Freitag, 29. März 2024

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Wohltätigkeitskonzert "One World"
"Ein Schlag ins Gesicht von Trump"

Beim achtstündigen Charity-Konzert "One World: Together at Home" haben Stars wie die Stones, Jennifer Lopez, Sam Smith und Billie Eilish Millionen Dollar für den Kampf gegen Corona eingesammelt. Das Videoclip-Feuerwerk der Promis war ein Erfolg - heimlicher Verlierer ist vor allem die US-Regierung.

Adalbert Siniawski im Gespräch mit Thekla Jahn | 20.04.2020
Die Mitglieder der Rolling Stones spielen beim Konzert "One World: Together At Home" jeweils von zu Hause aus "You Can't Always Get What You Want".
Offen und gut aufgelegt: Die Rolling Stones spielen beim Konzert "One World: Together At Home" jeweils von zu Hause aus "You Can't Always Get What You Want" (AFP / Getty Images for Global Citizen)
Stevie Wonder, die Rolling Stones, Jennifer Lopez, Sam Smith, Billie Eilish, Shawn Mendes – das sind nur einige der mehreren Dutzend Namen von Pop-Musikerinnen und Musikern, die in der Nacht auf Sonntag beim Wohltätigkeitskonzert "One World: Together at Home" aufgetreten sind. Die Hilfsorganisation "Global Citizen" hatte zusammen mit der US-Musikerin Lady Gaga Bands zusammengetrommelt, um dem Gesundheitspersonal weltweit in der Corona-Krise zu danken und Geld zu sammeln für den Solidaritätsfond der Weltgesundeitsorganisation WHO. Und das Besondere an dem Konzert: Es fand den weltweilten Ausgangsperren entsprechend rein virtuell statt – als Abfolge von selbstgedrehten Videos der Musiker*innen im Stream.
Lady Gaga glänzt, Elton John schnappt nach Luft
"Die Botschaft war ganz klar: Die Menschen in den Krankenhäusern und Arztpraxen, aber auch in der Nachbarschaftshilfe, machen jetzt in der Corona-Krise eine wichtige und lebensrettende Arbeit", sagte DLF-Kollege Adalbert Siniawski, der sich die ganzen acht Stunden zu Hause angesehen hatte. Das Wort "Heroes" sei – wie so häuftig in den USA – mehrfach gefallen, was für deutsche Ohren immer etwas übertrieben klinge. Diese Botschaft habe sich auch in den Songtexten der Künster*innen gespiegelt, etwa Lady Gagas Interpretation des Charlie-Chaplin-Song "Smile" - "die Mutmach-Nummer par excellance", befand Siniawski. Elton John habe am Klavier mit "überdrehter, deutlich angestrengter Stimme" seinen Hit "I’m Still Standing" geschmettert, Taylor Swift ihre Ballade "Soon You‘ll Get Better".
Der einzige deutsche Act, Milky Chance, sei mit dem internationalen Hit "Stolen Dance" von 2014 "sehr sympathisch, sehr authentisch rübergekommen: zwei Hipster-Jungs im Heimstudio - der eine an der Gitarre, der andere am Bass - die mit so einer Slacker-Attitüde sehr zurückgelehnt und unaufgeregt ihren Song zum besten geben". Ihre vier Minuten Zeit hätten sie mit einer klaren Botschaft versehen: "Jeder hat die Verantwortung zu Hause zu bleiben und so die Ausbreitung des Virus aufzuhalten."
Superstars sind uns gleich und ganz nah
Das Format des virtuellen Wohltätigkeitskonzerts in selbstgedrehten Clips habe dazu geführt, dass "Sound- und Aufnahmequalität deutlich schwankten", zum Teil wirkten die Videos unscharf und vom Klang her übersteuert, wie etwa beim Einspieler von Paul McCartney mit einer verfremdeten Version des Beatles-Klassikers "Lady Madonna". "Das hatte natürlich etwas Enttäuschungspotential, wenn der Superstar das Video in dieser Zwischen-Tür-und-Angel-Ästhetik von YouTubern heraushaut – da hätte ich mir schon mehr Engagement und auch eine spezielle Ansprache gewünscht", meinte Siniawski. Auf der anderen Seite hätten sich die Künstler auf diese Weise mit uns Zuschauern auf eine Ebene begeben, eine, die wir alle kennen: den wackeligen Videochats mit Freunden und Familie - "da waren uns die Superstar plötzlich ähnlich und irgendwie ganz nah".
Insgesamt sei die auch politische Botschaft "One World: Together at Home" aufgegangen, bilanzierte Siniawski - auch wenn sich das achstündige Format in die Länge gezogen habe und die wirklichen Top-Acts erst in den letzten zwei Stunden zu sehen waren. Die Organisation Global Citizen habe Spenden in Höhe von knapp 130 Millionen US-Dollar gesammelt, die sie an den Solidaritätsfonds der WHO gehen sollen.
"Und das ist wohl die vielleicht wichtigste Botschaft dieses Abends", wie Siniawski betonte, denn wenige Tage vor dem Konzert habe US-Präsident Trump der WHO Missmanagement im Kampf gegen die Corona-Krise vorgeworfen und einen Stopp der Beitragszahlungen der USA angeordnet. "Und mit diesem Konzert hat die kulturelle Elite der USA eine beeindruckende Solidariätsgeste gegenüber der WHO gemacht." Eine Soldaritätsgeste, der sich auch die ehemaligen First Ladies der USA, Laura Bush und Michelle Obama, in Form von Appellen angeschlossen haben – anders als Melania Trump. "Das war schon insgesamt nicht nur ein Dank an die Corona-Krisenhelfer, sondern auch ein Schlag ins Gesicht der US-Regierung unter Donald Trump."