Donnerstag, 25. April 2024

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Wojciechowski: An Bush scheiden sich die Geister

George W. Bush ist nach Ansicht von Krzysztof Wojciechowski, Direktor des Collegium Polonicum an der Viadrina-Universität in Frankfurt/Oder, für die Polen ein zweispältiger Präsident gewesen. Amerika sei ein Mythos und man wolle dem Vorbild nacheifern. Andererseits habe Bushs Politik bei vielen Skepsis ausgelöst. Aus den letzten Jahren habe man gelernt, dass Europa ein besseres Zuhause biete als die Allianz mit den Amerikanern.

Moderation: Christoph Heinemann | 10.06.2008
    Christoph Heinemann: "Es müsse das Herz bereit zum Abschied sein und neu beginnen, um sich in Tapferkeit und ohne Trauer in andere neue Bindungen zu geben", dichtete Hermann Hesse in seiner Stufenlyrik. Trauer dürfte zumindest im alten Europa nicht das vorherrschende Gefühl sein beim Abschied des US-Präsidenten. George W. Bush nimmt heute am Gipfeltreffen der Europäischen Union mit den USA in Slowenien teil. Auf der Tagesordnung steht neben der Klimadebatte auch der Atomkonflikt mit dem Iran. Die Nachrichtenagentur Reuters beschließt eine Meldung über dieses Treffen mit dem Satz "angesichts von Bushs Ausscheiden aus dem Amt in sieben Monaten sind die Erwartungen an das Treffen gedämpft".

    Siebeneinhalb Jahre, einen 11. September und zwei Kriege - nach seinem Amtsantritt hat George Bush in Deutschland keine besonders gute Presse. Der SPD-Politiker Egon Bahr, der Architekt der Ostpolitik, ließ heute Früh im Deutschlandfunk kein gutes Haar am gegenwärtigen Präsidenten:

    O-Ton Bahr: Ich kenne überhaupt keinen Präsidenten in der amerikanischen Geschichte, der seinem Lande mehr geschadet hat. Ich bin ein großer Bewunderer seines Vaters. Ich halte den für einen weisen Mann. Sein Sohn hat sich das Recht genommen, Krieg anzufangen, wenn es nach seiner Auffassung den amerikanischen Interessen entspricht - auch ohne Vereinte Nationen, auch präventiv -, und er hat, was fast immer vergessen wird, die größte Welle von Aufrüstung in der Menschheitsgeschichte ausgelöst.

    Heinemann: Der SPD-Politiker Egon Bahr heute Früh im Deutschlandfunk. - Andere Länder, vielleicht andere Urteile. Am Telefon ist Krzysztof Wojciechowski, der Direktor des Collegium Polonicum an der Viadrina-Universität in Frankfurt an der Oder. Guten Tag!

    Krzysztof Wojciechowski: Guten Tag Herr Heinemann!

    Heinemann: Herr Professor Wojciechowski, war George Bush aus polnischer Sicht ein guter Präsident?

    Wojciechowski: Hier können wir keine einheitliche Meinung der Polen zitieren, weil sich an der Person Bush die Geister scheiden. Es gibt natürlich einen Teil der polnischen öffentlichen Meinung, die Bush verehrt, aber es gibt auch die Mehrheit, die sozusagen die Stützpfeiler seiner Politik ablehnt. Bush ist ein amerikanischer Präsident; Amerika ist ein Mythos in Polen. Der Freiheitsdrang der Polen und der Amerikaner scheinen identisch zu sein. Das "gelobte Land" von Tausenden, wenn nicht Millionen Polen lag und liegt in Amerika. Und schließlich: Amerika ist die Spitze der Weltpyramide der Nationen und jemand, der sich gegen die Nachbarn stark machen möchte - und die Polen haben ab und zu dieses Bedürfnis -, der muss sich mit der Top-Nation liieren. Das stärkt die Position.

    Diese drei Gründe bewirken, dass ein amerikanischer Präsident immer einen Bonus bei den Polen hatte und haben wird. Nichts desto Trotz: Die öffentliche Meinung sieht ihn kritisch. Die Mehrheit der Polen wollte den Irak-Krieg nicht, obwohl die Regierung, selbst eine sozialdemokratisch oder links oder postkommunistisch geprägte Regierung diesem Krieg beigetreten ist. Die Mehrheit der Polen will auch nicht dieses Anti-Raketen-System, obwohl die Regierung Polens in dieser Sache verhandelt. Also ja und nein zugleich, skeptisch und mit der restlichen Achtung vor diesem großen Mann.

