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Workshop "Islamismus-Prävention"
Dschihad-Anwerbungen widerstehen

Radikale Islamisten aus dem Umkreis der Salafisten werben in Deutschland aktiv Jugendliche für den Dschihad in Syrien und im Irak. Doch wie gehen Schulen mit möglichen Anwerbeversuchen um. Eine Reportage aus Berlin-Kreuzberg.

Von Cornelius Wüllenkemper | 25.10.2014
    Schüler sitzen in einer Schulklasse.
    Ziel der Workshops: Die Schüler sollen gegen die Heilsversprechen der Extremisten gewappnet sein. (dpa / Christian Charisius)
    "Gruppe zwei, ich hatte die Gegner des Frauenbadetages ... "
    Assan Ali von der "Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus" fasst die Ergebnisse einer Schülerdiskussion auf einer Flipchart zusammen. Im Workshop "Islamismus-Prävention" geht es in dieser Woche um die Einführung eines Frauenbadetages in einem muslimisch geprägten Viertel in Berlin-Kreuzbergs. Seit langem bereits arbeitet die Carl-von-Ossietzky-Schule eng mit der KiGA-Initiative zusammen. Die verschiedenen islamischen Lebensweisen und Auslegungen des Koran stehen im Mittelpunkt der Workshops. Die Schüler sollen gegen die Heilsversprechen der Extremisten gewappnet sein. Denn Anwerbeversuche radikaler Islamisten im Internet oder auf offener Straße gehörten längst zum Alltag, meint die 17-jährige Schülerin Berna. Die Tochter eines deutschen Vaters und einer türkisch-stämmigen Mutter berichtet, sie sei bereits mehrfach von solchen vermeintlichen "Aufklärern" in einem Berliner Brennpunkt-Viertel angesprochen worden.
    "Man wird ja wirklich angequatscht von denen. Wo ich mich dann natürlich bedrängt fühle und angegriffen fühle. Weil ich mir denke, wenn ich der Meinung bin, ich muss dieser Religion angehören, dann kann ich auch freiwillig in die Moschee gehen. Jeder interpretiert diesen Koran anders, und da finde ich es nicht in Ordnung, wenn man von fremden Leuten angequatscht wird, "ja, die Salafisten sind so toll, und die ISIS ist supertoll." Da wird man ja in eine Zwangssituation gesetzt.
    Das persönliche Gespräch als wirksamste Prävention
    Berna ist eine von 1.100 Schülerinnen und Schülern der Carl-von-Ossietzky-Schule. 80 Prozent der Schülerschaft zwischen Grundschule und Abiturklasse sind hier nicht deutscher Herkunft, 75 Prozent stammen aus sozialschwachen Familien. Viele Schüler hier seien persönlich von den ideologischen und militärischen Auseinandersetzungen im mittleren Osten betroffen, meint Schulleiterin Anett Burow. Im Gespräch mit den Schülern zu bleiben sei die wirksamste Prävention gegen extremistische Ansichten, glaubt Nalan Kilic. Seit zwölf Jahren ist die Frau aus türkischem Elternhaus Fachlehrerin für Politik, Geschichte und Deutsch. Das politische Tagesgeschehen, die Fragen der Schüler, nimmt sie als festen Bestandteil im Unterricht auf.
    "ISIS ist in aller Munde. Und das wird auch immer wieder diskutiert und wird auch immer verfolgt von den Schülerinnen und Schülern. Und da wird auch immer wieder nachgefragt. Jetzt kommen die Fragen, wie die Haltung der Türkei ist. Was ist da jetzt? Und die Kurden-Problematik. Das ist jetzt gerade im Entstehen."
    Mit welchen Ideen, Videobotschaften, Facebook-Gruppen und Propaganda-Inhalten sich die Schüler in ihrer Freizeit beschäftigen, kann sie dabei nicht kontrollieren. Dass radikale Islamisten aus dem Umkreis der Salafisten auf dem Schulhof Schüler "bekehren" wollen, wie es bereits an anderen Schulen in Berlin beobachtet wurde, sei hier zum Glück noch nicht vorgekommen. Und wenn, dann würden wir das schnell erfahren, ist sich Nalan Kilic sicher. Es sei wichtig, die Jugendlichen als Individuum zu sehen, unabhängig von ihrem kulturellen, religiösen oder sozialen Hintergrund. Das erfordert auch von der Lehrerschaft eine besondere Sensibilität und inhaltliche Kompetenz: derzeit bereitet die Carl-von-Ossietzky-Schule eine Islam-Weiterbildung für das Lehrerkollegium vor.