noch so mancher Opernbetrieb vor sich. Denn nach der mehr oder weniger glücklich verlaufenen Theater-Fusionswelle des letzten Jahrzehnts steht nun ein größeres Revirement an, mit dem durch die Schließung von Sparten und die Konzentration der noch bescheidener werdenden finanziellen Kräfte das Überleben einer ausgedünnten Opernlandschaft gesichert werden soll. Von der Fülle des Wohllauts ist der Weg oft kurz zum Vakuum.
Link: mehr ...
1842.html