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Wolkenwellen auf der Venus

Astronomie.- Astronomen haben sogenannte Gravitationswellen auf der nördlichen Venus-Halbkugel entdeckt, die sich wie Tsunamis im Wasser durch die Atmosphäre des Planeten bewegen. Ihre Entstehung ist den Wissenschaftlern derzeit noch ein Rätsel.

Von Guido Meyer | 24.04.2012
    Seit sechs Jahren umkreist die europäische Raumsonde VenusExpress nun unseren inneren Nachbarn im All. Dabei ist sie der Oberfläche des Planeten bei manchen Orbits bis auf 175 Kilometer nahe gekommen. Viel gesehen hat sie trotzdem nicht: Die Venus ist von einer dicken und dauerhaften Wolkenhülle umgeben, die einen Blick auf ihre eigentliche Oberfläche unmöglich macht.

    "Es ist nicht klar, warum sich Venus und Erde so unterschiedlich entwickelt haben. Die undurchlässige Wolkendecke der Venus hat dazu geführt, dass Sonnenstrahlen zwar hindurch gelangen, die Hitze aber nicht entweichen kann. So ist ein Treibhauseffekt entstanden, der die Oberfläche des Planeten immer weiter aufheizt."

    Arianna Piccialli arbeitet als Physikerin am europäischen Weltraumforschungszentrum ESTEC im holländischen Noordwijk. Und sie muss sich mit dem zufrieden geben, was Sonden aus der Umlaufbahn leisten können: wenn schon kein Blick auf die Oberfläche, dann zumindest ein näherer Blick auf diese dicke Wolkenschicht. In der Nähe des Nordpols hat Europas Raumsonde VenusExpress nun Wolkenformationen entdeckt, die Wissenschaftler Gravitationswellen nennen.

    "Dabei handelt es sich um Formationen, die an Wellen auf dem Ozean erinnern. Gravitationswellen hängen zusammen mit Störungen in der Atmosphäre. Es gibt sie auch auf der Erde. Bewegt sich beispielsweise eine Luftströmung auf einen Berg zu, muss sie ausweichen und höher steigen, um dieses Hindernis zu überwinden. Auf der anderen Seite des Berges, wenn die Luftmassen wieder sinken, wird die Strömung instabil und es entstehen solche Muster in den Wolken."

    Solche Formationen hat die Venus Monitoring Camera nun auch in den nördlichen Breiten der Venus nachgewiesen. Etwa 200 Aufnahmen haben die Forscher am ESTEC ausgewertet und dabei drei Arten von Gravitationswellen entdeckt.

    "Wir unterscheiden zwischen langen, parallelen Wolkenbändern, solchen mittlerer Länge und kurzen, breiten Formationen. Der Ursprung dieser verschiedenen Gravitationswellen ist uns jedoch noch ein Rätsel."

    Als Quelle dieser Wolkenformationen kommen für die Physiker derzeit zwei Modelle in Frage. Zum einen könnte der Mechanismus dem auf der Erde ähnlich sein. Auch wenn sich die eigentliche Oberfläche der Venus dem optischen Zugriff von Kameras sperrt, haben Radaraufnahmen gezeigt, dass es auch auf der Venus Gebirge gibt, die die atmosphärischen Strömungen umlenken könnten.

    "Es gibt vor allem um den Nordpol herum Berge auf der Venus – also dort, wo wir die Gravitationswellen beobachtet haben. Sie stören die normalen Wolkenformationen mit dem Effekt, dass sich Gravitationswellen bilden. Deswegen heißen sie so: weil es die Schwerkraft ist, die sie nach Überqueren eines Hindernisses wieder herunterzieht."

    Eine andere Möglichkeit für das Auftreten von Gravitationswellen können Wirbelstürme sein, die beispielsweise beim Gasplaneten Jupiter zur Bildung seines großen roten Fleckes geführt haben. Arianna Piccialli:

    "Manchmal beobachten wir auf der Erde solche Wellen im Zusammenhang mit Zyklonen oder gigantischen Wirbelstürmen. Auf der Venus gibt es in beiden Pol-Gegenden ebenfalls Stürme von immensen Ausmaßen. Auch sie könnten zur Bildung von Gravitationswellen führen."

    Dummerweise können die Wissenschaftler weder die Formierung noch die Auflösung dieser Wolkenfelder direkt verfolgen, da die Kamera von VenusExpress nur Fotos aufnimmt, keine Filme. Und bei jedem Umlaufbahn fotografiert sie einen anderen Ausschnitt der dicken und nach wie vor geheimnisvollen Wolkendecke.

    Anmerkung:
    Die im Beitrag erwähnten Gravitationswellen werden als Fachterminus im Kontext mit Wolken gebraucht. Sie beschreiben hier nicht die Gravitationswellen, die von der allgemeinen Relativitätstheorie vorhergesagt werden.