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Wohnraum schaffen
Bauen, bauen, bauen - ist auch nicht die Lösung

NRW macht es vor: Das Land vergibt zinsgünstige Kredite an Bauherren, die bezahlbaren Wohnraum schaffen. Und es gäbe noch eine Reihe weiterer Stellschrauben, mit der sich die Wohnungsnot in Deutschland bekämpfen ließe. Darüber sind sich Vertreter von Bauindustrie und Architektenkammer einig.

Von Brigitte Scholtes | 15.08.2019
Neubaugebiet in Freiburg. In Deutschland fehlen hunderttausende bezahlbare Wohnungen. : Foto: Winfried Rothermel | Verwendung weltweit
Weitere Maßnahmen gegen die Wohnungsnot: Um- und Aufbauten auf Parkhäusern und Gewerbeimmobilien, einheitliche Bauvorschriften und mehr Fachpersonal in den Kommunen (picture alliance / Winfried Rothermel)
Fehlender Wohnraum - das ist vor allem eine sozialpolitische Frage. Es fehle nämlich vor allem Bauland für Wohnraum in Ballungsgebieten, Wohnungen also, deren Miete sich auch weniger begüterte Menschen leisten können. Dabei gebe es mehr baureife Grundstücke in den Städten als tatsächlich bebaut werden, sagt Markus Lehrmann, Hauptgeschäftsführer der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen:
"Das sind Grundstücke, die zum Beispiel als Spekulationsgrundstücke benutzt werden, weil es im Moment in der Niedrigzinsphase sehr attraktiv ist, ein Grundstück zu halten, weil es Tag für Tag mehr Geld wert wird, und man hält es als Sparbuch zurück. Es gibt aber auch Grundstücke, die untergenutzt sind, auf denen durch Aufstockung etwas passieren könnte. Wir müssen uns auch an den Gedanken gewöhnen, dass unsere Städte dichter werden. Wir brauchen mehr Wohnungen im Geschosswohnungsbau bis in die Hochhäuser hinein"
Mehr qualifizierte Stadtplaner in den Kommunen nötig
Das erste Problem könnte die Politik lösen, meint Lehrmann, indem man bebaute Grundstücke steuerlich entlastet, die Spekulation also weniger attraktiv wird. Das zweite sind Umbauten und Aufbauten – auch auf Parkhäusern oder Gewerbeimmobilien. Durch solche Aufstockungen könnten 1,1 Millionen Wohnungen, die durchschnittlich 85 Quadratmeter groß sind, entstehen, hat die Bundesarchitektenkammer errechnen lassen. Allerdings seien dazu auch mehr qualifizierte Stadtplaner in den Kommunen nötig, meint Lehrmann. Fachkräfte fehlen auch an anderer Stelle, so fehlten entsprechende Mitarbeiter in den Genehmigungsbehörden, sagt Inga Stein-Barthelmes, Sprecherin des Hauptverbands der deutschen Bauindustrie. Und die Bauindustrie stört sich an den unterschiedlichen Vorschriften in den einzelnen Bundesländern: Wenn der Typus eines Wohngebäudes in einem Bundesland genehmigt sei, dürfe es noch lange nicht in dieser Form in einem anderen erbaut werden:
"Das ist noch mehr Zeit und kostet dadurch auch Geld sowohl die Unternehmen als auch die Planer in dem Fall. Wenn sie für jedes Gebäude, was eigentlich seriell-modular erstellt werden kann und nur in unterschiedlichen Bundesländern steht, Sie jedes Mal dieses Baugenehmigungsverfahren anwenden müssen, was einfach unsäglich ist und auch schwer den Bauherrn zu erklären, warum es hier sehr lange dauert und dort etwas schneller geht."
Naturschützer warnen vor dem Verlust von Grünflächen
An einer Stelle aber sollten die Behörden dann doch etwas schärfer prüfen, meint Philipp Heuer vom Naturschutzbund Deutschland:
"Ganz besonders kritisch sehen wir das Bauen auf der grünen Wiese im Außenbereich, und da kritisieren wir sehr stark den Art. 13 B, der jetzt verstetigt werden soll im Baugesetzbuch, das beschleunigte Verfahren ohne Umweltprüfung im ländlichen Raum im Außenbereich ermöglichen soll. Dadurch fehlen dann Kompensationsflächen, wir verlieren sehr viel Grünraum und sehr wertvolle Böden, und deswegen lehnen wir gerade so etwas ab."
Wie man Investoren dazu bringt, mehr zu bauen, das macht derzeit das Land Nordrhein-Westfalen vor. Es vergibt zinsgünstige Kredite für den Fall, dass die Bauherren günstige Mietwohnungen schaffen. Das könnte ein Beispiel für andere Bundesländer sein.