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Wohnungsnot
Haus und Grund: Wohngeld statt Mietpreisbremse

Kai Warnecke, Präsident der Interessengemeinschaft Haus und Grund, hält nicht viel von der Mietpreisbremse zur Regulierung des Wohnungsmarktes. Er plädierte im Dlf stattdessen dafür, das Wohngeld fokussierter einzusetzen und die Grundsteuer abzusenken, um den Erwerb von Immobilien zu erleichtern.

Kai Warnecke im Gespräch mit Mario Dobovisek | 20.09.2018
    Kai Warnecke, Präsident des Zentralverband der Deutschen Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer (Haus & Grund)
    Kai Warnecke, Präsident des Zentralverband der Deutschen Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer (Haus & Grund) (picture alliance / dpa / Uli Deck)
    Mario Dobovisek: In Berlin wird dieser Tage viel über bauen und wohnen gesprochen, morgen beim großen Wohngipfel im Kanzleramt, wir haben es gerade gehört, heute bereits auf dem sogenannten alternativen Wohngipfel von Gewerkschaften und Verbänden.
    Am Telefon begrüße ich Kai Warnecke, Präsident von Haus und Grund, der größten deutschen Interessengemeinschaft von privaten Haus-, Wohnungs- und Grundstückseigentümern. Guten Tag, Herr Warnecke!
    Kai Warnecke: Schönen guten Tag!
    Dobovisek: Beim größten Baugipfel also morgen wird Baustaatssekretär Adler noch einmal mit dabei sein, ein letztes Mal, denn er wird als ausgewiesener Baufachmann im Prinzip rausgeschmissen – wir haben darüber gesprochen –, Platz freimachen für Hans-Georg Maaßen. Welches Signal geht von dieser Personalie aus?
    Warnecke: Ich würde das Signal der Personalie, ehrlich gesagt, für den Baubereich nicht zu hoch hängen. Wir alle wissen, dass der Anlass für den Personalwechsel ein völlig anderer gewesen ist. Wir sollten uns also auf den Wohngipfel konzentrieren. Bund, Länder und Kommunen werden dort morgen vertreten sein. Es gibt viel zu tun, und das sollte eigentlich das Signal sein, das morgen von dem Gipfel ausgeht, dass wir die Herausforderungen, die wir über Jahre aufgeschoben haben, jetzt auch endlich mal lösen.
    Höheren Stellenwert für Privateigentümer
    Dobovisek: Jetzt hören wir aber viele Stimmen, wie wir es auch gerade wieder vernommen haben, die sagen, Adler war der einzige, wirkliche Fachmann im Ministerium. Sehen Sie das anders?
    Warnecke: Herr Adler war zuständig für zwei Abteilungen im Bauministerium, da sind, nach meiner persönlichen Erfahrung, reichlich Fachleute vorhanden, und insofern würde ich sagen, dass diese Abteilung mit den Fachleuten auch in Zukunft weiter vernünftig arbeiten werden. Es ist vielleicht auch eine Chance, sagen wir mal so: ein bisschen neuen parteipolitischen Wind in das Haus hineinzubringen.
    Dobovisek: Weil der SPD-Mann geht.
    Warnecke: Weil der Fokus stark lag auf genossenschaftliches und kommunales Bauen. Das sind ja, wenn man den gesamten Wohnungsbestand anguckt, nur Randgruppen, und wir würden uns natürlich sehr freuen, wenn der private Eigentümer in der Politik der Bundesregierung in Zukunft wieder ein bisschen mehr den Stellenwert erreicht, den er eigentlich auch hat, denn 80 Prozent aller Wohnungen sind ja in der Hand von privaten Einzeleigentümern.
    Dobovisek: Haben Sie den Eindruck, dass die Bundesregierung das Wohnraumproblem ernst genug nimmt?
    Warnecke: Ich denke, mit dem Wohngipfel haben wir wirklich ein Zeichen, dass es jetzt vorangehen könnte. Wir müssen aber auch ganz klar sagen, nicht allein die Bundesregierung wird das Problem lösen können. Die Länder sind mit zuständig, und eine ganz wichtige Rolle bei der Wohnraumversorgung, nämlich in Gestalt der Planung ihrer Städte, spielen die Kommunen, und insofern ist es schon richtig, dass am Wohngipfel alle drei staatlichen Ebenen zusammenkommen und versuchen, diesen Gordischen Knoten zu durchschlagen. Bei so vielen Themen, die man anpacken könnte, wie zum Beispiel den Dachgeschossausbau, um Wohnraum gerade in Ballungszentren zu schaffen, brauchen wir Maßnahmen von Bund, Ländern und Kommunen, und wenn die drei nicht zusammenarbeiten, werden wir nicht vorankommen, und der Gipfel ist insofern sicherlich der richtige Ansatz.
