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Woody Allens "Magic in the Moonlight"
Ein liebenswertes unglaubwürdiges Liebespaar

Woody Allen hat seinen neuen Film "Magic in the Moonlight" in den 20er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts angesiedelt, als auch der Entfesselungskünstler Harry Houdini in den Varietés auftrat. Wie dieser will auch Allens Hauptfigur Stanley Scharlatane entlarven, verliebt sich dabei aber. Das wirkt zwar unglaubwürdig, ist aber sehr charmant.

Von Josef Schnelle | 04.12.2014
    US actress Emma Stone (L) and British actor Colin Firth pose during a photocall for the premiere of US director Woody Allen's movie "Magic in the moonlight", on September 11, 2014, in Paris.
    US-Schauspielerin Emma Stone und der britische Schauspieler Colin Firth - Hauptdarsteller in "Magic in the moonlight" (AFP PHOTO / MARTIN BUREAU)
    "Stanley, Du bist immer noch der Beste auf der Welt. Ich brauch' deine Hilfe."
    "Die Spannung steigt."
    "Die Catledge gehören zur High Society Südfrankreichs und dort ist eine Frau, die ihnen weiszumachen versucht, sie habe das 'Zweite Gesicht'. Niemand entlarvt falsche Spiritisten besser als Du."
    "Mir macht sie nichts vor."
    Angelehnt hat Woody Allen seine Hauptfigur Stanley an den Entfesselungskünstler Harry Houdini, der um die Wende zum 20. Jahrhundert sein Unwesen in den europäischen Varietés trieb. Zugleich war er aber auch besessen von dem Gedanken, anderen vermeintlichen Spiritisten das Handwerk zu legen. Woody Allen verortet seine Geschichte um 1928 und macht aus der Hauptfigur Stanley einen britischen Zyniker, der als asiatisch geschminkter Illusionskünstler selbst Elefanten verschwinden lassen kann. Bis ihn sein Freund Howard bittet, eine Schwindlerin an der Côte d´Azur zu entlarven. Dort sind schließlich die Eleganz und die Millionäre zu Hause. Sophie Baker hat inzwischen mit ihren Séancen und Tricks die ganze Familie Catledge für sich eingenommen. Stanley fällt es gar nicht so leicht, die hübsche Lady zu durchschauen. Mehr und mehr beginnt er zu glauben, dass er es tatsächlich mit übersinnlichen Fähigkeiten zu tun hat.
    "Je länger ich sie beobachte, um so ratloser bin ich. Ist sie doch echt? Ich zweifle langsam an meinem Verstand."
    "Du warst dir immer so sicher in Bezug auf die Welt. Und ich wollte Dir jetzt vermitteln, dass wir nicht alles wissen."
    "Erzählen sie mir was über die bunte Vergangenheit meiner Tante Vanessa."
    "Ich sehe ein Mitglied des Parlaments. Eine Liebschaft."
    "Sie können das unmöglich wissen."
    In seinem 44. Film, den er mit 78 Jahren drehte, verlässt sich der chronische Stadtneurotiker Allen ganz auf die Chemie des Paares, das er in den Mittelpunkt stellt. Zwischen dem weltgewandten Verführer Colin Firth und dem Jungstar Emma Stone liegt ein unglaubwürdiger Altersunterschied von 28 Jahren. Nur an der filmhistorisch und romantisch so sehr aufgeladenen Côte d´Azur kann es da noch funken. Am ehesten außerdem in den 1920er-Jahren, in denen Woody Allen schon 2011 seine vertrackte Zeitreisekomödie "Midnight in Paris" angesiedelt hatte. Filmische Zeitreisen sind Woody Allen sowieso inzwischen am Liebsten. Der geistreiche New Yorker, der als Stand-Up-Comedian mit derben Witzen seine Karriere begonnen hat, ist heute eher ein europäischer Gast-Autorenfilmer mit filmischen Hommagen an die europäischen Hauptstädte und Landschaften. Der Pointenflug zwischen der Spiritistin und dem alten Meister ist jedenfalls ein höchst vergnügliches Ping-Pong-Spiel.
    "Sie ist doch ganz angenehm. Schwindlerin hin oder Schwindlerin her."
    "Meine mentalen Bilder sind umwölkt."
    "Sind es Kumulus oder Cirrus-Wolken?"
    "Sie machen sich über mich lustig.
    Woody Allen hat den Film auf 35-Millimeter-Material mit inzwischen ungebräuchlichen Linsen drehen lassen, weswegen man sich manchmal mitten hinein versetzt fühlt in klassische Kinokomödien der 1950er Jahre wie "Über den Dächern von Nizza" von Alfred Hitchcock. Allen ließ die wichtigsten Szenen in einer Villa in Cap d´Antibes nicht weit von Cannes drehen und schwelgt in einer Welt voller Eleganz und Luxus, in der aber im Grunde alle nur Schwindler sind. Weswegen man Allen die Liebesgeschichte im Zentrum des Films auch eher nicht abnehmen mag. Zu plötzlich ist die wechselseitige Zuwendung nach einem Regenguss im Planetarium. Und die Wandlung des Zynikers zum romantischen Liebhaber ist gleich gar nicht glaubhaft, was Colin Firth gelegentlich mit einem Zwinkern unterstreicht. Entschädigt wird man allerdings durch den Schalk im Nacken der Hauptfiguren. Und so sind Colin Firth und Emma Stone das erste unglaubwürdige Liebespaar der Filmgeschichte, das man einfach mögen muss. Woody Allen dreht jedes Jahr einen neuen Film. Selbst, wenn er sich einmal eher routiniert als genial zeigt, sind seine Filme außergewöhnliche Perlen der Filmgeschichte voller Lebensweisheit.
    "Man kann das Dach öffnen und das Universum sehen. Bedrohlich."
    "Das finden Sie bedrohlich. Ich find es sehr romantisch."