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Wohin mit giftigen Abfällen?

Nicht nur Atommüll, auch hochgiftige Chemieabfälle müssen für sehr lange Zeit sicher verstaut werden. Die gefährlichsten aller Abfälle, die sich nicht entschärfen lassen, in alte Bergwerke einzulagern, wird international als immer interessanter angesehen. Auf einem Workshop in Braunschweig diskutierten Experten diesen Ansatz.

Von Dagmar Röhrlich | 01.12.2010
    Für besonders gefährliche Stoffe, die für immer aus der Umwelt herausgehalten werden sollen, weil sie wirtschaftlich nicht behandelt werden können, gibt es in Europa eine Lösung: Sie landen in alten Bergwerken. "Untertage-Deponierung" heißt das Stichwort:

    "Sie hat sich zu einer Spezialität hier entwickelt, weil einfach die geologischen Voraussetzungen hier in Deutschland sehr gut geeignet sind, und auch die ganze Geschichte des Bergbaus und die Erfahrungen, die damit gesammelt worden sind, das in Summe hat dann den heutigen Stand ergeben, aber das muss nicht auf Deutschland beschränkt bleiben."

    Thomas Brasser von der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit GRS in Braunschweig. Für diese europäische Spezialität interessieren sich aber auch immer mehr Entwicklungs- und Schwellenländer. Denn auch sie müssen ihre gefährlichen Abfälle aus der Biosphäre heraushalten:

    "Wie viel gefährliche Abfälle weltweit entstehen, ist schwer zu sagen, weil viele Daten fehlen und das Bild nicht vollständig ist. Das UN-Umweltprogramm UNEP geht davon aus, dass es jährlich etwa 250 Millionen Tonnen sind."

    Ibrahim Shafii, Mitglied des Sekretariats zur Baseler Konvention. Sie regelt den grenzüberschreitenden Verkehr gefährlicher Abfälle:

    "Gefährliche Abfälle fließen wie Wasser immer dorthin, wo der Widerstand am geringsten ist."

    Nämlich in Entwicklungs- und Schwellenländer, wo einige der Stoffe durchaus auch recycelt werden sollen. Dabei können sich durch mangelhafte Methoden noch giftigere Stoffe bilden, die vom Risiko her in Untertagedeponien am besten aufgehoben wären. Gefährliche Abfälle entstehen in Entwicklungs- und Schwellenländern auch durch veraltete Produktionsmethoden, die in den Industrienationen längst durch moderne Verfahren ersetzt worden sind. Gleichzeitig gibt es in diesen Ländern oft weder Sammelverfahren noch spezielle Verbrennungsanlagen oder Deponien für besonders überwachungsbedürftige Abfälle. Außerdem sehen sich einige Staaten noch ganz anderen Herausforderungen gegenüber. Müfit Bahadir:

    "Es kommt ein Problem dazu, dass insbesondere in Südostasien, durch natürliche Prozesse sehr viel Arsen freigesetzt wird, durch Erosion zum Beispiel von jungem Gebirge wie dem Himalaja, der dieses Arsen mit den Abflüssen wie Mekong bis zum Chinesischen Meer getragen und auf diesem Weg dorthin alle Grundwässer, Oberflächenwässer, Trinkwässer kontaminiert."

    Das Arsen vergiftet die Menschen, wenn es nicht aus dem Trinkwasser entfernt wird. Deshalb lernten die Bewohner der betroffenen Regionen, wie sie das Gift mit einfachen Mitteln herausholen können. Bahadir:

    "Das produziert dann natürlich auch in jedem Haushalt zwar kleine Mengen, aber dafür über das ganze Land verstreut gefährliche Abfälle, die man sammeln müsste, die man dann vernünftig deponieren müsste, und eben diese Strukturen existieren dort nicht. Was bei uns hier sehr gut funktioniert, ist dort nicht geschaffen, das ist das große Problem in diesen Ländern."

    In Europa landen Stoffe wie Arsen oder auch Dioxine in Untertagedeponien. Das wäre auch für das Quecksilber der sicherte Ort, das in Südamerika bei der Goldgewinnung freigesetzt wird und dort Sorgen bereitet: Es belastet die Böden und gerät in die Nahrungskette. Wie man es aus dem Ökosystem holt, wird erst noch erforscht. Aber am Ende steht dann wieder die Frage, wohin damit: Ibrahim Shafii:

    "Die Untertagedeponien sind etwas für die wirklich gefährlichen Abfälle wie Quecksilber."
    Voraussetzung ist allerdings, dass sie die Stoffe für immer einschließen - sprich: dass sie wasserdicht sind. Denn Wasser trägt die Gifte wieder in die Biosphäre hinaus. Und es hat dafür alle Zeit der Welt: Chemiemüll bleibt auch nach Jahrmilliarden noch so giftig wie am ersten Tag.