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Wohnungsnot in Deutschland
Bezahlbare Wohnungen werden knapp

Mit der steigenden Zahl von Flüchtlingen steigt auch die bereits vorhandene Wohnungsnot in Deutschland. Vor allem der Mangel an bezahlbaren Unterkünften wird in den nächsten Jahren zum Problem. Eine Studie des Verbändebündnisses "Sozialer Wohnungsbau" hat auf die Folgen für Mieter und Gesellschaft aufmerksam gemacht und fordert Unterstützung vom Staat.

Von Philip Banse | 15.09.2015
    Plattenbau in Berlin
    Günstige Mieten: in vielen Großstädten ein Problem. (dpa/picture-alliance/Britta Pedersen)
    "Wir haben schon seit vielen Jahren die Situation, dass wir zu wenig bezahlbaren Wohnraum haben. Darauf weisen wir seit etlichen Jahren hin. In der Politik ist so gut wie nichts geschehen."
    Sagt der Chef des Deutschen Mieterbunds, Lukas Siebenkotten.
    "Jetzt kommt die Flüchtlingsproblematik dazu. Viele Menschen, die nach Deutschland fliehen, werden auf längere Zeit hier bleiben, davon gehe ich fest aus. Wenn das so ist, haben wir jetzt einen zusätzlichen Druck, dass endlich was passieren muss."
    Um herauszufinden, was passieren muss, hat der Mieterbund zusammen mit Lobby-Verbänden der Bauindustrie eine Studie beim Pestel-Institut in Auftrag geben. Fazit von Studienautor Matthias Günther:
    "Der Markt allein wird es kaum richten. Der Markt schafft immer eine Lösung, die muss aber nicht unbedingt sozial verträglich sein."
    150.000 Wohnungen könnten pro Jahr fehlen
    Sine Studie geht davon aus, dass dieses Jahr rund eine Million Zuwanderer und Flüchtlinge nach Deutschland kommen, um zu bleiben. In den kommenden Jahren dürften unterm Strich mindestens 300.000 Menschen nach Deutschland einwandern. Heute werden pro Jahr rund 250.000 neue Wohnungen gebaut. Bundesbauministerin Barbara Hendricks peilt 350.000 an, gebraucht würden aber mindestens 400.000 pro Jahr, sagt Lukas Siebenkotten vom Mieterbund:
    "Es fehlen etwa 150.000 pro Jahr. Die müssten mindestens zur Hälfte preisgebunden sein, damit Menschen mit schmalem Portemonnaie sie sich leisten können."
    Die von Mieterbund und Bauindustrie beauftragte Studie schlägt denn auch vor, pro Jahr 80.000 Sozialwohnungen zu bauen, Wohnungen also, bei denen die Miete auf sechs Euro netto kalt festgeschrieben ist. Dazu müssten 60.000 Wohnungen pro Jahr gebaut werden, die 7,50 kalt kosten. Solche Wohnungen würden derzeit nicht gebaut, weil es sich einfach nicht lohne. Jedes Jahr 140.000 billige Mietwohnungen – das gehe nur mit Steuergeld und Subventionen.
    "Wir werden nicht allein durch Appelle oder durch schöne Rhetorik die Investoren dazu bringen, auch tatsächlich zu investieren."
    Sagt Robert Feiger, der als Chef Gewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt Zehntausende Bauarbeiter vertritt.
    "Wir brauchen erhöhte Abschreibungssätze. Wir haben aktuell 2 Prozent. Wir schlagen vor, die auf drei Prozent zu erhöhen."
    Zu Deutsch: Wer eine Wohnung baut, soll weniger Steuern zahlen oder direkt Geld vom Staat bekommen. Ähnliche Steuererleichterungen haben nach dem Mauerfall dazu geführt, dass zu viele Wohnungen an falschen Orten errichtet wurden. Außerdem schlägt die Studie vor, Gemeinden sollten Bauland billiger anbieten und vorübergehend auf die Grunderwerbssteuer verzichten. Zudem sollten einige Vorschriften außer Kraft gesetzt werden, fordern Vertreter der Bauindustrie:
    Die Energieeinsparverordnung etwa. Sie soll das Klima schonen, mache neue Wohnungen aber teurer, hat die Industrie errechnet, um sieben Prozent. Steuererleichterungen, Geldzahlungen – wenn 140.000 zusätzliche Wohnungen jedes Jahr so finanziert werden, koste das den Steuerzahler erst mal knapp 10 Milliarden Euro, sagt Studienautor Günther. Doch durch diesen Wohnungsbau nehme der Staat gleichzeitig auch Geld ein: Umsatzsteuer, Sozialleitungen etwa. Das bringe 6,5 Milliarden Euro. Unterm Strich kosteten 140.000 neue Wohnungen jedes Jahr also insgesamt über die Jahre 3,5 Milliarden Euro. Selbst wenn diese Ideen heute umgesetzt würden – bis die neuen Wohnungen fertig stehen, würden noch 3-4 Jahre vergehen.