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Wohnungsnot
Hausbesetzer in spanischen Ferienhäusern

Es ist eine Horrorvorstellung für jeden Ferienhaus-Besitzer in Spanien: Man kommt zu seiner Immobilie und der Schlüssel passt nicht mehr. Plötzlich wohnt dort ein Fremder, ein Hausbesetzer. Das ist derzeit ein großes Thema in Spanien und gar nicht so leicht zu lösen.

Von Oliver Neuroth | 12.06.2018
    Eingang zu einem Ferienhaus auf Mallorca
    Auch Ferienhäuser auf Mallorca sind von den Hausbesetzungen betroffen (imago/Dieter Mendzigall)
    Daniel Esteves ist im Dauerstress. Er klappert ein besetztes Haus nach dem anderen ab – in fast ganz Spanien. Für ein Interview – keine Zeit. Daniel ist der Chef von "Desokupa", einer Firma, die sich darauf spezialisiert hat, besetzte Gebäude zu befreien. Wie er das genau macht, verrät er nicht. Nur so viel: Ein Trupp Muskelmänner rückt an. Nach Daniels Worten "laden" sie die Besetzer dazu ein, freiwillig abzuziehen - alles ohne Gewalt. Bei Facebook berichtet der Firmenchef über seine Erfolge - hier zum Beispiel von einem Hotel in Lloret de Mar, das vor Saisonbeginn besetzt wurde.
    "Die Besitzer haben uns kontaktiert und wir befreien das Gebäude in weniger als 24 Stunden. Meine Jungs sind gerade drin. Die gute Nachricht: das Hotel kann im Sommer wieder öffnen, die Jobs von 100 Familien sind gesichert. Wir machen weiter, immer stark!"
    Inzwischen bieten mehrere Firmen solche Dienste an. Auch Johannes Deuter aus Cochem an der Mosel hat sich vor ein paar Wochen an ein Räumungsunternehmen gewandt. Sein Ferienhäuschen in der Nähe von Santa Ponsa auf Mallorca war besetzt. Eine bescheidene, kleine Immobilie, wie er sagt, in die seine Haushälterin eines Tages nicht mehr hinein kam und die Familie alarmierte.
    "Ich hätte nie gedacht, dass es uns trifft. Also traf es mich wie ein Schlag. Wir haben den nächsten Flug genommen und sind nach Mallorca geflogen, dann zum Haus und wollten selber rein, standen dort nicht nur vor verschlossenen Türen, sondern auch vor einem Tor zur Einfahrt, das verriegelt war mit Fahrradschlössern und kamen gar nicht. Und riefen erst mal die Polizei."
    Recht auf würdigen Wohnraum
    Doch die Polizei war machtlos. Ohne richterliche Anordnung dürfen die Beamten nur in den ersten 48 Stunden nach einer Besetzung einschreiten; und im Fall des deutschen Hausbesitzers hatten sich die Eindringlinge schon länger dort aufgehalten. Die spanischen Gesetze sehen das Recht auf einen würdigen Wohnraum vor. Genau darauf berufen sich die meisten Hausbesetzer, sagt Joan Segura von der Initiative STOP Deshaucios, "Stoppt Zwangsräumungen". Die Gruppe unterstützt Hausbesetzer.
    "Eine Wohnung ist für jeden lebensnotwendig. Ohne eine Wohnung fehlt Dir jegliche Lebensqualität. Daher ist es absolut legitim, dass eine Familie - wenn es nicht anders geht - eine Wohnung besetzt oder eine Sozialwohnung beansprucht."
    Einerseits besetzen Menschen Wohnungen in Spanien, die ihre eigenen vier Wände verloren haben - zum Beispiel, weil sie den Kredit für ihre Immobilie nicht mehr abbezahlen konnten und die Bank die Wohnung zwangsräumen ließ.
    Räumungsfirmen sind teuer
    Andererseits machen kriminelle Banden Geschäfte mit Wohnungsbesetzungen: Sie halten Ausschau nach Luxusobjekten, die leer stehen und brechen dort ein. In vielen Fällen verkaufen sie dann den Schlüssel wieder an den echten Besitzer des Hauses, manchmal aber auch an Arme oder Arbeitslose. So lief es möglicherweise auch im Fall von Johannes Deuter. Lückenlos kann er nicht nachvollziehen, ob tatsächlich die Person ins Haus eingebrochen hatte, die zuletzt auch darin wohnte. Jedenfalls hinterließen die Eindringlinge deutliche Spuren.
    "Die Zimmer sind komplett ruiniert. Gerade Polstermöbel, die will man dann ja auch nicht mehr benutzen, wenn da die da gehaust haben. Wände sind beschmiert, das ist noch einmal ein fünfstelliger Betrag, den wir da in die Hand nehmen müssen, um das alles halbwegs bewohnbar zu machen. Und das ungute Gefühl, jedes Mal, wenn man abreist, bleibt natürlich."
    Johannes Deuter zahlte auch einen fünfstelligen Betrag an die Räumungsfirma, erzählt er. Künftig soll es für Hausbesitzer einfacher sein, ihre Rechte zu verteidigen: Die spanische Regierung hat die entsprechenden Gesetze geändert, sodass eine Zwangsräumung leichter möglich ist – nämlich innerhalb von 20 Tagen. Noch in diesem Sommer sollen die neuen Regeln gelten. Räumungsfirmen wie die von Daniel Esteves könnte damit künftig weniger zu tun haben. Doch er bleibt zuversichtlich und beendet jedes seiner Facebook-Videos mit dem Satz…
    "Seguimos con nuestro trabajo - siempre fuertes" - "Wir machen weiter - immer stark". Was auch immer das genau heißen soll.