    Zuviel kommunalen Wohnraum veräußert
    Dobovisek: Wer trägt denn Schuld daran, aus Ihrer Sicht, dass es in den Ballungszentren überhaupt soweit kommen konnte, dass es kaum noch bezahlbaren Wohnraum gibt?
    Warnecke: Den Hut werden sich auch Bund, Länder und Kommunen zusammen anziehen müssen. Die Länder sind seit zehn Jahren für den sozialen Wohnungsbau zuständig und haben, nachdem sie das Ganze vom Bund übernommen haben, vielerorts praktisch nichts gemacht und die Problematik verschlafen. Einige Länder und Kommunen haben dann die Situation noch verschlechtert. Wenn man allein an Berlin denkt, wo ja nun die Lage besonders prekär ist, hier hat der rot-rote Senat vor einem Jahrzehnt die gesamten kommunalen Wohnungsbestände oder Großteile der kommunalen Wohnungsbestände veräußert. Das sind die Ursachen, die für die Wohnungsmarktmisere heutzutage die Basis, der Stein waren, und insofern ist es auch richtig, dass diese drei staatlichen Verursacher sich jetzt auch zusammensetzen und gucken, wie sie die Hürden, die sie aufgebaut haben, jetzt wenigstens zum Teil wieder einreißen.
    Dobovisek: Sie sehen, Herr Warnecke, staatliche Verursacher, wie Sie sagen. Ulrich Schneider vom Paritätischen Wohlfahrtsverband sieht auch andere Verursacher, nämlich unter anderem auch Sie, das sagte er heute Morgen bei uns im Deutschlandfunk. Er hat nämlich die Frage, die ich Ihnen gestellt habe, ebenfalls beantwortet. Nun hören wir mal rein, was er heute Morgen gesagt hat:
    Ulrich Schneider: Daran sind sicherlich schuld einerseits diejenigen, die Wohnung wie Ware behandeln, indem sie wirklich alles tun, um zu spekulieren, Mieten hochzutreiben, im Zweifel sogar Leerstände in Kauf nehmen, bis der Mietpreis oben ist. Und es sind die schuld, die das zulassen politisch, die also wirklich so gut wie nichts dagegen unternehmen, dass mit Wohnungen in Deutschland und mit Grundstücken wild spekuliert werden kann.
    Dobovisek: Sind Sie, Herr Warnecke, mit "Haus und Grund" ein Verband von Spekulanten und Miethaien?
    Warnecke: Wissen Sie, ich würde jetzt gar nicht widersprechen. Das ist nämlich eine Differenzierung, die leider viel zu selten in der Öffentlichkeit gemacht hat. Die privaten Eigentümer spekulieren nicht mit Ihren Objekten, das sind die Bürger, die in diesem Land leben, die kaufen eine Immobilie, und die vermieten die regelmäßig. Man muss sich ja genau fragen, wie sind die Spekulanten an die Bestände gekommen, und das war zum Beispiel der Berliner Senat, der die Wohnungsbestände veräußert hat, sodass die heute an der Börse gehandelt werden – das haben viele Städte und Kommunen gemacht –, und wenn Sie sich angucken, was für Wohnungsbestände es sind, die heute weltweit gehandelt werden hier in Deutschland, dann sind das samt und sonders ehemals kommunale Wohnungsbestände, und deswegen, da muss ich dem Herr Schneider recht geben: Die Spekulation mit diesen Wohnungsbeständen tut dem Wohnungsmarkt überhaupt nicht gut, aber Ursache dafür war die Politik, die die Wohnungsbestände veräußert hat. Wenn wir 100 Prozent privaten Wohnungsbestand hätten, hätten wir praktisch keine Spekulation.
    Dobovisek: Jetzt sagt Herr Schneider auch zum Beispiel, mit Blick auf die Mietpreisbremse, die jetzt noch mal von der Großen Koalition, von Katharina Barley, verschärft worden ist, dass sie trotzdem noch zahnlos sei, weil es zum Beispiel keine Strafen gäbe für diejenigen, die sich nicht an die Regeln halten. Würden Sie damit leben können, dass es für schwarze Schafe, die sich permanent nicht an die Regeln halten, auch Strafen gibt?