    Heinemann: Hat es sich denn für Polen politisch ausgezahlt, in Washington zum "Neuen Europa" gerechnet zu werden?

    Wojciechowski: Ja und nein. Wir hatten unsere "fünf Minuten". Die Teilnahme am Irak-Krieg hat den Polen das Gefühl beschert, Global Player zu sein. Jetzt erwacht man mit einem Katergefühl, wie man das in einem polnischen Sprichwort sagt, mit der rechten Hand im Nachttopf, und man sieht, dass dieses Abenteuer im Grunde genommen nichts gebracht hat und in Europa das Bild Polens sehr angeschlagen hat.

    In diesem Sinne hat sich das sehr kurzfristig ausgezahlt, aber langfristig sieht man, dass man doch lieber mit moderaten Politikern die Zukunft schmieden soll und dass Europa ein besseres zu Hause ist als die Allianz mit Amerika.

    Heinemann: Ist dieses Gefühl tatsächlich im Wandel? Wir hatten bisher oft das Gefühl, vor allen Dingen als die beiden Kaczynskis noch in Amt und Würden waren, dass für die Polen die transatlantischen Beziehungen wichtiger sein würden als die europäischen.

    Wojciechowski: Die Kaczynskis kamen an die Macht in Folge von einer Fügung von sehr spezifischen Umständen und sie hatten nie eine größere Unterstützung als sagen wir 30, 35 Prozent der Bevölkerung. Bei den letzten Wahlen haben sie nur 25 Prozent der Stimmen und fünf Millionen der Wähler für sich gewinnen können.

    Es ist eine Gruppe, die sich vorwiegend als Verlierer der Globalisierung versteht, und diese Gruppe wird bleiben. Diese politische Strömung wird es immer in Polen geben. Aber die Mehrheit der Bevölkerung hat nie das Gefühl gehabt, dass George Bush und seine Machtpolitik etwas Richtiges ist. Selbst wenn die Polen aus kulturellen Gründen die Freundschaft mit Amerika deklarieren, im Grunde genommen denken sie ähnlich wie die meisten Europäer: Frieden ist etwas Besseres als Krieg, Kooperation ist besser als Konfrontation, die gute Nachbarschaft wiegt viel mehr als Abenteuer mit dem Alpha-Tier irgendwo draußen in der Welt.

    Heinemann: Welchen Nachfolger wünschen sich die Polen oder die meisten Polen?

    Wojciechowski: Das ist schwer zu sagen. Die Polen beobachten die Wahlkampagne in den USA mit gemischten Gefühlen. Natürlich: Die Perspektive, dass ein Farbiger oder ein Mulatte zum Präsidenten wird, ist für die Polen etwas Unheimliches. Die aufgeklärten Kreise freuen sich erst mal, dass Bush abgewählt wird. Die konservativ-nationalen Kreise schauen und halten den Atem an: Was kommt dann, wenn Amerika seinen Präsidenten hat. Bedeutet dies, dass wir eine der restlichen Nationen in der Welt sind, die an echte konservative Werte glaubt wie Arbeit, Familie, Freiheit, Macht und so weiter? Das wird die polnische öffentliche Meinung spalten. Momentan aber ist es eher ein Spektakel weit hinter dem Ozean. Die Wahlen involvieren nicht in die alltägliche politische Diskussion.

    Heinemann: Herr Professor Wojciechowski, habe ich Sie richtig verstanden? Die Hautfarbe spielt bei Konservativen bei der Beurteilung des nächsten Präsidenten eine wichtige Rolle?

    Wojciechowski: Das sagt man nicht offen, aber ein leichter Hauch sagen wir des Gefühls der Überlegenheit der weißen Rasse ist natürlich vorhanden in diesen Kreisen. Barack Obama wird als jemand wahrgenommen, der im Grunde genommen den Teil Amerikas vertritt, der sich an der Macht nicht melden sollte.

    Heinemann: Krzysztof Wojciechowski, der Direktor des Collegium Polonicum an der Viadrina-Universität in Frankfurt an der Oder. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören!

    Wojciechowski: Auf Wiederhören Herr Heinemann.