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Wohnheime
Neue Wohn-Konzepte für Demenzkranke

1,4 Millionen Demenzkranke gibt es in Deutschland, im Jahr 2050 sollen es doppelt so viele sein. Bei einer Tagung zum Thema "Quartiersmanagement und extramurale Pflege" diskutierten Wissenschaftler die Möglichkeiten bedarfsgerechter Unterbringung.

Von Dörte Hinrichs | 11.03.2014
    "Okay, gehen wir rund hier in De Hogeweyk. Jetzt stehen wir hier auf dem Theaterplatz", erläutert Yvonne van Amerongen, Managerin des Demenzdorfes "De Hogeweyk". "Wir denken, dass es wichtig ist für Menschen mit tiefer Demenzkrankheit, dass sie irgendwo leben, wo sie das normale Leben weiterführen können."
    Alltag als Leitlinie
    Im Kopf verändert sich gerade so viel, da wünschen sich die meisten Menschen mit Demenz so wenig äußere Veränderung wie möglich. Das wird in den Niederlanden beispielhaft im Demenzdorf umgesetzt. Denn oft sind Familien mit betroffenen Angehörigen überfordert oder es fehlt ambulante Hilfen an Ort und Stelle. An der Universität Witten-Herdecke sucht man auch nach neuen, integrierenden Konzepten, so die Pflegewissenschaftlerin Prof. Ulrike Höhmann:
    "Und zwar solche Konzepte, in denen die Menschen möglichst lange, möglichst normal zu Hause in ihrer Umgebung leben können. Dazu sind multiprofessionelle Lösungen erforderlich. Um das erreichen zu können, dass also Infrastrukturmaßnahmen und Versorgungskonzepte ineinandergreifen, haben wir eine solche Tagung als einen Einstieg gewählt in diese Thematik, in der wir versuchen, erst einmal zentrale Rahmenbedingungen dieser Überlegungen zusammenzufügen."
    Daraus ergeben sich beispielsweise folgende Fragen: "Wie kann denn die Krankenhausversorgung für Menschen mit Demenz verbessert werden? Das ist ja immer ein Riesenproblem, wenn eine demenziell erkrankte Frau zum Beispiel mit einem Schenkelhalsbruch in die Chirurgie kommt. Das erzeugt ja nur Chaos. Dann die Frage, wie kann man eigentlich passgenaue Unterstützungskonzepte für demenziell Erkrankte und ihre Familien aufbauen?"
    Versorgung von Demenzkranken als Studiengang
    Damit setzen sich unter anderem auch Mediziner, Versicherungsmathematiker, Juristen, Ingenieure und Architekten an der Universität Witten-Herdecke auseinander, in dem berufsbegleitenden Masterstudiengang "Versorgung von Menschen mit Demenz". Ihre jeweiligen Erfahrungen und Denkstile will man nutzen und gleichzeitig den Blick auf die individuellen Bedürfnisse der Betroffenen schärfen.
    Dipl. Pädagoge Otto Inhester: "Wir haben jetzt diese Generation, die den Krieg erlebt hat und jetzt haben wir bald die nächste Generation, die völlig anderes erlebt hat und mit anderen Fertigkeiten, mit anderen Bedarfen, mit anderen Ressourcen in diese letzte Lebensphase kommt. Und da müssen die Strukturen sich anpassen."
    "Dann gibt es sicherlich baulich ganz interessante Einrichtungen, wo man versucht, möglichst alltagsnah die Menschen zu beschäftigen. Dass ich nur, weil ich dement bin, jetzt eine Peddigrohrblume flechten muss, dass mir das erspart bleibt, sondern dass man versucht zu fragen, was ist eigentlich individuell angemessen für die jeweilige Person, was trifft deren individuellen Lebensstil?", ergänzt Prof. Ulrike Höhmann.
    Architektur der Pflege
    Diskutiert werden vor allem altersgemischte, inklusive Quartiere mit ambulanten Unterstützungsangeboten, je nach Stadium der Demenz. Ulrike Höhmann: "Daneben gibt es natürlich auch spezifische Konzepte, die dann greifen, wenn sich pathologische Entwicklungen einstellen, also zum Beispiel ein erhöhter Bewegungsdrang aufgrund der Erkrankung eine Rolle spielt. Und dazu gibt es natürlich ganz bestimmte Konzepte, wie man versuchen kann, beispielsweise architektonisch diesem Bewegungsdrang gerecht zu werden in Einrichtungen, dass die Menschen zum Beispiel große Gärten haben, die aber so gebaut sind, dass sie nicht sich gefährdend diese Bereiche verlassen."
    Die Idee von Demenzdörfern folgt diesem Modell, wie zum Beispiel. „De Hogeweyk" in den Niederlanden. Besonders ist hier nicht nur die Pflegearchitektur, sondern auch, dass die Bewohner in Hausgemeinschaften zusammenleben, die sich an ihren jeweiligen Lebensstilen orientieren. Im rheinland-pfälzischen Alzey soll ein ähnliches Modell realisiert werden. Und in Hilden in Nordrhein-Westfalen ist ein Quartier in Planung, wo Wohngemeinschaften für Menschen mit Demenz, aber auch Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe und Mehrgenerationenhäuser entstehen sollen. Denn eins scheint festzustehen: Das eine Konzept aus einem Guss für Menschen mit Demenz, das gibt es nicht.