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Wolken auf der Quantenratsche

Physik.- Die Nanotechnologie würde einen großen Sprung machen, wenn die Konstruktion winziger Motoren gelänge, wie sie etwa ein begeißeltes Bakterium hat. Jetzt hat die Wissenschaftszeitschrift "Science" gemeldet, Bonner Physikern sei der Transport von Atomen mittels einer Quantenratsche gelungen.

Von Mathias Schulenburg | 29.12.2009
    Ratschen sind mechanische Einrichtungen, die für Teile ihrer selbst nur einseitige Bewegungen zulassen. Ein Kabelbinder ist ein Beispiel für eine geradlinige Bewegung, die Demoschnarre eines für eine Kreisbewegung. Mikroskopisch, nanoskopisch kleine Ratschen gar sind von großem Interesse für Biologie wie Physik, weil, sagt Martin Weitz, Professor am Institut für Angewandte Physik der Universität Bonn ...

    "...das ein vermutetes Prinzip für die Wirkungsweise biologischer Motoren ist, also die Art und Weise, wie unsere Muskeln funktionieren. Da spielen aber wahrscheinlich quantenmechanische Phänomene nicht so eine Rolle, aber das macht das Ganze natürlich brennend interessant. Bei uns geht es sozusagen eher um Phänomene, die eine Rolle spielen würden, wenn ich jetzt unsere normalen Maschinen, mechanischen Maschinen, sehr, sehr viel kleiner machen würde als wir das jetzt können. Und da müsste man eben andere Konstruktionsprinzipien verwenden."

    Man müsste etwa, wenn im Nanokosmos die Quantenmechanik zuständig wird, berücksichtigen, dass die vertrauten Reibungskräfte wegfallen können; wie kann sich dann etwas in Bewegung setzen lassen? Die von den Bonner Physikern zu Studienzwecken realisierte Quantenratsche zielt auf eben solche Effekte ab. Sie besteht aus dem sich durchdringenden Licht dreier Laser, die für ein sogenanntes Bose-Einstein-Kondensat – hier eine ultrakalte Wolke von einigen Hunderttausend Rubidiumatomen – kraftmäßig eine Umgebung bilden, die – in eine Grafik umgesetzt und 100.000-fach vergrößert – die Gestalt eines weit ausgedehnten Waschbrettes hätte, mit ständig wechselnden Höhen und Tälern. Die Atomwolke würde, wenn sie könnte, gerne in einem Tal des Waschbretts zur Ruhe kommen; damit sie sich wie gewünscht in Bewegung setzt, sind die Flanken des Waschbrett-Tals zum einen ungleich geneigt ...

    "...und darauf platzieren wir jetzt unsere Atome, auf dieses Waschbrettmuster oder auf diesen Sägezahn, und den schalten wir dann im Takt an und aus. Wichtig ist, dass wir beispielsweise schneller einschalten als wir ausschalten, also diese Waschbrettmuster werden schneller groß als dass sie klein werden, und damit brechen wir die zeitliche Symmetrie. Wir müssen die zeitliche und die räumliche Symmetrie brechen, und das ist eben wichtig für diese Gleichrichtung und damit bewegen sich die Atome dann in die eine Richtung."

    Damit ist eine Art Linearmotor aus Licht realisiert, wenigstens für Bose-Einstein-Kondensate, wolkige und einigermaßen exotische Gebilde, für die es in der Natur kein Beispiel gibt:

    "Wenn man die Atome sehr, sehr weit abkühlt, dann schwingen die Atome praktisch im Gleichschritt, sie sind dann ununterscheidbar voneinander, und das ist sozusagen ein neuer Zustand der Materie, den wir von der Alltagserfahrung überhaupt nicht kennen. Die Temperatur dieser Atome liegt also bei 100 Nanokelvin, das heißt ein Zehnmillionstel Teil eines Grad Kelvins, sehr nahe am absoluten Nullpunkt."

    Gleichwohl: Mit Modellsystemen dieser Art werden sich eines Tages praktisch verwertbare Nanomotoren realisieren lassen. Die Natur beherrscht das Motorengeschäft in Perfektion, so wird der Materialtransport in einer Zelle von einer 80 Nanometer langen Schrittmotoreinheit besorgt, die sich mit ihrer Last mit 80 Schritten pro Sekunde an einem 25 Nanometer dünnen Seil mit Knoten entlang hangelt, ähnlich einer Zahnradbahn. Ein Nanometer ist der millionste Teil eines Millimeters. Wer das kopieren kann, dem steht der Nanokosmos offen.