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Wohl oder übel? Lebensmittel in Deutschland

Seit September müssen nach dem Verbraucherinformationsgesetz Behörden früher und deutlicher Verfehlung und Firma nennen, wenn es einen Lebensmittelskandal gibt. Für ungefährliche Lebensmittel ist auch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zuständig - eine bisweilen unappetitliche Bestandsaufnahme.

Von Anja Nehls | 08.11.2012
    Erst vor wenigen Monaten erkrankten 11.000 Kinder an Brechdurchfall, weil chinesische Erdbeeren mit Noroviren belastet waren. Im vergangenen Jahr forderte die Ehec-Epidemie über 40 Todesopfer - Grund waren belastete Sprossen-Samen aus Ägypten. Das Vertrauen der Verbraucher in die Lebensmittelüberwachung in Deutschland hat dadurch gelitten:

    "Kann viel draufstehen, aber im Endeffekt, wo es herkommt, ist was anderes."

    "Natürlich kann man da auch nicht überblicken, was tatsächlich nach Deutschland reinkommt, egal, welche Produkte es sind."

    "Ich habe drei Kinder, mehr Kontrollen wären ganz gut."

    "Irgendwo in Restaurants, wie das da zum Teil abläuft, also wird viel zu locker mit umgegangen bei uns."

    "Im Bereich der Vorsorge und der Überprüfung muss eigentlich genau soviel oder noch mehr getan werden."

    Komplett verhindern kann die Lebensmittelkontrolle solche Epidemien durch belastete Lebensmittel nicht, das hat der Präsident des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit BVL, Dr. Helmut Tschiersky-Schöneburg, heute eingeräumt. Denn viele Lebensmittel gelangen aus dem Ausland nach Deutschland. Darauf soll nicht verzichtet werden, denn der internationale Lebensmittelhandel bereichert auch unseren Essenstisch:

    "Wir sehen natürlich, dass mit der Globalisierung die Risiken zu uns kommen können, und das BVL steuert dem entgegen, indem wir beispielsweise Projekte und Kooperationen mit Behörden in Ursprungsländern eingehen, um ihnen die Möglichkeit zu geben, sich so aufzustellen, dass sie unseren Sicherheitsanforderungen genüge tun können."

    Mittels Schnellwarnmeldungen werden zum Beispiel die Behörden in Europa informiert, wenn an den Grenzen zum Beispiel durch Keime belastete Lebensmittel zurückgewiesen werden. Fast jede vierte Probe wird dort beanstandet. Bei Kontrollen auf Pflanzenschutzmittel fallen Lebensmittel aus dem Ausland weit häufiger auf, als die aus einheimischer Produktion. Schwieriger noch ist die Kontrolle des Internethandels. Wein, Konserven, Schinken und sogar Brot, fast alles kann heutzutage über das Internet bestellt werden, das kommt per Post. Die Anbieter sitzen häufig im Ausland. 40 Prozent der Onlinehändler sind in Deutschland nicht registriert. Die möchte das BVL unter Überwachung der Lebensmittelaufsicht bringen. Eine Projektgruppe soll nun eine dauerhafte Einrichtung werden und sich schwerpunktmäßig damit beschäftigen:

    "Indem Suchmaschinen ganz gezielt das Internet durchsuchen nach solchen Anbietern, die Zahlungsverkehr haben, wenn es sich um Lebensmittelanbieter handelt, werden uns diese Suchergebnisse gemeldet und wir geben sie an die zuständigen Behörden der Bundesländer weiter."

    Denn die Lebensmittelkontrolle ist Ländersache. Das Bundesamt kann lediglich bestimmte Bereiche koordinieren. Einen Schwerpunkt des bundesweiten Überwachungsplanes im vergangenen Jahr bildeten zum Beispiel Großküchen und Kantinen. Mehr als 1000-mal wurde in allen Bundesländern kontrolliert, mit im Durchschnitt sehr guten bis guten Ergebnissen.

    Weit bedenklichere Ergebnisse erbrachten die Kontrollen in Restaurants, die sich damit beschäftigten, ob der Gast tatsächlich das auf dem Teller vorfindet, was die Speisekarte verspricht. In fast jedem zweiten Fall wurden nicht Seezungenfilet serviert, wenn Seezunge versprochen war, sondern eine billigere Fischart.
    Fast eine Million Kontrollbesuche in über einer halben Millionen Betriebe haben die Mitarbeiter der Lebensmittelüberwachung der Bundesländer im vergangenen Jahr durchgeführt. In jedem vierten Betrieb gab es Beanstandungen – hauptsächlich wegen mangelnder Hygiene. Von ebenfalls fast einer halben Millionen Lebensmittelproben waren 13 Prozent nicht ganz in Ordnung.