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Wolfsburg
Seit 80 Jahren fest verwoben mit VW

In Wolfsburg wird an diesem Wochenende gefeiert: Die VW-Stadt wird 80. Mit viel Musik und Show setzt sich der Konzern in Szene. Doch dass Tausende Zwangsarbeiter bis 1945 in Wolfsburg ausgebeutet wurden, kommt kaum zur Sprache, kritisieren Historiker.

Von Dietrich Mohaupt | 29.06.2018
    VW-Stadt Wolfsburg, Deutschland am 14.3.2017.
    Die Zukunft Wolfsburgs wird digital, prophezeit Oberbürgermeister Klaus Mohrs (imago / regios24)
    So ganz ist der Spruch mit der Zukunft offenbar noch nicht angekommen bei den Wolfsburgern - so manch ein Spaziergänger in der Fußgängerzone vor dem Rathaus der Stadt fragt sich jedenfalls etwas irritiert, was man denn da nun wirklich feiern solle:
    "Was feiert man in Wolfsburg ... die Zukunft? Fällt mir nix drauf ein, was die hier feiern! Ich meine - ich bin im Grunde Wolfsburger, ich wohne 75 Jahre hier, ich habe das ja alles mitgemacht, den ganzen Aufbau alles und war 45 Jahre bei VW. Aber wenn Sie mich über die Zukunft fragen ..."
    Dabei ist doch alles ganz einfach: Digital ist die Zukunft Wolfsburgs - jedenfalls wenn es nach den Plänen von Oberbürgermeister Klaus Mohrs geht. Gemeinsam mit dem VW-Konzern hat die Stadt ein Konzept für die digitale Modellstadt entwickelt. Glasfaserinfrastruktur für schnelles Internet, flächendeckendes Hochleistungs-WLAN, ein Hochgeschwindigkeits-Mobilfunknetz, eine zeitgemäße Infrastruktur für E-Mobilität - das sind dazu die Stichworte.
    Eine Stadt für Volkswagen
    Entsprechend präsentiert sich auch das Programm zum 80. Geburtstag der Stadt. Als Highlight gibt es, neben viel Musik und Show, auch eine "Digitale Meile", auf der sich - natürlich - auch der VW-Konzern prominent in Szene setzt. 80 Jahre Wolfsburg - das heißt eben auch 80 Jahre Volkswagen:
    "Ich vollziehe diese Grundsteinlegung im Namen des deutschen Volkes. Das Werk soll entstehen aus der Kraft des ganzen deutschen Volkes und es soll dienen der Freude des deutschen Volkes."
    Am 26. Mai 1938 hatte Adolf Hitler den Grundstein für das Werk gelegt, in dem der "Kraft-durch-Freude-Wagen" produziert werden sollte. Am 1. Juli des gleichen Jahres verfügte der Oberpräsident des Regierungsbezirks Lüneburg die Gründung der "Stadt des KdF-Wagens bei Fallersleben" - so der ursprüngliche, offizielle Name Wolfsburgs. In den Folgejahren entstand eine Stadt vom Reißbrett, gebaut für die Arbeiter, die in dem Werk zunächst Rüstungsgüter produzierten - und von denen waren viele Tausend nicht freiwillig gekommen, betont Gisela Rühl vom Verein "Erinnerung und Zukunft".
    "Von 1938 bis 1945 lebten hier hauptsächlich Zwangsarbeiter, die wirklich nicht ihre Zukunft erlebt haben, sondern leiden mussten, ausgebeutet wurden. Es gab viele Opfer, die einfach an Hunger und Krankheit gestorben sind."
    Schicksal der Zwangsarbeiter ausgeblendet
    Ein dunkles Kapitel in der Geschichte des VW-Konzerns und der Stadt Wolfsburg - historisch eigentlich weitgehend aufgearbeitet und dokumentiert - aber eben nicht Thema eines Stadtjubiläums. Schade, findet Gisela Rühl:
    "Wenn man sich jetzt die 80-Jahr-Feier anschaut, dann ist das alles sehr 'hochglanzausgestattet', und die Erinnerungen an die historisch entscheidenden Gründungsjahre, die werden immer zurückgestellt. Ich fände es besser, die Stadt würde offen damit umgehen, es einfach nennen, und dann ist das für jeden klar. Und man muss das nicht immer verstecken."
    Es wird aber versteckt - und das sei eigentlich ein Armutszeugnis für eine Stadt wie Wolfsburg, meint der ehemalige VW-Chefhistoriker Manfred Grieger. Die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte dürfe doch auch bei einer Geburtstagsfeier nicht einfach ausgeblendet werden.
    "Naja, ich denke, es geht um dieses Nachdenken darüber, wie sich Geschichte, oder meinetwegen unliebsame Aspekte der eigenen Geschichte, integrieren lassen. Es sieht ja so aus, als hätte es gar kein Bemühen gegeben, diese Thematik überhaupt einzubinden - weil ja der Blick auf die Zukunft gerichtet ist, in der ja dann, wenn ich die Verlautbarungen richtig verstehe, alles gut sein wird, weil ... digital."