    Warnecke: Der neue Gesetzentwurf von Frau Barley sieht vor, dass es zum Beispiel für das Rausmodernisieren eine Strafe geben soll. Das haben wir als Verband auch durchaus unterstützt, weil wir gesagt haben, private Einzeleigentümer modernisieren niemanden heraus. Die haben mit dieser gesetzlichen Vorgabe kein Problem, die machen das nicht. Insofern kann da eine Strafandrohung sein. Wir werden dagegen nichts sagen. Was wir für problematisch halten, ist, dass man versucht, über das Mietrecht Wohnungspolitik zu machen, denn es hilft ja nicht, wenn wir jetzt eine Mietpreisbremse für alle Menschen einbauen, zum Beispiel für Frau Barley, die dann auch günstiger wohnen kann, obwohl sie sicherlich nicht viel von ihrem Einkommen für Miete ausgeben muss, sondern wir müssen doch denjenigen helfen, die Probleme haben, und da ist das Statistische Bundesamt ziemlich eindeutig: Alleinstehende Rentner und alleinstehender Frauen und Männer mit Kindern, die sind es, die ein Problem auf dem Wohnungsmarkt haben. Deswegen sind wir der Meinung, dass wir ganz gezielt diesen Menschen helfen müssen, und das kann man am besten mit Wohngeld machen. Wir haben das Mittel, wir müssen es nur fokussiert auf die Gruppen anwenden, die tatsächlich den Bedarf haben für bezahlbaren Wohnraum. Das würde uns allen helfen. Jetzt zu sagen, wir arbeiten mit dem Mietrecht, das ja kein Ordnungsrecht ist, wird uns nicht weiterhelfen. Noch nirgendwo auf der Welt hat eine Mietpreisbremse zu mehr und besserem Mietwohnungsraum geführt. Im Gegenteil, eigentlich hat es dann über die Jahre und Jahrzehnte den Mietmarkt kaputt gemacht.
    Baukindergeld: Erstmal eine positive Überlegung
    Dobovisek: Es gibt ja das eine, und es gibt auch das andere, es gibt ja auch gezielte Förderung zum Beispiel jetzt mit dem Baukindergeld. Der falsche Schritt aus Ihrer Sicht?
    Warnecke: Das Baukindergeld ist sicherlich erst mal eine positive Überlegung, um jungen Familien den Weg ins Eigentum zu ebnen. Ob das in dieser aufgeheizten ja auch Bausituation wirklich immer zum Ziel führt, werden wir abwarten müssen. Es ist sehr viel Geld, das ausgegeben wird.
    Dobovisek: Na ja, gucken wir uns das mal genau an. Wenn zum Beispiel das Kindergeld im Grunde um 100 Euro pro Monat und Kind erhöht wird, das wird kaum Anreize geben, um sich ein Haus für 400.000 Euro zu kaufen.
    Warnecke: Das ist in der Tat die Problematik, die es dabei gibt. Insbesondere, wenn die Preise steigen, könnte das sein, dass das Baukindergeld durch die steigenden Kosten wieder aufgefressen wird, aber es ist immerhin mal ein Ansatz, auch das Eigentum zu fördern und den Menschen dabei zu helfen, den Traum von den eigenen vier Wänden zu ermöglichen, aber in der Tat, es gibt auch weitere Vorschläge, die wir gemacht haben, um das Ganze noch weiter zu verbessern, und dazu gehört natürlich zum Beispiel auch die Grunderwerbssteuer abzusenken, die ja praktisch nur noch von jungen Familien bezahlt wird, weil Unternehmen in Deutschland durch die Möglichkeit der Share-Deals nicht mehr zur Grunderwerbssteuer herangezogen werden, und allein die Grunderwerbssteuerbelastung für junge Familien ist im Regelfall höher als das Baukindergeld, das ausgezahlt wird. Insofern, es sind noch weitere Maßnahmen da oder möglich und denkbar, die es jungen Familien noch mehr ermöglichen würden, ein Eigenheim zu bauen, zu erwerben und dann darin zu wohnen.
    Dobovisek: Kai Warnecke, Präsident von Haus und Grund, der Interessengemeinschaft von privaten Haus-, Wohnungs- und Grundstückseigentümern. Ich danke Ihnen für das Gespräch, Herr Warnecke!
    Warnecke: Sehr gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.